Neues vom BGH zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht

Neues vom BGH zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht

V. Zivilsenat hält an Rechtsprechung fest

Der V. Zivilsenat des BGH hat nun eine Entscheidung zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht getroffen. Demnach kann – wie erwartet – weiterhin ein kaufrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln einer erworbenen Immobilie anhand der voraussichtlich entstehenden, aber bislang nicht aufgewendeten (“fiktiven”) Mängelbeseitigungskosten berechnet werden. Mit dieser Entscheidung hält der V. Zivilsenat an seiner langjährigen gefestigten Rechtsprechung zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht fest.

Worum geht es?

Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil der V. Zivilsenat den VII. angerufen hatte, um eine Divergenz in der Rechtsprechung der Senate zu klären. Hintergrund der Anrufung des VII. Zivilsenats war, dass dieser für den werkvertraglichen Anspruch auf kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280, § 281 Abs. 1 BGB seine langjährige Rechtsprechung, nach der die Schadensbemessung anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten zulässig war, aufgegeben hat (Urteil v. 22.02.2018 - VII ZR 46/17).

Schadensersatz, §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281, 283, 311a II BGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit

Käufer verlangen voraussichtliche Kosten

Gestellt hatte sich die Frage im Zusammenhang mit einem Streit um Schadensersatz aufgrund eines Wasserschadens nach einem Immobilienkauf. Die Käufer einer gebrauchten Eigentumswohnung verlangen vom Verkäufer Schadensersatz wegen Mängeln aufgrund eines Feuchtigkeitsschadens. Die Käufer forderten den Verkäufer zuvor vergeblich zur Behebung der Schäden auf. Daraufhin verlangten sie Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten. 

Fraglich war also, ob die Käufer den Schadensersatz auf Basis der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten beziffern können oder mit der Schadensbehebung in Vorleistung treten müssen, um Ersatz verlangen zu können. 

Die Entscheidung des V. Zivilsenats

Es bleibt dabei: Der Käufer einer mangelhaften Immobilie kann weiterhin Ersatz der voraussichtlich anfallenden Mängelbeseitigungskosten verlangen, unabhängig davon, ob er den Schaden wirklich beseitigt. Die Abkehr des VII. Zivilsenats vom fiktiven Schadensersatz für das Werkvertragsrecht sei auf das Kaufrecht nicht übertragbar. 

Außerdem hält der VII. Zivilsenat - wie er ausdrücklich klargestellt habe - bei Mängeln, mit denen der Immobilienkäufer nicht oder jedenfalls deutlich schlechter “leben” kann als mit der mangelfreien Immobilie, die Schätzung des mangelbedingten Minderwerts anhand der Mängelbeseitigungskosten weiterhin für zulässig. Infolgedessen müssten in solchen Fällen die noch nicht angefallenen Mängelbeseitigungskosten unabhängig von der Rechtsnatur des Vertrags sowieso ersetzt werden. Hinzu komme, dass dem Käufer, anders als im Werkvertragsrecht dem Besteller, kein Vorschussanspruch zustehe. Dem Käufer sei es daher nicht zuzumuten, die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorzufinanzieren. Die Umsatzsteuer müsse hingegen nur ersetzt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist - der Mangel also behoben wurde. 

Aufbau der Prüfung: Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB
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Keine Vorlage an Großen Senat für Zivilsachen erforderlich

Eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen wegen sogenannter Divergenz war im Gespräch. Das bedeutet, dass der Große Senat für Zivilsachen gem. § 132 Abs. 2 GVG entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will. Dies sei nun nicht mehr erforderlich, nachdem der VII. Zivilsenat auf Anfrage des V. Zivilsenats die Begründung seiner Rechtsprechungsänderung mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20) im Hinblick auf die Verankerung im Werk- und Architektenvertragsrecht vertieft und ergänzt hat.

Ebenso wenig bedürfe es einer Vorlage an den Großen Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG). Denn die von dem VII. Zivilsenat vorgenommene Bemessung des kleinen Schadensersatzes statt der Leistung sei angesichts der präzisierten und klarer konturierten werkvertraglichen Verankerung nicht auf andere Vertragstypen des besonderen Schuldrechts übertragbar.

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