
Beherbergungsinfrastruktur ist eine notwendige Begleiterscheinung bei Großdemonstrationen. Unterfällt ihre Bereitstellung dem Schutz der Versammlungsfreiheit – insbes. bei einem eigenständigen Kommunikationszweck? Damit hat sich das BVerwG befasst.
A. Vereinfachter Sachverhalt
Anlässlich des Gipfeltreffens der Vertreter von 19 Mitgliedsstaaten, der Afrikanischen Union und der EU in Hamburg waren mehrtägige Proteste tausender Demonstranten angekündigt worden. Zu ihnen zählte auch der Hamburger H, der sich zusammen mit einer örtlichen Organisationsgruppe auch um die Unterbringung der anreisenden Protestierenden kümmern wollte. Er hatte mit der für das Versammlungsrecht zuständigen Landesbehörde Kontakt aufgenommen, konnte aber seine Vorstellungen nicht durchsetzen.
In seinen ersten Gesprächen mit der Behörde bezeichnete er eine städtische Freifläche, auf der mindestens 500 Schlafzelte sowie Einrichtungen für Küchen und Waschanlagen errichtet werden sollten. Die Versammlungsbehörde verwies ihn darauf, dass die Bereitstellung von Unterkünften für Demonstranten in einer Stadt, die – wie Hamburg – über ausreichende Hotelkapazitäten verfügt, durch das Versammlungsrecht nicht privilegiert und deshalb auf öffentlichen Flächen verhindert werde. H änderte seine Konzeption und beabsichtigte, auf der Fläche eine mehrtägige Gegenveranstaltung zum G20-Gipfel unter dem Titel „Protestcamp: Eine andere Welt ist möglich” durchzuführen. Geplant war ein „Camp als mehrtägige Meinungskundgabe im Rahmen eines politisch-kulturellen Festes mit Übernachtungsmöglichkeiten“. Es sollte dem politischen Protest dienen, vorgesehen waren zudem Workshops zu Themen wie Militarismus, Fluchtursachen, Krieg, Sexismus und politische Jugendarbeit.
In den Kooperationsgesprächen mit der Behörde überreichte H Skizzen, aus denen sich auch ergab, dass mehr als die Hälfte des Platzes – je nach Bedürfnis – für bis zu 700 Schlafzelte in Anspruch genommen würde. Die Behörde nahm die Versammlungsanzeige entgegen, begrenzte jedoch die Anzahl der Schlafzelte auf 300 für jeweils 2-3 Personen und schränkte die Anzahl von Kochstellen und Waschgelegenheiten entsprechend ein.
H hat nach dem Gipfel Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg auf Feststellung erhoben, dass 1. die angedrohte Verhinderung des ursprünglich geplanten Aufbaus eines Camps für Beherbergungszwecke und 2. die späteren Beschränkungen des Protestcamps hinsichtlich der Beherbergungskapazität rechtswidrig waren. Die Behörde habe es versäumt, auf eine dem Versammlungsrecht entsprechende Ausgestaltung der Pläne hinzuwirken.
Hat die Klage Erfolg?
B. Entscheidung
Die Klage hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
H hat Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg auf Feststellung der Rechtswidrigkeit behördlicher Maßnahmen erhoben, die im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Kooperationsgesprächen erfolgt sind.
1. Zuständigkeit des VG Hamburg
Das Verwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht, wenn der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (§ 17a II GVG) oder dem Gericht die sachliche oder örtliche Zuständigkeit fehlt (§ 83 VwGO). Maßnahmen nach den Versammlungsgesetzen sind öffentlich-rechtlicher, nichtverfassungsrechtlicher Natur iSd. § 40 I VwGO. Sachlich (§ 45 VwGO) und örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht Hamburg.
2. Klageart
Klagearten sind entsprechend dem Antrag allgemeine Feststellungsklagen (§ 43 I i.V.m. § 44 VwGO). H begehrt die verbindliche Feststellung durch das Gericht, dass 1. die Verhinderung des ursprünglich geplanten Übernachtungscamps und 2. die spätere Beschränkung des Protestcamps hinsichtlich der Übernachtungskapazitäten rechtswidrig waren.
Eine Verdrängung durch eine spezielle Feststellungsklage (vgl. §§ 43 II 2, 47 I, 113 I 4 VwGO) findet nicht statt, wobei offenbleiben kann, ob Antrag Nr. 2 nicht auch Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage sein könnte. Dazu das BVerwG:
Rn. 42 „Auch bietet die Feststellungsklage im Vergleich mit einer auf die Rechtmäßigkeit der Verfügungen bezogenen Fortsetzungsfeststellungsklage wirkungsvolleren Rechtsschutz. Sie ermöglicht es, den die Beteiligten in erster Linie interessierenden versammlungsrechtlichen Schutz des Protestcamps in den Mittelpunkt der Entscheidung zu stellen, unabhängig von der Frage, auf welcher Ermächtigungsgrundlage die Versammlungsbehörde ihre in Rede stehenden Entscheidungen treffen konnte (so bereits in vergleichbaren Konstellationen BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 13, vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 12 und vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - BVerwGE 175, 346 Rn. 15).“
3. Klageartabhängige Sachurteilsvoraussetzung
Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer allgemeinen Feststellungsklage beurteilen sich nach §§ 43 I, 43 II 1 VwGO.
a) Rechtsverhältnis
Ein konkretes Rechtsverhältnis setzt voraus, dass sich aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm eine konkrete Rechtsbeziehung zu einem anderen Rechtsträger oder zu einer Sache ergibt. Auch wenn H möglicherweise nur Mitveranstalter einer Versammlung ist, besteht zwischen ihm und dem Land Streit über sein Recht aus Art. 8 I GG.
b) Feststellungsinteresse
Die Zulässigkeit der Klage ist von einem rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interesse abhängig. Bezieht sich die Klage auf einen inzwischen erledigten Vorgang, gilt nach BVerwG zusätzlich:
Rn. 36 „Im Falle der Erledigung deckt sich das Fortbestehen eines berechtigten Feststellungsinteresses nach § 43 Abs. 1 VwGO weitgehend mit den zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann sich zudem bei Vorliegen eines sich typischerweise kurzfristig erledigenden, qualifizierten Eingriffs ergeben (vgl. m. w. N. BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 - 6 C 2.22 - NVwZ 2024, 1027 Rn. 16 ff. <21>)“.
Letzteres ist der Fall. Die zahlenmäßige Begrenzung der Infrastruktur betraf einen zentralen Teil des klägerischen Konzepts und stellt daher trotz der zugelassenen Durchführung des Protestcamps möglicherweise einen Eingriff in den Kernbereich seiner Versammlungsfreiheit dar.
c) Subsidiarität
Die Zulässigkeit der Feststellungsklagen scheitert schließlich nicht am Subsidiaritätsgebot des § 43 II 1 VwGO. Dazu das BVerwG:
Rn. 40 „Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht diese Vorschrift nicht entgegen, wenn eine Umgehung der besonderen Bestimmungen für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen - bzw. für an deren Stelle tretende Fortsetzungsfeststellungsklagen - nicht droht und die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet (vgl. m. w. N. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - BVerwGE 175, 346 Rn. 14). Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt“.
Die Klage auf Feststellung der Vorenthaltung versammlungsrechtlichen Schutzes für das ursprünglich geplante Übernachtungscamp und für die angestrebte Ausweitung der Übernachtungskapazitäten bei dem Protestcamp ist zulässig.
II. Begründetheit
Die Begründetheit des Klageantrags 1 ist davon abhängig, ob schon die Bereitstellung von Übernachtungsmöglichkeiten für Teilnehmer einer anderweitig stattfindenden Versammlung ihrerseits dem Schutzbereich des Versammlungsrechts unterfällt. Demgegenüber kommt es für den Klageantrag 2 darauf an, inwieweit das „Protestcamp: Eine andere Welt ist möglich” eine Versammlung ist und die Übernachtungsmöglichkeiten uneingeschränkt an der versammlungsrechtlichen Privilegierung teilhaben.
1. Übernachtungsmöglichkeiten für Personen einer anderweitigen Versammlung
Die Beantwortung dieser Frage ist davon abhängig, ob die bloße Unterhaltung von Infrastruktureinrichtungen für eine anderweitig stattfindende Versammlung ihrerseits Versammlungsqualität hat.
a) Begriff der Versammlung
Das OVG Hamburg hat als Vorinstanz (Urteil vom 1. März 2023 – 4 Bf 221/20 – NordÖR 2023, 595) unter Hinweis auf Entscheidungen des BVerfG und des BVerwG ausgesprochen, dass Vorhaltungen, die dem nächtlichen Aufenthalt von Teilnehmern einer anderweitig stattfindenden Versammlung dienen, nicht vom Versammlungsbegriff erfasst werden. Dem ist das BVerwG (Rn. 59) ohne weitere Begründung gefolgt.
So heißt es dazu bereits in einem Urteil des BVerwG vom 25.10.2017 (BVerwGE 160, 169) Rn. 25:
„Es fehlte jedoch an den inhaltlichen Mindestanforderungen an eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG. Hierbei handelt es sich um örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken. Die Erörterung und Kundgebung muss Angelegenheiten betreffen, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 15). Auch wenn der Schutz der Versammlungsfreiheit das Recht der Grundrechtsträger umfasst, selbst über Art und Umstände der Ausübung ihres Grundrechts zu bestimmen, also zu entscheiden, welche Maßnahmen sie zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für ihr Anliegen einsetzen wollen (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <111>), kann in dem bloßen Aufenthalt von Personen in einem Camp zum Zweck der Unterkunft und deren Absicht, an Versammlungen teilzunehmen, für sich genommen noch keine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) mit dem Ziel der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung gesehen werden.“
Vergleichbar urteilte das BVerfG am 28.07.2017 (NVwZ 2017, 1374-1376) Rn. 29 aE:
„Insbesondere sind die Behörden berechtigt, die Errichtung von solchen Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, welche anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollen.“
b) Behördliche Kooperationspflicht
Mit dem auf Durchführung eines Übernachtungscamps gerichteten Feststellungsbegehren geht es dem Kläger auch um den Vorwurf, die Behörde habe es versäumt, auf eine vom Versammlungsrecht privilegierte Ausgestaltung seiner Pläne hinzuwirken. Nach Auffassung des BVerwG hat die Kooperationspflicht im Vorfeld von Versammlungen jedoch nicht diese von H gewünschte Reichweite (Rn. 61 und 62):
Rn. 61 „Auch bei diesem Verständnis ist das Feststellungsbegehren nicht begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trifft grundsätzlich der Veranstalter die Entscheidung über die Art und Weise der Versammlung, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung. Die Verwaltungsbehörde hat im Normalfall lediglich zu prüfen, ob dadurch Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, kann der Veranstalter die Bedenken durch Modifikation des geplanten Ablaufs ausräumen oder es kommen - als milderes Mittel gegenüber einem Verbot - versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um praktische Konkordanz zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Gut der Versammlungsfreiheit sowie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten und schutzbedürftigen Rechtsgütern herzustellen. Art. 8 GG und dem aus ihm abgeleiteten Grundsatz versammlungsfreundlichen Verhaltens der Versammlungsbehörde entspricht es, dass auch bei Auflagen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters im Rahmen des Möglichen respektiert wird….
Rn. 62 Demgegenüber bietet das VersG der Versammlungsbehörde keine Handhabe, eine Veranstaltung derart abzuändern, dass eine Anwendung des Versammlungsrechts erst möglich wird. Geht es nicht nur um die nähere Ausgestaltung einer bereits als Versammlung konzipierten Veranstaltung, sondern um die Ersetzung des Konzepts der geplanten Veranstaltung durch ein unter den Schutz des Versammlungsrechts fallendes Geschehen, so bleibt eine solche Abänderung dem Veranstalter vorbehalten. Es steht der Versammlungsbehörde nicht zu, in das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters einzugreifen und ein “aliud” zur eigentlich geplanten Veranstaltung auszuprägen….“
2. Übernachtungskapazität im Protestcamp
H begehrt auch die verbindliche Feststellung, dass die Beschränkung des Protestcamps hinsichtlich der Übernachtungskapazitäten rechtswidrig war. Mit diesem Begehren hat H Erfolg, wenn das „Protestcamp: Eine andere Welt ist möglich” mit seinem Konzept als politisch-kulturellen Fest und den geplanten Workshops seinerseits dem Anwendungsbereich des Art. 8 I GG und damit dem VersammlG unterfällt und die dazu geplanten Übernachtungsmöglichkeiten dafür die notwendige Infrastruktur bildeten.
a) Beurteilung gemischter Veranstaltungen
Die durchgeführte Veranstaltung diente sowohl versammlungsrechtlichen Zielen (Protestkundgabe mit politisch-kulturellen Inhalten) als auch andere Zweckrichtungen (Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten). Das BVerwG folgt der Einschätzung der Vorinstanz (OVG Hamburg NordÖR 2023, 595), wonach es für die Zuordnung als Versammlung auf eine Gesamtschau der geplanten Vorhaben und auf eine Schwerpunktbildung ankommt (Rn 44):
„Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Versammlungseigenschaft einer Veranstaltung, die sowohl Elemente enthält, die auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, nach ihrem Gesamtgepräge zu beurteilen ist. Kann ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festgestellt werden, bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln ist (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01 u. a. - NJW 2001, 2459 <2461> und vom 27. Oktober 2016 - 1 BvR 458/10 - BVerfGE 143, 161 Rn. 112 f.; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 16 ff., vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 14 Rn. 14, 22 und vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - BVerwGE 175, 346 Rn. 21). Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. …“
b) Schwerpunktbestimmung im konkreten Fall
Bezugspunkt der versammlungsrechtlichen Beurteilung ist das Protestcamp als solches und nicht das Gesamtgeschehen zum G20-Gipfel. Einige der geplanten Angebote im Protestcamp waren versammlungsrelevant. Dies trifft nicht auf das Angebot der Beherbergungsinfrastruktur zu. Es besteht auch keine inhaltliche Verknüpfung zwischen dem Protest im Camp und der Unterbringung (wie etwa bei naturschutzfachlichen Demonstrationen durch längerfristigen Aufenthalt in Baumhäusern). Auch dieser Sichtweise des Berufungsgerichts folgt das BVerwG:
Rn. 49 „Nach Auffassung des Berufungsgerichts war auch das vom Konzept vorgesehene einfache Übernachten und Verköstigen im Camp nicht im Sinne eines demonstrativen „Vorlebens” bestimmter gesellschaftlicher Forderungen zu verstehen, sondern allgemeiner Ausdruck einer persönlichen Entscheidung über Lebens- und Ernährungsformen, die keine Verbindung mit der geplanten Meinungskundgabe aufweise. Rn. 50 Vielmehr ergebe sich aus dem Kontext, dass die Schlafzelte im Wesentlichen dem Zweck dienen sollten, Personen eine günstige Schlafgelegenheit und Verpflegung oder einen Rückzugsort während der Dauer des G20-Gipfels und der begleitenden Proteste zu bieten.
Rn. 52 Zutreffend hat das Berufungsgericht die vorgesehene Beherbergungsinfrastruktur als nicht vom Schutz des Versammlungsgrundrechts gedeckt gewürdigt, soweit sie nach seinen Feststellungen zu einem Versammeln der nach Hamburg angereisten Gipfelgegner zum Zwecke des „Netzwerkens”, des gemeinsamen Planens, der Vergewisserung der eigenen Meinung und als sicherer Schlaf- und Rückzugsort dienen sollte. Denn insoweit fehlte es an einer Absicht zur Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung …
Rn. 56 Auf der Grundlage der Würdigung der einzelnen Elemente des Protestcamps ist das Berufungsgericht in eine Gesamtschau eingetreten und hat ein deutliches Übergewicht der nicht auf die Meinungskundgabe gerichteten Elemente der Veranstaltung festgestellt, so dass bei objektiver Betrachtung nach dem Gesamtgepräge keine Versammlung vorlag.
Rn. 57 Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht auf dieser Grundlage und in Ansehung des festgestellten Umfangs der nicht in einer inhaltlichen oder symbolischen Verbindung zur konkret im Camp geplanten Meinungskundgabe stehenden Infrastruktur ein eindeutiges Überwiegen versammlungsfremder Elemente bejaht und bei objektiver Betrachtung eine Gesamtprägung des Camps als Versammlung verneint hat.“
Die angestrebte Feststellung, dass die Verhinderung des ursprünglich geplanten Übernachtungscamps für Demonstranten zum G20 und die spätere Beschränkung des dann durchgeführten Protestcamps hinsichtlich seiner Übernachtungskapazitäten rechtswidrig war, kann nicht erfolgen.
Ergebnis
Die Klage ist unbegründet.
(BVerwG Urteil vom 27.11.2024 (6 C 4/23))
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen