Die wichtigsten Entscheidungen des Öffentlichen Rechts aus dem Jahr 2023

Die wichtigsten Entscheidungen des Öffentlichen Rechts aus dem Jahr 2023

8 Entscheidungen des BVerwG und des BVerfG aus dem Jahr 2023, die Du kennen solltest

Mit 2023 ging ein turbulentes Jahr zu Ende, in dem auch die Verwaltungsgerichte und das BVerfG mal wieder alle Hände voll zu tun hatten. Es ging um aufsehenerregende und emotionale Entscheidungen, wie etwa den Anspruch auf suizidale Medikamente zum selbstbestimmten Sterben, um die Frage nach der lebenslangen Freiheitsstrafe oder wie lange die Unterbringung in Untersuchungshaft dauern darf sowie um Fragen zum Kindeswohl, der Kunstfreiheit und staatsorganisationsrechtliche Fragen. Wir haben die wichtigsten Entscheidungen aus dem Jahr 2023 für Dich zusammengestellt.

BVerwG zu selbstbestimmten Sterben und dem Anspruch auf suizidale Medikamente

Wer unheilbar krank ist und selbstbestimmt sterben will, dem muss das auch faktisch möglich sein – zumindest hat dies das BVerfG noch im Jahr 2020 entschieden. Trotzdem haben unheilbar Kranke aber keinen Anspruch auf ein tödliches Medikament vom Staat. Dies ging aus einer Entscheidung des BVerwG hervor, das letztes Jahr für Aufsehen sorgte. Wie passen diese beiden Entscheidungen zusammen und wie hat das BVerwG seine Entscheidung begründet? Dies kannst Du in diesem Beitrag noch mal nachlesen: BVerwG zu selbstbestimmten Sterben und dem Anspruch auf suizidale Medikamente

BVerfG zu lebenslanger Freiheitsstrafe

Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1970 wegen Mordes an einer Frau und deren Tochter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seitdem befand er sich in Untersuchungs- und Strafhaft. Im Jahr 1991 wurde er in den offenen Vollzug überführt, jedoch mehrfach aufgrund des Fundes von unerlaubtem Material in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt. Im Jahr 1997 stellte das Landgericht Koblenz fest, dass die besondere Schwere der Schuld des Beschwerdeführers die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht mehr erfordert. Dennoch lehnte es die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung ab – es habe keine günstige Gefahrenprognose gestellt werden können.

Das BVerfG gab den Verfassungsbeschwerden des Häftlings jedoch statt. Es ging dabei um die Frage, ob der Häftling in seinem Freiheitsgrundrecht verletzt sei, wenn etwa die Fortdauer der Freiheitsentziehung nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge. Die Urteilsbesprechung und die Ausführungen der Verfassungsrichter kannst Du Dir noch mal in diesem Beitrag in Erinnerung rufen: BVerfG zu lebenslanger Freiheitsstrafe

BVerfG zur Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zum Gebäudeenergiegesetz

In dieser Entscheidung hat das BVerfG die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 GG gegenüber der Parlamentsmehrheit gestärkt und die Bedeutung der gleichberechtigten Mitwirkung an der politischen Willensbildung eines jeden Abgeordneten hervorgehoben. Es ging dabei um die Beratung und Verabschiedung zum Gebäudeenergiegesetz und einen Abgeordneten, der sich gegen die Verabschiedung des Gesetzes wehrte. Was das BVerfG an der parlamentarischen Arbeit auszusetzen hatte, haben wir hier für Dich prüfungsrelevant aufbereitet: BVerfG zur Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zum Gebäudeenergiegesetz

Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung im sogenannten „Apotheker“-Verfahren

Der Beschluss des BVerfG bietet eine gute Gelegenheit, sich insbesondere mit der Wahlfeststellung und dem Analogieverbot zu befassen und die Frage zu klären, ob beide Rechtsinstitute hier womöglich eine Verletzung aus Art. 103 II GG darstellen. In diesem aufsehenerregenden Fall ging es darum, dass ein Apotheker bei der Belieferung von onkologischen Arztpraxen und Krankenhäusern mit individuell hergestellten Arzneimitteln zur Krebstherapie belieferte, die aber in knapp 15.000 Fällen überhaupt keinen Wirkstoff enthielten und in weiteren 13.000 Fällen eine zu geringe Menge.

Das Landgericht Essen verurteilte ihn wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in 14.537 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und 27 weiteren tatmehrheitlichen Fällen sowie wegen Betruges in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren. Dagegen wandte er sich mit einer Revision an den BGH, die jedoch verworfen wurde. Was das BVerfG hierzu entschieden hat, erfährst Du in diesem Beitrag: Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung im sogenannten „Apotheker“-Verfahren

BVerfG zu Anträgen zur Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung

Der zweite Senat des BVerfG hat sich im vergangenen Jahr mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Organstreitverfahren ausschließlich der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Verfassungsorganen und nicht der Beurteilung der materiellen Verfassungsmäßigkeit eines konkreten Handelns eines Organs dient.

Dabei musste es auch die Frage erläutern, ob die Verfahrensvorschriften des § 64 II BVerfGG den Streitgegenstand und den Umfang der verfassungsgerichtlichen Kontrolle festlegt. Das Organstreitverfahren gehört zum absoluten Pflichtstoff im Studium und Examen, sodass Du Dir diese Entscheidung noch mal in Ruhe anschauen solltest: BVerfG zu Anträgen zur Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung

Ein Jahr in Untersuchungshaft ohne Haftprüfungsverfahren? BVerfG zur Dauer der Haftprüfung

Wie lange darf die Haftprüfung dauern und sind Krankheit oder Urlaub mögliche Gründe für eine Verzögerung? Mit diesen Fragen hatte sich das BVerfG zu befassen, nachdem ein Beschuldigter knapp ein Jahr lang in Untersuchungshaft saß, bis diese das erste Mal geprüft wurde. Liegt hierin ein Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 IV GG und die Freiheitsgrundrechte aus Art. 2 II GG?

Derartige Fälle häufen sich in den letzten Jahren: Die Überlastung der Gerichte mit zahlreichen Haftsachen auf der einen Seite und fehlenden Richtern auf der anderen Seite führen zum Teil auch zu frühzeitigen Freilassungen von Gefangenen. Die Entscheidung des BVerfG findest Du hier: BVerfG zur Dauer der Haftprüfung

BVerfG: Kindeswohl geht den Interessen der Pflegeeltern vor

In diesem emotionalen Fall sah sich das BVerfG mit der Frage konfrontiert, ob die Entnahme eines Pflegekindes mit besonderen Bedürfnissen aus einer Pflegefamilie gegen Art. 6 I GG sowie Art. 6 III GG verstößt. Das Kind aus seinem gewohnten Umfeld zu entnehmen ist aber nicht nur ein emotional schwieriges Thema, sondern auch auf rechtlicher Ebene komplex. Wie das BVerfG hier entschieden hat, erfährst Du in diesem Beitrag: BVerfG: Kindeswohl geht den Interessen der Pflegeeltern vor

Kunstfreiheit oder politische Parteinahme?

Darf ein Schultheaterstück politisch sein? Mit dieser Frage hatte sich zwar nicht das BVerfG zu befassen – mit Blick auf die Prüfungsrelevanz dieser Entscheidung hat es ausnahmsweise auch ein Fall des Verwaltungsgerichts Osnabrück in unseren Jahresrückblick zu den wichtigsten Entscheidungen aus dem Jahr 2023 geschafft. Es ging hier um die Frage, inwiefern Theaterstücke an Schulen von der Kunstfreiheit gedeckt sind und wie es sich hierbei mit der Neutralitätspflicht des Kultusministeriums verhält. Die Entscheidung findest Du hier: Kunstfreiheit oder politische Parteinahme?

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