Vertretungsmacht
Überblick - Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht ist eine Voraussetzung der Stellvertretung gemäß den §§ 164 ff. BGB. Der Vertreter muss mit Vertretungsmacht handeln. Es gibt drei Möglichkeiten, wie der Stellvertreter Vertretungsmacht erlangen kann: Rechtsgeschäftlich, gesetzlich und kraft Rechtsscheins.
I. Rechtsgeschäftlich
Die rechtsgeschäftlich erlangte Vertretungsmacht heißt auch Vollmacht und ist in § 166 II BGB geregelt. Ein Sonderfall der rechtsgeschäftlich erlangten Vertretungsmacht ist die Prokura. Diese gilt für Kaufleute gemäß den §§ 48 ff. HGB und ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht mit gesetzlich umschriebenem Umfang. Nach § 49 HGB kann der Prokurist alle Geschäfte tätigen, die Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein können, nicht notwendigerweise des Handelsgeschäfts, in dem er tätig ist. Insofern kann ein Prokurist eines Repetitoriums auch Windkraftanlagen kaufen, obwohl dies nicht üblicherweise zum Geschäft eines Repetitoriums gehört.
II. Gesetzlich
Weiterhin kann die Vertretungsmacht gesetzlich erlangt werden. Beispiele: Gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern für ihre Kinder, §§ 1626, 1629 BGB. Für den eingetragenen Verein handelt der Vorstand gemäß § 26 I 2 BGB. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln die Gesellschafter im Zweifel gemeinschaftlich, vgl. §§ 709, 714 BGB. Bei der OHG gilt der Grundsatz der Einzelvertretung durch die Gesellschafter, vgl. § 125 HGB. Im Rahmen der Kommanditgesellschaft gilt ebenfalls der Grundsatz der Einzelvertretung durch die Gesellschafter nach § 161 II HGB, wobei die Stellvertretung für die Kommanditisten nach § 170 HGB ausgeschlossen ist, sodass nur die Komplementäre Vertretungsmacht haben. Die gesetzliche Vertretungsmacht hat bei der GmbH der Geschäftsführer nach § 35 GmbHG. Ebenso liegt die gesetzliche Vertretungsmacht im Rahmen einer Aktiengesellschaft bei dem Vorstand, vgl. § 78 AktG. Sollte eine juristische Person beteiligt sein, werden lediglich die Vertretungsverhältnisse und die Vertretungsnorm genannt.
III. Rechtsschein
Ferner kann einer Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins bestehen. Die Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins kann gesetzlich geregelt sein oder ungeschriebenen Merkmalen folgen.
1. Gesetzlich geregelt
Gesetzlich geregelte Fälle der Vertretungsmacht sind in den §§ 170 bis 173 BGB normiert. Fallbeispiel: A erteilt B Vollmacht und stellt auch eine Vollmachtsurkunde aus. Später widerruft A diese Vollmacht, zieht jedoch die Urkunde nicht ein. B schließt munter weiter Verträge im Namen des A ab. Aufgrund der Urkunde entsteht der Rechtsschein einer Vollmacht, somit wird A weiterhin verpflichtet. Ebenso ist ein Fall der Vertretungsmacht kraft Rechtsschein in § 15 HGB geregelt. Beispielsfall: A erteilt B Prokura. Dies wird im Handelsregister eingetragen. Später widerruft A die erteilte Prokura, lässt den Widerruf jedoch nicht im Handelsregister eintragen. Nun erzeugt das Handelsregister den Rechtsschein, der B habe Prokura. Auch in diesem Fall der Vertretungsmacht kraft Rechtsschein wird A durch die von B getätigten Rechtsgeschäfte verpflichtet.
2. Ungeschrieben
Ungeschriebene Fälle der Vertretungsmacht kraft Rechtsschein sind die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht.