#Verwaltungsprozessrecht

EuGH zur Anwendung der DSGVO auf parlamentarische Untersuchungsausschüsse

Am 09.07.2020 urteilte der EuGH, dass die DSGVO auf den Petitionsausschuss des Hessischen Landtages anzuwenden sei (EuGH C-272/19). Auf eine Auslegungsvorlage des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs hat der EuGH nun entschieden, dass auch parlamentarische Untersuchungsausschüsse den Bindungen der DSGVO und damit dem Unionsrecht unterfallen. In Wien hatte ein verdeckter Ermittler beim Datenschutzbeauftragten beantragt, dass die Wiedergabe seiner Identität in einem Zwischenbericht über seine Aussage vor einem Untersuchungsausschuss anonymisiert wird. Der Antrag wurde abgewiesen, in zweiter Instanz wurde der EuGH zur Vorabentscheidung durch den VwGH eingeschaltet (VwGH Ro 2021/04/0006 vom 14.12.2021).

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VG Berlin zum Hausrecht einer öffentlichen Einrichtung

Beim ungeschriebenen Hausrecht gestörter Hoheitsträger ist nicht nur die Ableitung der Ermächtigungsgrundlage für belastende Maßnahmen von Interesse, sondern auch die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, zumal es in aller Regel um Eilverfahren geht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 01.11.2024 (1 L 387.24) dies alles systematisch dargestellt, sodass wir den Fall als vollständigen Klausurfall entsprechend wiedergeben.

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Muss eine ÖR-Rundfunkanstalt alle Kommentare auf Facebook zulassen?

Die Sperrung eines Accounts auf der Facebook-Seite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt wurde erstmals höchstrichterlich vom BVerwG (30.11.2022 – 6 C 12.20 – BVerwGE 177, 190) thematisiert. Die Urteilsbegründung wurde damals überwiegend kritisch aufgenommen (z.B. Fechner, jM 2023, 251 m.w.N.). Das OVG Münster geht mit seinem Urteil vom 24.09.2024 (13 A 1535/21) ebenso wie die Vorinstanz (VG Köln – 08.06.2021 – 6 K 717/18) jeweils eigene Wege. Bis zu einer möglichen Entscheidung durch das BVerfG sollte man die unterschiedlichen Begründungsansätze kennen.

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OVG Berlin zu Kriegswaffen

Herstellung und Inverkehrbringen von Kriegswaffen bedürfen nach Art. 26 II GG und dem Kriegswaffenkontrollgesetz der Genehmigung durch die Bundesregierung. Werden solche Genehmigungen erteilt, kommen als Verfahrensart die Anfechtungsklage in der Hauptsache, ein Antrag nach § 80 V VwGO im Eilverfahren in Betracht. Die Antragsteller im vorliegenden Verfahren wollten im Vorweg verhindern, dass derartige Genehmigungen überhaupt erst erteilt werden.

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BVerfG zur Gebührenpflicht eines Polizeieinsatzes bei Hochrisikospielen

In den Polizei- und allgemeinen Gefahrenabwehrgesetzen des Bundes (z.B. BPolG, WaStrG) und der Länder (z.B. bayPAG, LStVG, SOG, OBG, PolG) finden sich gegenwärtig für Gefahrenabwehrmaßnahmen Kostenverpflichtungen des Verantwortlichen für den Fall einer Ersatzvornahme, einer Sicherstellung und einer unmittelbaren Ausführung. In allen übrigen Fällen trägt der Staat die Kosten der Gefahrenabwehr. Nur das BremGebBeitrG geht darüber seit 2014 hinaus, indem es den Mehraufwand von Polizeieinsätzen bei sicherheitsrechtlich kritischen gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen dem jeweiligen Veranstalter zuweist. Das BVerfG hat mit Urteil vom 14.01.2025 (1 BvR 548/22) die Regelung als verfassungskonform angesehen. Wir geben eine klausurmäßige Darstellung des Falles hier.

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Die wichtigsten Entscheidungen im Öffentlichen Recht aus dem Jahr 2024

Im öffentlichen Recht ging es 2024 sowohl prozessual als auch materiell-rechtlich bunt daher. Die Gerichte beschäftigten sich mit Verfassungsbeschwerden, Normenkontrollverfahren, mit Fortsetzungsfeststellungsklagen, Klagen auf Unterlassungsansprüche und Vollzugsfolgenbeseitigungsansprüche. Auch hier lässt sich abzeichnen, dass die bisherigen Prüfungsklassiker wohl immer noch angesagt bleiben dürften. Materiell-rechtlich hatte das Jahr auch viel zu bieten. Von Grillanlagen und der Haltung von einem Hahn im Garten, über die straßenrechtliche Beurteilung von Mietfahrzeugen, der Verantwortlichkeit von Kfz-Haltern bis hin zum Versammlungsrecht und der rechtlichen Behandlung von verfassungsfeindlichen Parteien. Aber auch der Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 I GG beschäftigte die Richter:innen das ein oder andere Mal. Hier kannst Du die relevanten Urteile noch einmal nachlesen.

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Klageerledigung durch Veränderungssperre

Mit einer Veränderungssperre kann eine Gemeinde ihre planerischen Vorstellungen absichern, noch bevor sie sich in einem wirksamen Bebauungsplan niedergeschlagen haben. Allerdings muss sie den Beschluss zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplans gefasst haben (§ 2 I 2 BauGB), bevor sie wirksam eine Veränderungssperre als Satzung verabschieden kann (§ 14 I Nr. 1 BauGB). Für Bauherren, die entsprechend der bisherigen planerischen Situation bauen wollten, aber im Zeitpunkt der Verabschiedung der Veränderungssperre noch keine Bauerlaubnis hatten (vgl. § 14 III BauGB), bedeutet dies das Ende ihrer Vorhaben. Geschieht das während eines verwaltungsgerichtlichen Genehmigungsprozesses, kann der Bauherr dies nutzen und einen haftungsrechtlichen Prozess vorbereiten.

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VG Minden zum Allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch

Bevor es losgeht noch einmal zur Erinnerung die Terminologie: 1. Vom „Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch“ sprechen wir, wenn der Abwehranspruch die zurechenbaren Folgen eines Verwaltungsaktes betrifft – z.B. Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine Baugenehmigung mit Verpflichtungsklage auf Erlass einer Bauordnungsverfügung bezogen auf das zwischenzeitlich realisierte Bauwerk (§ 212a BauGB i.V.m. § 113 I 2 VwGO). 2. Geht es um einen Abwehranspruch gegen die Folgen eines sonstigen (idR „schlichten“) Verwaltungshandelns, geht es um den „allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch“ – und damit befasst sich der folgende Fall.

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OVG NRW und Sächs. OVG zur Rechtmäßigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen

Die Anfertigung von Lichtbildern, Fingerabdrücken und ähnlicher Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung können bei strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen (Beschuldigten) gegen deren Willen vorgenommen werden (§ 81b I StPO). Die die aus strafprozessual veranlassten Gründen (§ 81b I StPO, 1. Alternative: „für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens“) erhobenen Daten können für Zwecke des „Erkennungsdienstes“ aufbewahrt werden. Erkennungsdienst soll sicherstellen, dass der Beschuldigte nicht erneut eine strafbare Tat begeht. In dieser 2. Alternative geht es somit in § 81b I StPO um Gefahrenabwehr mit der Folge, dass die Vorschrift als Bundesrecht lex specialis zu den in den Polizeigesetzen der Länder geregelten vergleichbaren Ermächtigungsgrundlagen ist. Nicht nur diese Besonderheit, sondern auch die Auswirkungen der beiden Alternativen des § 81b I StPO mit ihren Zuordnungen zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr erschweren die Arbeit mit der klausurrelevanten Vorschrift, zumal sich daraus unterschiedliche Rechtswegzuweisungen ergeben.

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