Widerruf des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag

Widerruf des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag

Finden die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB auf einen Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag entsprechend Anwendung?

Die Entscheidung befasst sich mit schuldrechtlichen Fragen, für die keine Spezialkenntnisse des Darlehensrechts erforderlich sind. Sie eignet sich deshalb sehr gut für Prüfungsaufgaben.

A. Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines vom Beklagten erklärten Widerrufs seiner auf Abschluss einer Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung.

Die Ehefrau des Beklagten betrieb als Einzelunternehmerin eine Wäscherei. Der Beklagte war im Unternehmen angestellt und außerdem als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000 Euro am Unternehmen beteiligt. Im Februar 2012 übernahm der Beklagte die gesamtschuldnerische persönliche Mitverpflichtung für einen von der Klägerin mit seiner Ehefrau im Rahmen des Einzelunternehmens mit derselben Urkunde vereinbarten Kontokorrentkredit über einen Kreditnennbetrag von 80.000 Euro. Eine Widerrufsinformation erteilte die Klägerin dem Beklagten nicht.

Nachdem im Oktober 2015 über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte die Klägerin ihr gegenüber die gesamte Geschäftsbeziehung.

Mit der Klage hat die Klägerin den Beklagten aus der Mithaftungserklärung auf Ausgleich des auf dem Kontokorrentkonto befindlichen negativen Saldos von 33.181,41 Euro in Anspruch genommen. Daraufhin hat der Beklagte den Widerruf seiner auf Abschluss der Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung erklärt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

B. Überblick

Die Entscheidung spricht Themen an, die einen kurzen Überblick lohnen.

I. Widerrufsrecht beim Darlehensvertrag

Gemäß § 495 BGB steht dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.

1. Verbraucherdarlehensvertrag

Verbraucherdarlehensverträge sind Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, wobei das Gesetz zwischen Allgemein- und Immobiliarverbraucherdarlehensverträgen unterscheidet (§ 491 BGB).

Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 Abs. 1 BGB).

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB).

2. Kontokorrentkredit

Die Ehefrau des Beklagten hat mit der Klägerin einen Kontokorrentkredit abgeschlossen.

Unter einem Kontokorrent, wörtlich „laufendes Konto“, versteht man ein Konto, auf dem Ein- und Auszahlungen zu einem Saldo verrechnet werden. Oder wie es § 355 HGB definiert: eine Geschäftsverbindung mit einem Kaufmann, bei der die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden.

Ein klassisches Kontokorrent ist das Girokonto.

Gewährt der Kaufmann – in aller Regel eine Bank – dem Kunden die Möglichkeit, das Konto zu überziehen, also auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn kein Guthaben besteht, spricht man von einem Kontokorrentkredit. Hier wird also keine Darlehenssumme in einer Tranche ausgezahlt, sondern der Kunde kann bis zur vereinbarten Höhe selbst bestimmen, in welchem Umfang er den Kredit in Anspruch nimmt. Die Rückzahlung kann ebenso willkürlich durch Einzahlungen auf das Konto erfolgen. In aller Regel wird jedoch eine Frist vereinbart, in der das Konto ausgeglichen werden muss.

3. Widerrufsrecht

Der Verbraucher kann den Darlehensvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss durch Erklärung gegenüber dem Darlehensgeber widerrufen (§ 355 Abs. 1, 2 BGB). Die Frist beginnt jedoch nicht, bevor der Unternehmer dem Verbraucher bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt hat (§ 356b BGB). Hierzu gehört auch die Belehrung über das Widerrufsrecht (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB). Während bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag das Widerrufsrecht auch ohne diese Belehrung zwölf Monat und 14 Tage nach Vertragsschluss erlischt (§ 356b Abs. 2 Satz 4 BGB), gilt dies für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge nicht (§ 356 Abs. 3 Satz 3 BGB).

Bei einem Kontokorrentkredit besteht gemäß § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB dann kein Widerrufsrecht, wenn nach der Auszahlung die Laufzeit höchstens drei Monate beträgt oder der Darlehensgeber kündigen kann, ohne eine Frist einzuhalten.

II. Schuldbeitritt

Der Beklagte hat die „gesamtschuldnerische persönliche Mitverpflichtung“ für die Rückzahlung eines negativen Saldos aus dem Kontokorrent übernommen. Dieser sog. Schuldbeitritt führt dazu, dass der Klägerin neben der Ehefrau des Beklagten ein weiterer Schuldner als Gesamtschuldner zur Verfügung steht. Die Klägerin kann deshalb wählen, von wem sie die Erfüllung ihrer Forderung verlangt (§ 421 Abs. 1 Satz 1 BGB). 

III. Stille Beteiligung

Der Beklagte ist stiller Gesellschafter des Unternehmens seiner Ehefrau. 

Ein stiller Gesellschafter beteiligt sich am Handelsgewerbe (§ 1 Abs. 2 HGB) eines anderen durch eine Einlage (§ 230 Abs. 1 HGB). Diese Einlage geht in das Vermögen des Inhabers über. Hierfür erhält der stille Gesellschafter einen Anteil am Gewinn des Unternehmens (§ 231 Abs. 1 HGB). Dieses Recht kann auch nicht abbedungen werden (§ 231 Abs. 2 Halbs. 2 HGB).

Der stille Gesellschafter wird aus den Geschäften des Inhabers weder berechtigt noch verpflichtet (§ 231 Abs. 2 HGB) und hat nicht das Recht, in die Geschäftsführung einzugreifen.

Der Begriff „stiller“ Gesellschafter ist darauf zurückzuführen, dass der Gesellschafter nicht nach außen in Erscheinung tritt, insbesondere nicht im Handelsregister eingetragen wird. Es handelt sich also um eine Innengesellschaft. 

C. Entscheidung

Der u.a. für das Darlehensrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar seien die Darlehensvorschriften auf einen Schuldbeitritt anwendbar, ein Widerrufsrecht des Beitretenden bestehe jedoch nur dann, wenn er auch als Darlehensnehmer zum Widerruf berechtigt wäre.

I. Anwendbarkeit der Darlehensvorschriften

Auch wenn der Schuldbeitritt seinem Wesen nach kein Verbraucherdarlehensvertrag iSv § 491 BGB sei, weil der Beitretende selbst kein Darlehen erlange, sondern lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernehme, sei er bei wertender Betrachtung einem solchen Vertrag gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, wie hier, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handle. Er sei dann nicht weniger schutzwürdig, als wenn er den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte. Dies gelte auch dann, wenn das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen worden sei. Entscheidend sei allein die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden zum Zeitpunkt der Mithaftungserklärung. 

Der Beklagte habe den Schuldbeitritt als Verbraucher erklärt. Es spiele keine Rolle, dass er am Unternehmen seiner Ehefrau als stiller Gesellschafter beteiligt sei. Damit übe er selbst keine unternehmerische Tätigkeit aus, weil die stille Beteiligung zur privaten Vermögensverwaltung gehöre.

II. Widerrufsrecht des Beklagten

Dem Beklagten stehe dennoch kein Widerrufsrecht zu.

Da die entsprechende Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften darauf beruhe, dass bei wertender Betrachtung der Beitretende ebenso schutzwürdig sei, als wenn er den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte oder im Wege der Vertragsübernahmevereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Darlehensnehmers getreten wäre, könne dessen Schutz nicht geringer sein, aber auch nicht weiter gehen als der Schutz desjenigen, der eine solche Verbindlichkeit eingeht. 

Vorliegend sei das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, weil es sich bei dem Darlehensvertrag der Ehefrau um einen Kontokorrentkredit iSv § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB gehandelt habe. Der Beklagte hätte deshalb auch dann kein Widerrufsrecht gehabt, wenn er diesen Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte.

Ein Mehr an Verbraucherschutz widerspräche den Wertungen des Gesetzgebers und würde auch mit dem Prinzip der Rechtssicherheit nur schwer zu vereinbaren seien, wenn bei dem Hauptvertrag ein Widerrufsrecht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausgeschlossen ist, für den gesetzlich nicht geregelten Schuldbeitritt, der die Hauptschuld lediglich sichern solle, durch eine Nichtanwendung dieser Vorschrift aber geschaffen würde.

D. Prüfungsrelevanz

Die Entscheidung befasst sich mit schuldrechtlichen Fragen, für die keine Spezialkenntnisse des Darlehensrechts erforderlich sind. Sie eignet sich deshalb sehr gut für Prüfungsaufgaben.

Ihre wesentlichen Aussagen lauten:

  • Auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Darlehensvertrag sind die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 491 ff. BGB anwendbar.

  • Ein Widerrufsrecht steht dem Beitretenden nur dann zu, wenn er auch als Darlehensnehmer hätte widerrufen können, und somit u.a. dann nicht, wenn der Widerruf gesetzlich ausgeschlossen ist.

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