BGH: Schwarzarbeit als Grundstücksmangel?

Ein aktuelles Urteil zu einer neuen Konstellation der klausurrelevanten “Schwarzarbeiter-Fälle”

Außerdem befasst sich der BGH genauer mit dem vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche spielen in beiden Examen eine wichtige Rolle. Umso wichtiger ist es, sich (auch) anhand aktueller Entscheidungen immer wieder die allgemeinen Grundlagen und die Besonderheiten einzelner Konstellationen zu verdeutlichen.

A. Sachverhalt (vereinfacht)

Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 27. März 2012 vom Beklagten ein Grundstück. In dem Vertrag wurden die Rechte der Klägerin wegen eines Sachmangels des Grundstücks, des Gebäudes und der mitverkauften beweglichen Sachen ausgeschlossen. 

Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude, das der Beklagte aufgrund eines Werkvertrags mit einer inzwischen Bauunternehmerin hatte errichten lassen. Im Zuge von Umbauarbeiten stellte die Klägerin Mängel der Abdichtung des Kellers und des Haussockels gegen Feuchtigkeit fest. Im Dezember 2012 trat der Beklagte an die Klägerin sämtliche ihm gegenüber der Bauunternehmerin zustehenden Gewährleistungsansprüche ab.

Die Klägerin hat wegen der Feuchtigkeitsmängel vom Beklagten den Ersatz des Wertminderungsschadens verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen gemäß § 437 Nr. 3, § 440 iVm § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen verurteilt. Das seinerzeit errichtete Gebäude sei mangelhaft, weil es nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Vertikalabdichtung und eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweise. Auf den Haftungsausschluss könne sich der Beklagte nicht berufen, da er arglistig gehandelt habe. Der Beklagte habe die Klägerin darüber aufklären müssen, dass das Haus nicht mit einer Vertikalabdichtung versehen worden sei. In dem Bauvertrag sei eine entsprechende Abdichtung nicht vorgesehen gewesen. Es habe bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Tatsachen gegeben, aus denen sich dem Beklagten habe erschließen müssen, dass der Auftrag eine solche Abdichtung nicht erfasst habe. Jedenfalls habe er die Klägerin darüber unterrichten müssen, dass das Gebäude teilweise in Schwarzarbeit errichtet worden sei. 

Gegen dieses Urteil hat sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde gewendet, auf die der BGH die Revision zugelassen hat.

B. Überblick

Die Entscheidung des BGH befasst sich vorrangig mit dem Umfang des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses.

I. Gewährleistungsausschluss

Gemäß § 444 BGB kann sich der Verkäufer auf einen Gewährleistungsausschluss nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

Die Vorschrift macht deutlich, dass ein Gewährleistungsausschluss grundsätzlich zulässig ist, soweit es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handelt (§ 476 Abs. 1 BGB; beachte aber die Einschränkung für Schadensersatzansprüche in Absatz 3). Ist der Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag wirksam vereinbart worden, hat der Käufer gegen den Verkäufer keine Rechte wegen eines Mangels der Kaufsache. Findet er sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers, muss er sich allerdings insbesondere an § 309 Nr. 8 BGB messen lassen. 

Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Verkäufer jedoch auch auf einen wirksamen Gewährleistungsausschluss nicht berufen. Im Prozess liegt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen beim Käufer, da sie für ihn günstig sind.

1. Arglist

Arglist setzt zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder jedenfalls damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. 

Da es sich bei der Arglist um eine sog. innere und beim Verschweigen um eine sog. negative Tatsache handelt, die jeweils dem Beweis nur schwer zugänglich sind, trifft den Verkäufer im Prozess eine sog. sekundäre Darlegungslast. Der ansonsten darlegungspflichtige Käufer muss lediglich hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines arglistigen Verschweigens vortragen. Sodann muss der Verkäufer die Aufklärung in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise spezifizieren bzw. darlegen, dass er den Mangel nicht kannte. Kommt er dieser sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt der Vortrag des Verkäufers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Andernfalls muss der Käufer diesen Vortrag ausräumen.

Das arglistige Verschweigen eines Mangels führt nach § 444 BGB nicht dazu, dass sich der Verkäufer überhaupt nicht mehr auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen könnte. Vielmehr ist ihm die Berufung auf einen solchen Haftungsausschluss nur „insoweit“ verwehrt, als er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist also nur ausgeschlossen gegenüber den Rechten und Ansprüchen des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus dem verschwiegenen Mangel ergeben. Gegenüber Ansprüchen und Rechten des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus anderen Mängeln ergeben, die er dem Käufer nicht arglistig verschwiegen hat, darf sich der Verkäufer weiterhin auf den Haftungsausschluss berufen.

2. Garantie für die Beschaffenheit der Kaufsache

Unter einer Garantie für die Beschaffenheit der Sache ist die ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Verkäufers zu verstehen, verschuldensunabhängig und uneingeschränkt für das Vorliegen der betreffenden Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs sowie für sämtliche Folgen ihres Fehlens haften zu wollen.

Ob der Verkäufer eine solche Garantie übernommen hat, muss durch Auslegung seiner Vertragserklärung ermittelt werden. 

3. Sonstige Beschaffenheitsvereinbarung

Auch ohne die Übernahme der Garantie für die Mangelfreiheit der Sache kann sich der Verkäufer auf einen Haftungsausschluss nicht berufen, wenn der Mangel darin besteht, dass die Sache nicht die von den Parteien vereinbarte Beschaffenheit iSv § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB hat.

II. Schwarzarbeit

Das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück wurde teilweise in Schwarzarbeit errichtet, allerdings nicht vom Beklagten als Verkäufer. Der BGH beschäftigt sich deshalb auch mit der Frage, ob das Auswirkungen auf den Kaufvertrag der Parteien hat.

Von Schwarzarbeit spricht man, wenn die Leistung unter Verstößen gegen bestimmte Vorgaben des Sozialversicherungsrechts, des Steuerrechts, des Gewerberechts oder des Handwerksrechts erbracht wird (§ 1 Abs. 2 SchwarzArbG).

Zivilrechtliche Regelungen enthält das SchwarzArbG nicht. Die Folgen der Schwarzarbeit für die Wirksamkeit von Verträgen oder – wie hier – die Haftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer müssen also aus den einschlägigen Vorschriften des BGB ermittelt werden.

C. Entscheidung

Der u.a. für das Grundstücksrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, und zwar an einen anderen Senat des Berufungsgerichts, was nur sehr selten vorkommt. 

Nach Auffassung des BGH lasse sich bislang nicht feststellen, dass sich der Beklagte nicht auf den Gewährleistungsausschluss berufen könne, weil er einen Mangel des Grundstücks arglistig verschwiegen habe.

I. Mangel des Grundstücks

Der Mangel des Grundstücks liege in der fehlerhaften Abdichtung des Gebäudes.

Dagegen stelle der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz keinen Mangel der Kaufsache dar.

Zwar sei der Werkvertrag zwischen dem Beklagten und der Bauunternehmerin wegen dieses Verstoßes nach § 134 BGB nichtig, so dass der Beklagte der Klägerin keine Gewährleistungsansprüche abtreten könne. Dies begründe jedoch schon deshalb keinen Mangel, weil ein Verkäufer zu einer solchen Abtretung grundsätzlich nicht verpflichtet sei. Auch wenn eine Abtretung von Mängelansprüchen vereinbart wäre und daran scheiterte, dass diese Ansprüche wegen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht bestehen, würden dadurch weder das Gebäude noch das Grundstück, auf dem es errichtet wurde, mangelhaft.

Auch ansonsten stelle die Schwarzarbeit kein Abweichen von der geschuldeten Beschaffenheit des Grundstücks dar. Als Beschaffenheit einer Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB seien sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Zu diesen Faktoren gehöre der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei der Errichtung eines auf dem später verkauften Grundstück stehenden Gebäudes regelmäßig nicht. Er begründe nur einen persönlichen Vorwurf gegen den Verkäufer und den von ihm beauftragten Unternehmer, der somit deren Geschäftsgebaren und nicht das errichtete Gebäude betreffe. Deshalb wirke sich ein solcher Verstoß regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des später verkauften Grundstücks aus. 

II. Gewährleistungsausschluss

Da es sich bei dem Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht um einen Mangel des Grundstücks handle, sei es für die Frage eines arglistigen Verschweigens im Rahmen von § 444 BGB unerheblich, dass der Beklagte die Klägerin nicht entsprechend aufgeklärt habe. Bezugspunkt der Arglist sei stets ein konkreter Mangel. Arglist liege deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die mangelhafte Abdichtung des Gebäudes arglistig verschwiegen, weil sich ihm, dem Beklagten, dieser Mangel habe aufdrängen müssen, sei rechtsfehlerhaft. Dies genüge für eine Arglist gerade nicht, weil diese ansonsten vom (Eventual-) Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde.

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D. Prüfungsrelevanz

Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche spielen in beiden Examen eine wichtige Rolle. Umso wichtiger ist es, sich (auch) anhand aktueller Entscheidungen immer wieder die allgemeinen Grundlagen und die Besonderheiten einzelner Konstellationen zu verdeutlichen.

Das vorliegende Urteil enthält die folgenden Kernaussagen:

  • Der Mangel eines verkauften Grundstücks lässt sich nicht damit begründen, dass das darauf befindliche Gebäude in Schwarzarbeit errichtet wurde. Ohne eine ausdrückliche Abrede gehört es nicht zur Beschaffenheit eines Bauwerks, dass der Verkäufer und der Bauunternehmer gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzt verstoßen haben, weil dieser Vorwurf nicht das Gebäude selbst betrifft.

  • Für die Annahme des arglistigen Verschweigens eines Mangels iSv § 444 BGB ist mindestens Eventualvorsatz des Verkäufers erforderlich. Es genügt deshalb nicht, dass sich dem Verkäufer der Mangel aufdrängen musste.

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