BVerfG zur Gebührenpflicht eines Polizeieinsatzes bei Hochrisikospielen

BVerfG zur Gebührenpflicht eines Polizeieinsatzes bei Hochrisikospielen

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BVerfG, Urteil vom 14.01.2025 (1 BvR 548/22) zur Abwälzung der Mehrkosten von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen

Die grundlegende Aussage im Urteil des BVerfG findet sich in Leitsatz 2. Er lautet:

„Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist. Die Verfassung verlangt auch nicht, Polizeikosten nur Störerinnen und Störern oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den Vorschriften des Polizeigesetzes anstelle der Störerinnen und Störer in Anspruch genommen werden können oder die sich rechtswidrig verhalten.“

A. Vereinfachter Sachverhalt

Im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz (BremGebBeitrG) heißt es unter anderem:

§ 1 Geltungsbereich des Gesetzes

(1) Die Behörden des Landes und der Gemeinden erheben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Kosten (Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren und Auslagen)

§ 3 Rechtsgrundlagen

(1) Der Senat wird ermächtigt, die Kostentatbestände und die Kostensätze im Rahmen der §§ 4 und 12 für das Land … durch Rechtsverordnung festzusetzen.

§ 4 Verwaltungsgebühren

(1) Verwaltungsgebühren werden für die Vornahme von Amtshandlungen erhoben, die…

(2) Die Gebühren sind so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht.

(4) Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten.

In der Kostenverordnung für die innere Verwaltung (InKostV) hat der Senat die Kosten wie folgt ausgestaltet:

§ 1 Kosten

Von den Behörden der inneren Verwaltung des Landes und der Gemeinden werden Kosten (Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren, Auslagen) nach dem als Anlage beigefügten Kostenverzeichnis erhoben.

120.6 (Sonstige Amtshandlungen)

§ 4 Absatz 4 BremGebBeitrG (Einsatz des Polizeivollzugsdienstes)

Abrechnung nach Zeitaufwand …..

Das Unternehmen B organisiert auf entgeltlicher Basis für den DFB den Betrieb der Fußball-Bundesliga und der 2. Fußball-Bundesliga. B entscheidet über Zeitpunkt und Ort der Begegnungen und richtet sie aus. Nach seinen Erkenntnissen ist an einer Reihe von Spieltagen in Bremen mit jeweils weit mehr als 5.000 Zuschauern mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fans und als Folge mit Gebührenerhebungen in Höhe von 250.000 bis 300.000 Euro zu rechnen. B ist der Auffassung, dass Gefahrenabwehr und polizeiliche Gefahrenvorsorge allein staatliche Aufgaben sind und ausschließlich über das Steueraufkommen zu finanzieren sind.

B möchte wissen, ob die Abwälzung der Mehrkosten von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten, sicherheitsrechtlich kritischen Großveranstaltungen (§ 4 IV BremGebBeitrG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist und auf welche Weise darüber eine gerichtliche Entscheidung, möglichst durch das BVerfG, herbeigeführt werden kann.

B. Entscheidung

1. Frage:

Vereinbarkeit des § 4 IV BremGebBeitrG mit dem GG

Ein Landesgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn es der grundgesetzlichen Gesetzgebungskompetenz entspricht und mit den materiellen Aussagen des GG, soweit sie sich an die Länder richten (zB. Art. 1-19, 28 GG), im Einklang steht. (In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass das BVerfG die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Landesverfassung nicht prüfen kann).

1. Formelle Verfassungsgemäßheit (Zuständigkeit)

Die Gesetzgebungskompetenz zur Begründung von Geldleistungspflichten richtet sich nach Art. 105 GG, wenn es sich um Steuern handelt, für sonstige Abgaben nach Art. 70 ff GG.

a) Steuern

Das BVerfG knüpft für den Begriff der Steuer iSd. Art. 105 GG herkömmlich und so auch mit der vorliegenden Entscheidung an die Definition in § 3 I AO an:

Rn. 60 „Danach sind Steuern „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Kennzeichnend für eine Steuer ist somit, dass sie ohne individuelle Gegenleistung und unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben wird … Ihre Höhe ist nicht durch die mit ihnen finanzierten staatlichen Aufgaben begrenzt …“

b) Beiträge und Gebühren

Demgegenüber werden Gebühren ebenso wie Beiträge als „Vorzugslasten“ bezeichnet und fallen wie sonstige Abgaben in die Kategorie der nichtsteuerlichen Abgaben mit der Folge, dass die Abgabengesetzgebung kompetenziell an Art. 70 ff GG zu messen ist.

Rn. 61 „Als Gebühren lassen sich öffentlich-rechtliche Geldleistungen verstehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden … und insbesondere dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistungen deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder deren Vorteil … oder deren Wert auszugleichen …Die öffentliche Leistung kann in jeder Form der Erbringung eines Aufwands durch den Staat liegen…“

c) Zuordnung

Danach konnte sich die Freie Hansestadt Bremen beim Erlass des § 4 IV BremGebBeitrG auf Art. 70 I GG stützen.

Rn. 62 „Bei der durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG begründeten Geldleistungspflicht handelt es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe in Form einer Gebühr, da sie für die öffentliche Leistung der konkreten Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte deren Kosten (also den Mehraufwand) den Veranstalterinnen und Veranstaltern auferlegt. Der Mehraufwand besteht dabei in dem wegen der Durchführung der gefahrträchtigen Veranstaltung betriebenen Gesamtaufwand abzüglich des Aufwandes, den vergleichbare nicht gefahrträchtige Veranstaltungen hervorrufen….“

2. Materielle Verfassungsgemäßheit

Die Gebührenpflicht für die Polizeikosten bei gewerbsmäßiger Durchführung gefahrengeneigter Großveranstaltungen kann gegen Art. 12 I GG und gegen Art. 3 III GG verstoßen. Demgegenüber scheidet Art. 14 I GG als Maßstab aus, weil Chancen, Hoffnungen und Erwartungen und damit künftige Geschäfte keinen Eigentumsschutz genießen.

a) Berufsfreiheit

Art. 12 I 1 GG schützt die Berufswahl und die Berufsausübung als einheitliches Grundrecht. Gesetze, die die Berufsfreiheit einschränken, sind nach Art. 12 I 2 GG verfassungsgemäß, wenn sie verhältnismäßig sind und eine ausreichende Regelungsdichte aufweisen. Dabei sind die Anforderungen um so höher, je mehr die Berufswahl von den Einschränkungen betroffen ist.

aa) Zum Eingriff in den Schutzbereich durch Begründung von Geldleistungspflichten führt das BVerfG aus:

Rn. 55 „Geldleistungspflichten greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Dies ist anzunehmen, wenn die Geldleistungspflichten einen spezifischen Einfluss auf die berufliche Tätigkeit ausüben und zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen der Berufsausübung führen.

Rn. 56 § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG greift in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein. Die Organisation von Spielen der Fußball-Bundesliga ist eine berufliche Tätigkeit, weil die Veranstalterinnen und Veranstalter diese dauerhaft zwecks Gewinnerzielung ausüben. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG knüpft mit seiner Gebührenpflicht für Hochrisikospiele an einen bestimmten Ausschnitt dieser Tätigkeit an, erhöht die finanzielle Belastung für diese erheblich und beeinflusst dadurch die berufliche Tätigkeit spezifisch.“

bb) § 4 IV BremGebBeitrG genügt als Berufsausübungsregelung der Eingriffsrechtfertigung des Art. 12 I 2 GG, wenn die Regelung legitimen Zwecken des Gemeinwohls dient, zur Erreichung der Ziele geeignet und erforderlich sowie angemessen und hinreichend bestimmt ist.

(1) Der Gesetzgeber verfolgt mit der Gebührenregelung den Zweck, die bei Durchführung von Großveranstaltungen entstehenden Mehrkosten für eine öffentliche Leistung im Wege eines Lastenausgleichs auf die Veranstalter abzuwälzen und damit ein legitimes Ziel, zumal im Polizeirecht kein allgemeines Gebührenerhebungsverbot besteht:

Rn. 70 „Ausgehend davon wird mit § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ein legitimes Ziel verfolgt. Das Ziel, mit der Gebühr eine Kostendeckung für eine konkrete öffentliche Leistung und gleichzeitig eine gerechte Kostenverteilung zu erreichen, stellt einen anerkannten Gebührenzweck dar (vgl. BVerfGE 108, 1, 18), der nicht allein der Einnahmeerzielung dient.

Rn. 71 Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss… Gefahrenvorsorge ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.

Rn. 74 Selbst eine staatliche Kernaufgabe ist nicht notwendig gebührenfrei zu erbringen. Auch im Bereich des staatlichen Gewaltmonopols ist kein verfassungsrechtliches Gebührenerhebungsverbot überkommen. Dies belegen die als verfassungsrechtlich zulässig anerkannten Gerichtsgebühren … Ebenso wenig besteht für Leistungen innerhalb der polizeilichen Gefahrenvorsorge ein verfassungsrechtliches Gebührenerhebungsverbot.

Rn. 76 Selbst in Bereichen, in denen die Verfassung oder das Fachrecht dem oder der Einzelnen einen Anspruch auf eine staatliche Gewährleistung vermittelt, ist damit nicht durchgängig ein Anspruch auf Gebührenfreiheit verbunden. So stellen sowohl das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als auch das über Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gewährte Recht auf Justizgewährleistung die schon angesprochene generelle Zulässigkeit von Gerichtsgebühren nicht in Frage … Ganz selbstverständlich werden auch im Bereich der Daseinsvorsorge zulässigerweise Gebühren erhoben.“

(2) § 4 IV BremGebBeitrG ist auch geeignet, den mit ihm verfolgten Gemeinwohlzweck zu erreichen.

Rn. 77 „Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt.

Rn. 78 Mit der Veranstaltungsgebühr wird der Mehraufwand an Polizeitätigkeit finanziert. Damit wird nicht nur die Allgemeinheit vor den Kosten bewahrt, sondern werden diese auch den wirtschaftlichen Nutznießerinnen und Nutznießern sowie Verursacherinnen und Verursachern auferlegt.“

(3) Die Gebührenpflicht nach § 4 IV BremGebBeitrG ist zur Zielerreichung erforderlich.

Rn. 79 „Eine Regelung ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel, das Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet, zur Verfügung steht. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Ein milderes staatliches Mittel, mit dem die Allgemeinheit von der Lastentragung der Mehrkosten befreit wird, ist nicht ersichtlich.“

(4) § 4 IV BremGebBeitrG wahrt auch die Anforderungen an die Angemessenheit. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Belastung, dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden.

Rn. 82 „Das Ziel der Gebühr nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG, durch die Kostendeckung die Allgemeinheit nicht mit den übermäßigen Kosten des Einsatzes von Polizeikräften bei besonders gefahrträchtigen, auf die Erzielung von Gewinn ausgerichteten Großveranstaltungen zu belasten, steht nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Beeinträchtigungen der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Freiheit der gebührenpflichtigen Veranstalterinnen und Veranstalter. Der durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG bewirkte Grundrechtseingriff ist für die Gebührenschuldnerinnen und -schuldner von einigem Gewicht …, ihm steht die Förderung eines bedeutsamen Gemeinwohlinteresses gegenüber …, das bei der Abwägung überwiegt.

Rn. 83 Die Gebühr kann zwar eine beträchtliche Höhe erreichen und die Veranstalterinnen und Veranstalter dadurch finanziell erheblich belasten. Allerdings wird die Gebühr aufgrund des Merkmals der Gewinnorientierung nur bei Veranstaltungen erhoben, die zum Zwecke der Gewinnerzielung durchgeführt werden….

Rn. 84 Dem gegenüber steht der Zweck, die wirtschaftlichen … Nutznießer beziehungsweise … Veranlasser an den Kosten für den Polizeieinsatz zu beteiligen. Hierbei handelt es sich um das bedeutsame Gemeinwohlinteresse, nicht die Allgemeinheit mit den … Mehrkosten …. zu belasten, sondern diese Mehrkosten, die über die Polizeikosten bei „normalen“ Fußball-Bundesliga Spielen hinausgehen, denjenigen aufzuerlegen, die gerade mit der gefahrgeneigten Veranstaltung Gewinne erzielen. Eine gerechte Kostenverteilung ist für ein Gemeinwesen und für den sozialen Frieden von erheblicher Bedeutung.

Rn. 92 Veranstalterinnen und Veranstalter einer von § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG erfassten Großveranstaltung stehen den durch diese verursachten Mehrkosten näher als die staatliche Gemeinschaft. Die Zurechenbarkeit rechtfertigt sich dabei aus einer Gesamtschau mehrerer Gesichtspunkte, die überwiegend dem Veranlasserprinzip zuzuordnen sind.

Rn. 102 Selbst ein vorsätzliches Dazwischentreten Dritter führt dann nicht zwingend zu einer Unterbrechung der Zurechnung des Mehraufwandes, wenn die Veranstaltung in Kenntnis ihrer Gefahrträchtigkeit durchgeführt wird. Die durch eine gefahrträchtige Großveranstaltung veranlasste erhöhte Sicherheitsvorsorge bleibt den Veranstaltern zurechenbar, auch wenn die Realisierung der Gefahr von einem Verhalten Dritter abhängt….“

Damit ist die Angemessenheit gewahrt, zumal die Gebührenhöhe die Veranstalter von dem Gebrauch ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit weder abhalten wird, noch diese unzumutbar erschwert oder in sonstiger Weise erdrosselnde Wirkung hätte.

(5) Schließlich verletzt § 4 IV BremGebBeitrG nicht den Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit. Die im Gesetz verwendeten Begriffe – etwa der „Gewalthandlungen“, „erfahrungsgemäß“, „vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld“ und „Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird“– werfen keine Auslegungsprobleme auf, die nicht mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können.

Dies betrifft auch die Abgabenhöhe:

Rn. 114 „Das Bestimmtheitsgebot verlangt nicht, dass sich aus den Regelungen zur Bemessung der Gebühr vorab deren exakte Höhe ermitteln lässt. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ist so gefasst, dass ein kleiner Kreis an Abgabepflichtigen die auf ihn entfallenden Abgaben zumindest in grobem Umfang vorhersehen kann, da ihnen nach § 4 Abs. 4 Satz 3 BremGebBeitrG die Höhe der prognostizierten Abgabenlast vorab mitgeteilt werden muss …. Doch auch ungeachtet dessen sind den … Veranstaltern mithilfe der konkretisierenden Kostenverordnung und aufgrund der Daten des tatsächlichen Einsatzes die Bemessungsfaktoren für die Vorabberechnung der auf Kostendeckung ausgerichteten Veranstaltungsgebühr des § 4 Abs. 4 Satz 2 BremGebBeitrG bekannt. Auf diese Weise ist hinsichtlich der Berechnung der Mehrkosten von Hochrisikospielen der Bundesliga eine angemessene Regelungsdichte, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließt, erreicht..“

b) Allgemeiner Gleichheitssatz

Ein Gebührentatbestand muss den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes entsprechen.

(1) Der daraus folgende Prüfungsmaßstab ist abhängig von der Intensität eines damit einhergehenden Eingriffs in ein Freiheitsrecht und den Auswirkungen der Regelung:

Rn. 117 „Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind, oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern“

(2) Da das Gesetz die Gebührenlast nur den Veranstaltern auferlegt, die die in § 4 IV BremGebBeitrG genannten besonderen Anforderungen erfüllen, differenziert die Norm zwischen verschiedenen Veranstaltergruppen und muss sich insofern an Art. 3 I GG messen lassen. Ein sachlicher Grund, der im Rahmen einer reinen Willkürprüfung zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung genügt, reicht dabei nicht aus, weil das mit der Ungleichbehandlung einhergehende Gewicht des Eingriffs in Art. 12 I GG zu berücksichtigen ist.

Rn. 124 „Erforderlich ist nicht nur ein sachlicher Grund, vielmehr muss das Verhältnis des durch die Ungleichbehandlung beabsichtigten Gemeinwohlgewinns angemessen zu der damit verbundenen Ungleichheit sein (vgl. BVerfGE 162, 178, 182 Rn. 9).

Rn. 126 Die Differenzierungen dienen gerade dazu, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck zu realisieren. Es geht darum, denjenigen, die mit einer übermäßigen Inanspruchnahme der Sicherheitsgewährleistung Gewinne erzielen wollen, die Kosten des von ihnen hervorgerufenen Aufwands aufzuerlegen. Der Aufwand soll dorthin verlagert werden, wo die Gewinne hinfließen und wo sie typischerweise auch vorhanden sind. Indem an die Gewinnorientierung angeknüpft wird, wird die Belastung gerade auf den Bereich verlagert, in dem die … Schuldner einen Vorteil erzielen. Auch wenn beide Gruppen die Bereitstellung der Polizeikräfte gleichermaßen veranlassen, ist der Unterschied im daraus erwachsenden Vorteil zwischen gewinnorientierten, einen monetären Vorteil ziehenden Veranstaltungen und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen so groß, dass er die Nichteinbeziehung der nicht gewinnorientierten Veranstaltungen rechtfertigt.”

Zwischenergebnis

Die Frage des B, ob die in § 4 IV BremGebBeitrG geregelte Kostenschuld von Großveranstaltern bei einer polizeirechtlich erforderlichen Vorsorge gegen mögliche Gewalthandlungen „gegen das Grundgesetz“ verstößt, ist dahingehend zu beantworten, dass die Regelung formell mit Art. 70 GG, materiell mit Art. 12 I, 3 I GG vereinbar ist.

(Hätte die Frage gelautet, ob § 4 IV BremGebBeitrG „verfassungsgemäß“ ist, hätte es zusätzlich der Prüfung des Gesetzgebungsverfahrens und der Grundrechte am Maßstab der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen bedurft.)

2. Frage:

Rechtsschutz, insbes. durch das BVerfG

Zu beurteilen ist, auf welche Weise über die Zulässigkeit der Polizeikosten eine gerichtliche Entscheidung, möglichst durch das BVerfG, herbeigeführt werden kann.

1. Fachgerichtlicher Rechtsschutz

B kann das BVerfG nur im Wege einer Verfassungsbeschwerde einschalten. Da dieser Rechtsbehelf subsidiär ist (§ 90 II BVerfGG), kommt vorrangig fachgerichtlicher Rechtsschutz in Betracht.

Als fachgerichtlicher Rechtsschutz bietet sich allein die Anfechtungsklage auf Aufhebung eines auf der Grundlage des § 4 IV BremGebBeitrG ergangenen Gebührenbescheides an (§§ 40 I, 42, 68-74 VwGO). Anders als in einem Eilverfahren (§ 80 II 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 V VwGO) ist mit dem Hauptsacheverfahren das Verwaltungsgericht gezwungen, nicht nur die Rechtsanwendung (Gebührenberechnung), sondern auch die Verfassungsgemäßheit des zugrunde liegenden Gesetzes zu überprüfen. Bei Annahme der Verfassungswidrigkeit müsste das Verwaltungsgericht das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG herbeiführen (Art. 100 GG), erst nach Verwerfung des Gesetzes durch das BVerfG könnte das VG den dann mangels Rechtsgrundlage rechtswidrigen Abgabenbescheid aufheben.

Demgegenüber scheidet eine allgemeine Feststellungsklage aus. Ein etwaiger Antrag auf Feststellung, dass bei einem oder mehreren künftigen Spielen eine Gebührenschuld nicht besteht, scheitert an dem Erfordernis des § 43 I VwGO, dass Streitgegenstand ein konkretes Rechtsverhältnis sein muss. Angesichts der Umstände, von denen eine jeweilige Abgabenberechnung abhängig ist, kann von einem konkreten Rechtsverhältnis nicht die Rede sein.

2. Verfassungsprozessualer Rechtsschutz

Nach Erschöpfung des Rechtsweges (Klage vor dem VG, Berufung an das OVG, Revision vor dem BVerwG) kommt eine Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen in Betracht, wenn der Beschwerdeführer eine spezifische Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung darlegen kann (§ 90 BVerfGG).

Zu den für die Praxis wichtigen Darlegungsvoraussetzungen der Behauptung einer spezifischen Grundrechtsverletzung führt das BVerfG auch im vorliegenden Fall erneut aus:

Rn. 37 „Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden Fachrecht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint … Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen…Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, ist darzulegen, dass sie auf der Anwendung einer verfassungswidrigen Norm beruht …oder dass bei der Anwendung von Fachrecht spezifisches Verfassungsrecht … oder das Willkürverbot verletzt wurden…..“

Ergebnis

§ 4 IV BremGebBeitrG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Rechtsschutz ist durch Klage gegen einen einzelnen Kostenbescheid eröffnet. Erst nach Ausschöpfung des Instanzenzuges kommt eine Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen in Betracht.

Hinweis: Da wir im letzten Urteilsticker eine Verfassungsbeschwerde – gleichfalls aus Art. 12 I GG – gegen das Gesetz zur Strompreisbremse (StromPBG) klausurmäßig dargestellt haben (BVerfG Urteil vom 28.11.2024, 1 BvR 460/23, 1 BvR 611/23), halten wir es für geboten, den vorliegenden Fall des BVerfG vom 14.01.2025 (1 BvR 548/22) mit einer abweichenden, ebenfalls aber examenstypischen Fragestellung darzustellen.

(BVerfG Urt. vom 14.01.2025 - 1 BvR 548/22)

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