BayVGH zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene

BayVGH zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene

Kommunalrecht gehört zum Pflichtfachbereich in allen Flächenländern. Deswegen muss man die aktuelle Rechtsprechung im Kommunalrecht kennen. In diesem Urteilsticker geht es um die Bindungen der Gemeinden und Städte im Verhältnis zur AfD.

Kommunale Brandmauer gegen die AfD

  1. durch Mitgliedschaft der Gemeinde in einer „Allianz gegen Rechtsextremismus“ (BayVGH Urteil vom 14.11.2024, 4 B 23.2005)

  2. durch Widmungsbeschränkung bei kommunalen Einrichtungen (BayVGH Beschluss vom 25.09.2024, 4 CE 24.937)

A. Vereinfachte Sachverhalte

Die Gemeinde G engagiert sich gegen „Gefahren von Rechts“.

  1. Die Gemeinde ist deshalb nach Beschluss des Gemeinderats einer „Allianz gegen Rechtsextremismus“ beigetreten. Mitglieder dieses eingetragenen Vereins sind 165 Kommunen und 322 zivilgesellschaftliche Organisationen. Gemeinsames Ziel ist es, allen Formen von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit sowie Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit“ entgegenzutreten. Nachdem sich die Allianz in Pressemitteilungen mehrfach sehr kritisch zur AfD geäußert hat, klagt K als der zuständige Unterverband der AfD darauf, dass die G aus der Allianz austritt.

  2. Die Kommunalwahl steht bevor. K hat sich frühzeitig um eine Vergabe des gemeindlichen Veranstaltungszentrums für eine Wahlveranstaltung bemüht und einen Zulassungsantrag gestellt. Erst danach erweitert der Gemeinderat nach Maßgabe der Gemeindeordnung die Benutzungssatzung für das Veranstaltungszentrum um die folgende Vorschrift:

§ 2 Nr. 9: Von der Überlassung ausgeschlossen sind Veranstaltungen, die rechtswidrige oder verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Dies gilt auch für Parteien, die von Verfassungsschutzorganen beobachtet werden.

Darauf verweigert die Gemeinde G unter Hinweis auf die Tatsache, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, die endgültige Vergabe. K ist damit nicht einverstanden. Da der Wahltermin unmittelbar bevorsteht, strebt K ein Eilverfahren an.

Auszug aus der Gemeindeordnung (GO, Art. 21)

(1) Alle Gemeindeangehörigen sind nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. ….

B. Die Entscheidungen

I. Klage auf Austritt der Gemeinde aus der Allianz

BayVGH Urteil vom 14.11.2024, 4 B 23.2005

1. Zulässigkeit

Die Klage eines Kreisverbandes einer Partei nach § 61 Nr. 2 VwGO ist als allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht zulässig (§§ 40 I, 45 VwGO). Der Beitritt zu einer privatrechtlichen Vereinigung erfolgt nicht durch einen Verwaltungsakt der Gemeinde, sodass Klagen nach § 42 I VwGO ausscheiden.

2. Begründetheit

Die Klage des Kreisverbandes ist aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch begründet. Mit dem Beitritt der Gemeinde zu der Allianz wurde hoheitlich in den verfassungsrechtlichen Status der Partei aus Art. 21 I GG eingegriffen, wobei die zurechenbaren Folgen des Eingriffs (die Mitgliedschaft in der Allianz) andauern und nicht von dem Kläger zu dulden sind, weil sie rechtswidrig sind. Dazu der BayVGH (4 B 23.2005):

Rn. 31 „Der von Art. 21 I GG geschützte verfassungsrechtliche Status der Parteien gewährleistet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Das Grundgesetz garantiert den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die prinzipielle Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt (BVerfG, U.v. 15.06.2022 – 2 BvE 4/20 u.a. – BVerfGE 162, 207 Rn. 72 m.w.N.). Ihre chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes macht es erforderlich, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren. …..

Rn. 32 Da das verfassungsrechtliche Gebot parteipolitischer Neutralität für die kommunale Ebene in gleicher Weise gilt (BVerwG, U.v. 13.09.2017 – 10 C 6.16 – BVerwGE 159, 327 Rn. 24 m.w.N.), ist auch die Beklagte als örtlicher Träger der kommunalen Selbstverwaltung bei allen an die Öffentlichkeit gerichteten Verlautbarungen daran gebunden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob sich ein einzelner Amtsträger bzw. der Stadtrat als Vertretungsorgan in seiner jeweiligen Funktion zu Wort meldet oder ob eine Äußerung allgemein namens der Beklagten als Gebietskörperschaft abgegeben wird.

Rn. 33 Durch ihre Beteiligung an der Allianz gegen Rechtsextremismus, greift die Beklagte mittelbar in den Prozess der demokratischen Meinungs- und Willensbildung ein und verstößt damit zu Lasten des Klägers gegen ihre Neutralitätspflicht, ohne sich auf eine entsprechende Eingriffsbefugnis berufen zu können.

Rn 38 …. Insbesondere lässt sich ihre Mitgliedschaft in der Allianz … nicht als eine zulässige Form kommunaler Öffentlichkeitsarbeit verstehen.

Rn 39 Die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen umfasst die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit ….. Daraus ergibt sich für die Organe und die gewählten Amtsträger einer Kommune im Rahmen ihrer Aufgabenzuweisung eine prinzipielle Befugnis zu kommunalpolitischen Stellungnahmen zu allen Themen, welche die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen ….

Rn 40 Auf diese allgemeine Äußerungsbefugnis kann die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Mitgliedschaft in der Allianz gegen Rechtsextremismus aber jedenfalls solange nicht verweisen, wie deren Vertreter sich in öffentlichen Stellungnahmen ausdrücklich und in kritischer Form mit der AfD auseinandersetzen. Denn auch im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit gilt … das aus Art. 21 GG folgende Neutralitätsgebot im Verhältnis zu den politischen Parteien …

Rn 41 Es erscheint ohnehin bereits fraglich, ob das von der Allianz verfolgte Ziel…. eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Beklagten (Art. 28 II 1 GG) darstellt und daher Gegenstand kommunaler Öffentlichkeitsarbeit sein kann. Die Gemeinden haben zwar die Befugnis, sich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sofern sie nicht anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, auch ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen. Durch die Beschränkung dieses Zugriffsrechts auf Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, bleibt es ihnen aber verwehrt, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen …. Um eine solche Aufgabe ohne spezifischen Ortsbezug dürfte es sich aber bei der von der Allianz gegen Rechtsextremismus erklärtermaßen in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten gestellten Bekämpfung rechtsextremen Gedankenguts handeln.……”

Ergebnis

Das Verwaltungsgericht verurteilt die Gemeinde, aus der Allianz auszutreten.

II. Eilverfahren auf Zugang zum kommunalen Veranstaltungszentrum

BayVGH Beschluss vom 25.09.2024, 4 CE 24.937

1. Zulässigkeit

Das Recht auf Zugang zu kommunalen Einrichtungen ist in allen Gemeindeordnungen so wie im vorliegenden Fall in Bayern (Art. 21 I 1 GO) sonderrechtlich ausgestaltet, sodass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 I VwGO). Statthafte Verfahrensart im Eilverfahren ist eine einstweilige Anordnung (§ 123 I VwGO), da es nicht um die Suspendierung eines Verwaltungsaktes geht (dazu §§ 123 V, 80, 80a VwGO). Das für die Antragsbefugnis erforderlich subjektive Recht leitet sich aus der GO ab, wonach Gemeindeangehörige ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu den kommunalen Einrichtungen haben.

2. Begründetheit

Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn der Antragsteller einen Anspruch glaubhaft macht (Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit besteht (Anordnungsgrund). Letzteres ist unproblematisch gegeben, da die Wahl zeitlich unmittelbar bevorsteht. Fraglich ist allein, ob sich aus Art. 21 I GO ein Anspruch auf Zugang ableitet. Zwar handelt es sich bei dem Veranstaltungszentrum um eine gemeindliche Einrichtung als Bestand sachlicher und persönlicher Mittel, der Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge nach besonderer Zulassung zum Gegenstand hat. Der Anspruch ist aber nur „nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften“ gegeben. Dazu gehört die Benutzungssatzung, die von der Gemeinde allerdings so geändert worden ist, dass nach dem Wortlaut der Ortsverband der AfD keinen Anspruch auf Zugang hat.

Der BayVGH stellt klar, dass eine Einschränkung der Benutzungsmöglichkeiten kommunaler Einrichtungen durch Satzung möglich ist, aber nicht wirksam wird, soweit ein Antrag – wie im vorliegenden Fall – bereits vor der Satzungsänderung gestellt worden ist.

Rn 33 „Zwar ist es dem Antragsgegner im Rahmen seiner autonomen Rechtsetzungskompetenz unbenommen, die Zweckbestimmung seines als öffentliche Einrichtung betriebenen Gemeindezentrums zu verändern und damit auch einzuschränken. Gemeinden sind nicht von vornherein zur Überlassung von Räumlichkeiten zur Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen verpflichtet. Daher ist eine Widmungsbeschränkung dahingehend, solche Veranstaltungen von der Zugangsberechtigung für die Zukunft auszuschließen, rechtlich unbedenklich. Allerdings begründen solche nachträglichen Widmungsbeschränkungen nicht die rechtliche Möglichkeit, bereits zuvor gestellte – unliebsame – Benutzungsanträge abzulehnen. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.03.1969 – BVerwGE 31, 368), der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. B.v. 21.1.1988 – 4 CE 87.03883 – BayVBl 1988, 497/498; B.v. 17.2.2011 – 4 CE 11.287), setzt sich eine Gemeinde, die die Zweckbestimmung ihrer Einrichtung ändert, nachdem bereits ein Antrag auf Überlassung vorliegt, dem naheliegenden Verdacht aus, dass sie dies nicht aus einem anzuerkennenden allgemeinen Grund getan hat, sondern nur, um den Antrag ablehnen zu können. In diesem Fall ist die Satzungsänderung, soweit sie sich Wirkung auch für den bereits gestellten Antrag beilegt, wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot teilweise unwirksam und der gestellte Antrag daher noch nach den bisher geltenden Grundsätzen, d. h. nach dem bisher geltenden Satzungsrecht und der auf seiner Grundlage gebildeten Verwaltungspraxis, zu verabschieden. So liegt der Fall auch hier.“

Damit liegen die Voraussetzungen auch des Anordnungsanspruchs vor.

Ergebnis

Das Verwaltungsgericht verpflichtet die Gemeinde im Wege einer einstweiligen Anordnung, das Zentrum entsprechend dem Antrag zur Verfügung zu stellen.

(BayVGH Urteil vom 14.11.2024, 4 B 23.2005; BayVGH Beschluss vom 25.09.2024, 4 CE 24.937)

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