
Herstellung und Inverkehrbringen von Kriegswaffen bedürfen nach Art. 26 II GG und dem Kriegswaffenkontrollgesetz der Genehmigung durch die Bundesregierung. Werden solche Genehmigungen erteilt, kommen als Verfahrensart die Anfechtungsklage in der Hauptsache, ein Antrag nach § 80 V VwGO im Eilverfahren in Betracht. Die Antragsteller im vorliegenden Verfahren wollten im Vorweg verhindern, dass derartige Genehmigungen überhaupt erst erteilt werden.
A. Vereinfachter Sachverhalt
Die Antragsteller sind Bundesbürger mit palästinensischen Wurzeln. Sie sind davon überzeugt, dass die Bundesregierung vor Februar 2024 entgegen § 6 III Nr. 2 KrWaffKontrG Genehmigungen zum Export von Kriegswaffen nach Israel erteilt hat. Der Bundeskanzler hat in der Sommerpressekonferenz am 24.07.2024 mitgeteilt, dass auch künftig Kriegswaffenlieferungen – nach jeweiliger Prüfung des Einzelfalles – an Israel nicht grundsätzlich ausgeschlossen seien. Deshalb wollen die Antragsteller gerichtlich verhindern, dass künftig Genehmigungen erteilt werden, weil sie mangels rechtzeitiger Information über weitere Genehmigungen nur auf diese Weise ihre Familienangehörigen im Gazastreifen schützen könnten.
Die einschlägige Vorschrift lautet:
KrWaffKontrG
§ 6 (Versagung der Genehmigung)
(1) Auf die Erteilung einer Genehmigung besteht kein Anspruch.
(2) Die Genehmigung kann insbesondere versagt werden, wenn …..
(3) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn
- Grund zu der Annahme besteht, daß die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde…….
Die Antragsteller streben ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin an. Werden sie damit Erfolg haben?
B. Entscheidung
Das Eilverfahren hat Erfolg, wenn es zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
Ein Eilantrag an das Verwaltungsgericht ist zulässig, wenn das Verwaltungsgericht zur Sachentscheidung zuständig ist und die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfahrensart erfüllt sind.
1. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
Wenn das angerufene Verwaltungsgericht nicht zuständig ist, verweist es den Rechtsstreit an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO).
a) Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I VwGO eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche, nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt und eine abdrängende Sonderzuweisung nicht eingreift.
Eine Streitigkeit ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn die streitentscheidende Rechtsvorschrift einen Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet. Streitentscheidend ist in Abwehrfällen die Ermächtigungsgrundlage des streitigen Verwaltungshandelns, bei Begünstigungsbegehren die Vorschrift, die dem angestrebten Verwaltungshandeln zugrunde liegt. Den Antragstellern geht es um die Abwehr künftigen Verwaltungshandelns, das auf § 6 III Nr. 2 KrWaffKontrG beruhen würde, einer Vorschrift, durch die die Bundesregierung als Genehmigungsbehörde einseitig berechtigt wird.
Es handelt sich trotz der Sachnähe zu Art. 26 II GG nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Sie kann nur angenommen werden, wenn Organe oder sonstige Stellen, die am Verfassungsleben beteiligt sind (wie z.B. Fraktionen) über Fragen des materiellen Verfassungsrechts streiten. Diese Qualifizierung trifft auf die Antragsteller nicht zu.
b) Sachlich zuständig ist nach §§ 80 V 1, 123 II 1, 45 VwGO das Verwaltungsgericht, örtlich zuständig – entsprechend dem Sitz der Bundesregierung – das Verwaltungsgericht Berlin (§ 52 Nr. 5 VwGO).
2. Verfahrensart und verfahrensartabhängige Zulässigkeitsvoraussetzungen
Die Antragsteller streben ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht an.
a) Für verwaltungsgerichtliche Eilverfahren kommt grundsätzlich eine einstweilige Anordnung in Betracht, es sei denn, die Antragsteller erstreben die Suspendierung eines Verwaltungsaktes oder – dies aber nur in mehrpoligen Beziehungen – die vorzeitige Vollziehung eines durch einen anderen Verfahrensbeteiligten suspendierten Verwaltungsakts (vgl. § 123 V i.V.m. §§ 80, 80a VwGO). Da die Antragsteller im Eilverfahren erreichen wollen, dass die Bundesregierung künftig keine Genehmigung zum Inverkehrbringen von Kriegswaffen nach Israel erteilt, geht es ihnen nicht um die Abwehr konkreter Verwaltungsakte, sondern um die Verpflichtung der Bundesregierung, Genehmigungserteilungen künftig zu unterlassen.
Dafür kommt eine einstweilige Anordnung mit dem entsprechenden Antrag auf Unterlassen in Betracht (§ 123 I VwGO).
b) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen sind in § 123 I VwGO nicht ausdrücklich aufgeführt.
Aus § 42 II VwGO leitet sich allerdings der allgemeine, für alle Verfahrensarten beachtliche Rechtsgedanke ab, dass der Antrag nur zulässig ist, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Antragsteller den geltend gemachten Anspruch haben.
Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass den Anspruchstellern bei Erteilung einer Genehmigung ein Abwehrrecht zusteht und das Abwarten auf das Verwaltungshandeln unzumutbar ist. Man kann diese Anforderung prozessual auch als „Besonderes Rechtsschutzbedürfnis“ für ein Eilverfahren auf vorbeugenden Rechtsschutz bezeichnen.
VG und OVG sehen – ohne auf die Frage nach einem subjektiven Abwehrrecht einzugehen – den vorbeugenden Unterlassungsanspruch als offensichtlich nicht gegeben an, wenn das vorbeugend abzuwehrende Verwaltungshandeln nicht hinreichend konkretisiert werden kann:
Verwaltungsgericht Berlin
Rn. 4: „Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung – dazu zählen auch solche der Bundesregierung (dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. August 2022 – OVG 10 S 27/22) – ist daher grundsätzlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 – BVerwG 2 C 18.15). Die Verwaltungsgerichtsordnung ist auf die Gewährung von nachträglichem Rechtsschutz zugeschnitten, weil effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) grundsätzlich ausreichend durch nachträglichen – ggf. auch einstweiligen – Rechtsschutz gewährt werden kann und ein nachträglicher Rechtsschutz dem verfassungsrechtlich normierten Grundsatz der Gewaltenteilung besser Rechnung trägt, weil vorbeugender Rechtsschutz den im gesetzlichen Rahmen bestehenden Handlungsspielraum der Exekutive in der Regel stärker beschneidet. Daher kommt vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz nur in Ausnahmefällen in Betracht (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 – BVerwG 2 C 18.15; VGH München, Beschluss vom 19. September 2022 – 10 CE 22.1939; VGH München, Beschluss vom 15. Oktober 2018 – 22 CE 18.2092 ). Hierfür muss ein spezielles, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes qualifiziertes Rechtsschutzinteresse bestehen. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz (nur), wenn die Beeinträchtigung nachträglich nicht zu korrigieren wäre und es für den Betroffenen nicht zumutbar ist, auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung für den Regelfall vorgesehenen nachgängigen Rechtsschutz verwiesen zu werden (BVerwG, Beschluss vom 29. April 2019 – BVerwG 6 B 141.18 ).“
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Rn. 8: „Die Antragsteller zeigen … nicht auf, dass die Antragsgegnerin nach Februar 2024 entgegen § 6 III Nr.2 KrWaffKontrG Genehmigungen zum Export von - genehmigungspflichtigen - Kriegswaffen nach Israel erteilt hat, noch, dass eine solche Genehmigung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
Rn. 12: Gegenteiliges kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Antragsteller keinen durchsetzbaren Anspruch darauf haben, bereits vor einer Entscheidung über anhängige Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und ihren konkreten Gegenstand unterrichtet zu werden und auch über erteilte Genehmigungen nur beschränkt und unter Beachtung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Auskunft zu erteilen ist. Genehmigungsverfahren über den Export von Kriegswaffen, insbesondere solche unter Beteiligung des Bundessicherheitsrats, betreffen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, unterliegen im Verhältnis zu den Herstellern der Rüstungsgüter der Grundrechtsbindung und genießen daher Vertraulichkeitsschutz (BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185; BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 20 F 9.23). Diese der Regierung zum Schutz einer unbeeinflussten Entscheidungsfindung und zur Wahrung außenpolitischer Belange eingeräumten Verschwiegenheitsrechte würden quasi in ihr Gegenteil verkehrt, wollte man daraus einen Anspruch auf Untersagung der Erteilung der Exportgenehmigung bereits aufgrund einer abstrakten Gefahr einer Verletzung der in § 6 III KrWaffKontrG genannten Belange ableiten.“
Da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinen Umständen besteht, fehlt den Antragstellern die erforderliche Antragsbefugnis und zugleich das für einen vorbeugenden Rechtsschutz erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis.
II. Ergebnis
Der Antrag auf Verpflichtung der Bundesregierung im Wege einer einstweiligen Anordnung, die Erteilung von Genehmigungen für Waffenlieferungen an Israel künftig zu unterlassen, ist unzulässig.
(VG Berlin Beschl. v. 10.06.2024, 4 L 44/24; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 08.08.2024, OVG 1 S 46/24)
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