Haftet die Vermieterin für Kaffekanne?

Haftet die Vermieterin für Kaffekanne?

Das OLG Oldenburg zu den Pflichten des Vermieters einer Ferienwohnung

Urlaubszeit ist für viele die schönste Zeit des Jahres. Für eine Familie aus Norddeutschland allerdings dürfte sie zur schlimmsten Zeit geworden sein. In einer Ferienwohnung auf einer Nordseeinsel kam es zu einem Unfall, bei dem sich die sechsjährige Tochter schwer verletzte.

Was war geschehen?

Eine Familie aus Norddeutschland buchte über ein Onlineportal etwa drei Monate im Voraus eine Ferienwohnung auf Wangerooge. Am ersten Morgen in der Ferienunterkunft setzte die Mutter der später Geschädigten Kaffee in der dort vorhandenen Kaffeemaschine auf. Als sie die Kanne mit dem frisch gebrühten Kaffee zum Tisch trug, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn und übergoss sich über der am Tisch sitzenden Tochter. Sie erlitt schwere Verbrennungen am Oberkörper und den Armen und wird voraussichtlich dauerhafte Narben zurückbehalten.

Die Tochter verklagte daraufhin zunächst die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie trug vor, der Griff der Kaffeekanne sei bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jedenfalls aber bei Übergabe der Wohnung, beschädigt und durch Aufbringen einer Klebemasse unfachmännisch repariert gewesen.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Oldenburg (Urteil vom 01.08.2023 zum Az. 1 O 216/22) wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts sei schon nicht die Vermieterin Vertragspartei geworden, sondern die Agentur, die die Ferienwohnung über das Onlineportal angeboten habe. Unabhängig davon entfalle eine Haftung, da gem. Ziff. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Fall eines nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Vermieter verursachten Mangels der Mietsache eine Haftung des Vermieters auf Schadensersatz ausgeschlossen sei. Ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Erfüllungsgehilfen sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellbar.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Oldenburg sah die Sache teilweise anders.

Zunächst stellte das OLG Oldenburg fest, dass nicht der Vermittler, sondern die Eigentümerin Vertragspartei des Mietvertrags geworden sei, da der Vermittler die Buchung ausdrücklich „im Namen des Eigentümers“ bestätigt habe. Das Prüfungsamt könnte diese Fallkonstellation als Aufhänger nehmen, um von Dir mehr zu dem Stichwort “objektiver Empfängerhorizont” hören zu wollen, schließlich hat das LG die Sache zuvor gerade anders bewertet. Wo die Reise hingehen soll, wird Dir der/die Klausurersteller:in durch entsprechend deutliche Hinweise im Sachverhalt mitteilen.

Als nächste für Dich in der Klausur relevante Frage stellt das Gericht fest, dass die Tochter (hier die Klägerin) als mitreisende Person in den Schutzbereich des Mietvertrags falle. Auch hier wieder eine Steilvorlage für das Prüfungsamt, um Deine Kenntnisse zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter abzuprüfen.

Nicht minder verlockend dürfte für das Prüfungsamt die verwendete AGB-Klausel sein, wonach eine Haftung für Schäden jeglicher Art auf einfache Fahrlässigkeit und auf die vereinbarte Miethöhe beschränkt sein sollte.

Das OLG hielt diese gemäß § 309 Nr. 7 lit. a, b BGB für unwirksam, weil damit auch Schäden hinsichtlich Leben, Körper und Gesundheit ausgeschlossen worden seien. Zudem sei auch die Klausel hinsichtlich einer Deckelung der Schadenshöhe auf die vereinbarte Miethöhe aus demselben Grund unzulässig.

Unbedingt merken solltest Du Dir die Ausführungen des OLG zu der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 536a I 1. Var. BGB. Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Vermieterin im vorliegenden Fall nicht verschuldensunabhängig hafte. Grundsätzlich ist es zwar so, dass sich aus § 536a I BGB eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters ergibt. Jedoch verlangt der Wortlaut der Norm, so sagt es auch das OLG in seiner Urteilsbegründung, dass der in Rede stehende Mangel bei Vertragsschluss bereits vorhanden sein müsse. Wichtig ist, das Gesetz knüpft an den Vertragsschluss und nicht an die Übergabe der Mietsache an. Dieser kann, wie hier, auch deutlich vor Übergabe der Mietsache gewesen sein. Da es sich bei der Frage nach dem Vorliegen des Mangels um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, trägt derjenige, der den Anspruch geltend macht, nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Hierzu wird das Prüfungsamt vermutlich aber mit dem berühmten Zaunpfahl winken.

Nach Ansicht des OLG konnte die Tochter hier nicht beweisen, dass die Kaffeemaschine schon vorab kaputt gewesen sei. Hierzu gab es in dem Verfahren ein aufwendiges Beweisverfahren. Das musst Du für Deine Klausur allerdings nicht wissen. Der Vollständigkeit halber wollen wir Dir aber kurz darstellen, warum das Gericht eine Haftung abgelehnt hat.

Der bereits erstinstanzlich dazu vom Gericht beauftragte Sachverständige habe nämlich keine Spuren einer (mangelhaften) Reparatur an der Kaffeekanne ausfindig machen können. Dieser werde für überzeugend erachtet und daher bestehe kein Bedürfnis für ein weiteres Sachverständigengutachten. Auch stehe nicht sicher fest, dass ein Schaden durch Verschleiß vorgelegen habe oder ein Produktmangel, der zum verfrühten Verschleiß geführt hätte, wofür die Vermieterin auch hätte einstehen müssen.

Schließlich lehnt das Gericht im Ergebnis auch eine Haftung aufgrund von Verschulden der Vermieterin (§§ 536a I 2. Var., 253 II BGB) ab. Es sei nicht mehr aufzuklären, in welche Risikosphäre die Schadensursache gefallen sei. Als die Mutter die Glaskanne mit kaltem Wasser zum Aufkochen gefüllt habe, sei die Kaffeekanne schließlich noch intakt gewesen. Daraus schlussfolgert das Gericht, dass der Bruch erst danach geschehen sein müsse. Vermieter treffe gerade keine Pflicht, die überlassenen Mieträume im Vorhinein auf jegliche, noch so versteckte potenzielle Mängel zu untersuchen.

Auch deliktische Ansprüche aus § 823 I BGB bzw. § 831 I BGB scheiden als Anspruchsgrundlagen aus, weil beide ein Verschulden voraussetzen, das gerade nicht vorliegt.

Prüfungsrelevanz

Der Fall verknüpft Elemente aus dem Schuldrecht AT, Schuldrecht BT und dem Deliktsrecht und eignet sich daher besonders gut, Dein Systemverständnis abzuprüfen.

Sowohl der Haftungsausschluss in AGB als auch der Schadensersatz aus dem Mietverhältnis sind absolute Klausurklassiker. Merke Dir hier, dass der Vermieter nach § 536a I 1. Var BGB unabhängig von einem Verschulden haftet, wenn der Mangel von Anfang an vorlag. Das allerdings muss der Anspruchsteller darlegen und beweisen.

Der Fall bietet auch für Rederendar:innen noch ein paar Schmankerl. So musst Du hier an die Prozessfähigkeit nach §§ 51, 52 ZPO i.V.m. § 1629 I 1 BGB denken. Auch wirft der Fall Fragen zur Passivlegitimation (falscher Beklagter) auf, woraus findige Prüfer:innen die Brücke zur Klageänderung schlagen könnten. Schließlich solltest Du die erleichterten Anforderungen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Klageerhebung (§ 253 II Nr. 2 ZPO) bei dieser Gelegenheit wiederholen. Im Fall, dass die Klägerseite wie hier Schmerzensgeld verlangt, reicht es übrigens aus, wenn der Kläger einen grob bezifferten Betrag angibt, da die konkrete Höhe ohnehin dann gemäß § 287 I 1 ZPO im Ermessen des Gerichts steht.

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