Die wichtigsten Entscheidungen des BGH aus 2021

Die wichtigsten Entscheidungen des BGH aus 2021

10 Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2021, die Du kennen solltest

Die Bundesrichter:innen mussten sich auch 2021 vielen verschiedenen Rechtsfragen annehmen, die nicht nur in der Praxis spannend sind, sondern auch eine hohe Prüfungsrelevanz mit sich bringen. Von fiktiven Mängelbeseitigungskosten, über neue Konstellationen der bekannten Schwarzarbeiter-Fälle und diverse Konstellationen im Diesel-Skandal, bis hin zur “Tierhalterhaftung bei Fußballvereinen” und Fragen zu Altersgrenzen bei Parties. Wir haben die wichtigsten Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2021 für Dich zusammengefasst.

BGH klärt Frage zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht

Im Frühjahr bahnte sich ein Streit zweier Senate an, der für Aufsehen sorgte. Der VII. Zivilsenat, welcher unter anderem für das Werkvertragsrecht zuständig ist, traf 2018 eine Grundsatzentscheidung zu den sogenannten fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Damit rückten die Richter:innen von ihrer bisherigen Rechtsprechung ab – was zu Unklarheiten beim V. Zivilsenat führte. Denn hier fragte man sich, ob die neue Linie zum fiktiven Schadensersatz auch im Kaufrecht Anwendung finden soll.

Dabei ging es um den konkreten Fall über eine Schadensersatzforderung beim Immobilienkauf. Fraglich war, ob die Käufer den Schadensersatz auf Basis der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten beziffern oder mit der Schadensbehebung in Vorleistung treten müssen, um Ersatz verlangen zu können.

Daher wandte sich der V. Zivilsenat an den VII., um die Divergenz zu klären. Mit Erfolg: Die „Fronten“ zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht bezüglich fiktiver Mängelbeseitigung sind nun geklärt: BGH zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitiungskosten im Kaufrecht.

Mit 44 zu alt für die Party?

Zwar hat das Nachtleben in diesem Jahr pandemiebedingt erneut starke EInschränkungen erfahren, doch im Mai ging es vor dem BGH trotzdem um eine Party. Ein seinerzeit 44-Jähriger wurde an der Tür zu einem Electro-Festival mit der Begründung abgewiesen, dass er schlichtweg zu alt sei. Vor dem AG und LG München blieb er mit seiner Klage erfolglos, die er auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stützte. War der Kläger mit 44 zu alt für die Party?

Der BGH musste sich der Sache annehmen. Dabei trafen die Karlsruher Richter:innen ganz grundsätzliche Ausführungen zum § 19 I Nr. 1 Fall 2 AGG, insbesondere zum Begriff der “massengeschäftlichen“ Schuldverhältnisse. Den Beitrag findest Du hier: Mit 44 zu alt für die Party?

Urteil gegen Zschäpe und NSU-Helfer rechtskräftig

Außerdem hat der BGH im Sommer die Revisionen von Beate Zschäpe sowie zweier NSU-Helfer verworfen. Die Verurteilungen der drei Rechtsterroristen durch das OLG München aus dem Jahr 2018 sind damit rechtskräftig. Für Zschäpe bedeutet das: Sie ist Mittäterin bei den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds und muss lebenslang in Haft bleiben. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt – eine Entlassung nach 15 Jahren ist damit ausgeschlossen.

Das gesamte Verfahren war eine Mammutaufgabe für die deutsche Gerichtsbarkeit: Nach 437 Verhandlungstagen trafen die Richter:innen am OLG München ihr Urteil. Im Prozess ging es insbesondere um die spannende Frage, ob Zschäpe als Mittäterin anzusehen ist oder nicht. Beweise dafühttps://jura-online.de/blog/2021/08/26/bgh-urteil-gegen-zschape-und-nsu-helfer-rechtskraftig/r, dass sie selbst an einem der Tatorte war, gab es zumindest nicht. Hier geht’s zum Beitrag: Urteil gegen Zschäpe und NSU-Helfer rechtskräftig.

Clickbaiting und Streit in Millionenhöhe um Kohl-Zitate: Zwei relevante Entscheidungen zum APR

Gleich zweimal beschäftigte sich der BGH mit Rechtsfragen um das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im prominenten Zusammenhang. Erst vor wenigen Wochen verneinten die Richter:innen eine Geldentschädigung für die Witwe des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl. Der Geldentschädigungsanspruch wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Millionenhöhe, der ihrem Mann zu Lebzeiten zugesprochen wurde, sei nicht vererblich. Sein Ende findet der jahrelange Rechtsstreit um die Kohl-Zitate damit aber noch nicht.

In der zweiten Entscheidung ging es um eine Grundsatzentscheidung zum Clickbaiting. Grundlage war ein Facebook-Post der TV-Movie, die das Bild von Günther Jauch im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung nutzte – ohne ihn im Artikel zu erwähnen. Sein Bild wurde nur als Clickbait verwendet, um die Aufmerksamkeit der Leser:innen zu gewinnen. Ist das eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts? 

Neue Raser-Urteile

Der BGH hat gleich zwei neue Urteile zu den immer wieder in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregenden Raser-Fällen getroffen.

Sie waren jedoch gänzlich unterschiedlich zu betrachten: In einem der Fälle ging es um die Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen zwischen zwei Teilnehmern im Sinne von § 315d I Nr. 2 StGB. Im anderen Fall ging es um ein sogenanntes „Alleinrennen“. Der Gesetzgeber hat für den Fall des „Alleinrennens“ § 315d I Nr. 3 StGB ins Leben gerufen. Es handelt sich um die erste Entscheidung des BGH zum neu geschaffenen Straftatbestand.

Den Beiträg zu den beiden Urteilen findest Du hier: BGH zu Raser-Fällen - zwei neue Urteile

BGH klärt Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger

Für die deutsche Nationalmannschaft war bei der EM 2021 im Achtelfinale gegen England Schluss, doch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) siegte immerhin vor dem BGH. Die Karlsruher Richter:innen entschieden, dass der DFB Vereine weiterhin wegen des Verhaltens ihrer Fans und Zuschauer:innen mit Geldstrafen belegen darf. Nach Ansicht des BGH verstößt ein Schiedsspruch des Ständigen Schiedsgerichts, mit dem eine verschuldensunabhängige Geldstrafe bestätigt wurde, nicht gegen die öffentliche Ordnung. Der BGH sorgte hier zudem mit einem Vergleich für mediales Aufsehen: “Vereine haften für ihre Anhänger wie Tierhalter”.

Warum das so ist, erfährst Du in diesem Beitrag: BGH zur Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger

Widerruf des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag

Finden die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB auf einen Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag entsprechend Anwendung? Mit dieser Frage hat sich der BGH ebenfalls befasst. Der Fall wirkt auf den ersten Blick etwas trocken und langweilig, eignet sich aber hervorragend als Klausursachverhalt, zumal hier keine Spezialkenntnisse aus dem Darlehensrechts erforderlich sind. Es geht hier in erster Linie um das Widerrufsrecht beim Darlehensvertrag.

Den Beitrag findest Du hier: BGH zum Widerruf des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag

Schwarzarbeit als Grundstücksmangel?

Wir alle kennen die bekannten Schwarzarbeiter-Fälle. Doch im letzten Jahr hat sich der BGH mit einer neuen Konstellation befassen müssen – genauer gesagt mit der Frage, ob sich an einem Grundstück ein Mangel damit begründen lässt, dass das darauf befindliche Gebäude in Schwarzarbeit errichtet wurde. Es ging hier insbesondere um den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss.

Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche spielen in beiden Examen eine wichtige Rolle. Umso wichtiger ist es, sich (auch) anhand aktueller Entscheidungen immer wieder die allgemeinen Grundlagen und die Besonderheiten einzelner Konstellationen zu verdeutlichen. 

Eine extrem spannende und prüfungsrelevante Entscheidung. Den Beitrag findest Du hier: BGH – Schwarzarbeit als Grundstücksmangel?

Gutgläubiger Erwerb eines Gebrauchtwagens vom Kfz-Händler

Diese Entscheidung ist deshalb besonders spannend, weil sie einen Auslandsbezug aufweist (die Klägerin sitzt in Italien) und dadurch einen etwas ungewöhnlichen Einstieg in eine Prüfung bietet. In einer Klausur wäre hier zunächst das anwendbare Recht und die internationale Zuständigkeit zu klären. Im weiteren Verlauf geht es aber klassisch mit dem gutgläubigen Erwerb weiter. Fälle des gutgläubigen Erwerbs eines Gebrauchtwagens sind Klausurklassiker. Die Entscheidung eignet sich für Zivilrechtsklausuren in beiden Examen hervorragend und ist daher besonders lesenswert: Gutgläubiger Erwerb eines Gebrauchtwagens vom Kfz-Händler.

BGH zur Haftung für den Unfall eines dreijährigen Kindes bei einem Reitturnier

Schon allein beim Lesen des Titels sollten hier alle Alarmglocken läuten: Haftung, Kind, Eltern, Pferd - diese vier Worte gehören womöglich zum Standardvokabular bei den Prüfungsämtern. Der Fall ist für Klausuren vielseitig einsetzbar, da es sich hier um zwei getrennte Verfahren handelt. Der Beklagte des ersten Verfahrens ist der Veranstalter des Reitturniers und die Beklagten des zweiten Verfahrens sind die Eltern des verletzten Kindes. Es geht hier um deliktische Anspruchsgrundlagen, um Fragen nach den Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters (Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten stellt einen wichtigen Anwendungsfall der Deliktshaftung dar), den Aufsichtspflichten der Eltern, um Fragen der Gesamtschuld und der Verjährung. 

Die beiden Beiträge zu diesem Fall findest Du hier: 

Last but not least: Die Diesel-Fälle

Schließlich beschäftigte sich der BGH vielmals mit Rechtsfragen rund um den „Dieselskandal“. Seit Mai 2020 hat der VI. Zivilsenat eine Vielzahl von Entscheidungen in den sogenannten Diesel-Fällen veröffentlicht. Die Grundzüge der Haftung der Fahrzeughersteller und ihrer prozessualen Geltendmachung wurden in diesem Jahr nochmal deutlich konkretisiert. Insbesondere hat der BGH seine Ausführungen zu § 826 BGB ausgebaut, aber auch die Haftungsgrundlage des § 831 BGB herangezogen.

In einer anderen Entscheidung haben die Karlsruher Richter:innen nun klargestellt, dass den betroffenen Kund:innen neben dem großen Schadensersatz auch der sogenannte kleine Schadensersatzanspruch zustehen kann, sprich: Das Fahrzeug behalten und von der Beklagten den Betrag ersetzt verlangen, ist möglich.

Aber: Neben der Prüfung des Deliktsrecht darf nicht übersehen werden, dass der BGH im Rahmen der Diesel-Fälle ganz grundlegende Fragen zum Nacherfüllungsanspruch des Käufers geklärt hat, die auch für „gewöhnlichere“ Sachmängel Relevanz haben. In einer Entscheidung, die wie gemacht für eine Klausur scheint, hat das Gericht in diesem Jahr die Grenzen der Nachlieferung eines gekauften Fahrzeugs nach einem Modellwechsel gezogen.

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