Darf ein Schultheaterstück politisch sein?
Das VG Hannover hatte sich kürzlich mit der Frage zu befassen, ob Theaterstücke an Schulen politisch sein dürfen und inwiefern sie von der Kunstfreiheit gedeckt sind. Geklagt hatte die AfD Niedersachsen, da sie sich durch eine Aufführung an einer Osnabrücker Schule in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG sowie dem Recht auf politische Chancengleichheit aus Art. 21 GG verletzt sah.
Worum geht es?
An einer Schule in Osnabrück wurde im Mai 2019 ein Theaterstück „Danke dafür, AfD“ aufgeführt, in welchem sich die Schülerinnen und Schüler kritisch mit Äußerungen der AfD auseinandersetzten. In dem rund 45 Minuten langen Stück haben 15 Schülerinnen und Schüler Zitate von Politikern und Social-Media-Posts mit ihren eigenen Gedanken verknüpft, wie etwa eine Äußerung zum Schießbefehl gegen „illegale“ Flüchtlinge oder die Bezeichnung des Nationalsozialismus als „Fliegenschiss“ in der deutschen Geschichte. Das Theaterstück wurde interaktiv im Schulgebäude aufgeführt und beim Schülerfriedenspreis vom Kultusministerium mit dem Zivilcourage-Preis ausgezeichnet.
Der AfD hat die Aufführung jedoch nicht so sehr gefallen, da ihrer Meinung nach beleidigende und rechtswidrige Äußerungen gegen die AfD gefallen seien. Zudem sei eine kausale Verbindung zwischen dem Holocaust und der Partei unterstellt und damit suggeriert worden, dass die AfD menschenverachtende Maßnahmen billige. Es sei auch der Anschein erweckt worden, dass die Partei den Nationalsozialismus befürworte und zu Schusswaffengebrauch gegenüber Ausländern an Landesgrenzen aufrufe. Die AfD ist zudem der Meinung, dass das Kultusministerium mit der Aufführung gegen das Neutralitätsgebot des Staates verstoßen habe, da es die Äußerungen nicht unterbunden habe und hierin eine unzulässige Parteinahme zu sehen sei.
Kunstfreiheit oder politische Parteinahme?
Das VG Hannover folgte der Argumentation der AfD jedoch nicht, sondern stellte fest, dass Theaterstücke an Schulen unterschiedlich interpretiert werden können und es sich in dem konkreten Fall nicht um eine politische Meinungsäußerung der Lehrer und Lehrerinnen handele. Das Theaterstück sei vielmehr von den Schülerinnen und Schülern eigenständig vorbereitet worden – die Lehrkräfte hätten den Angaben des Gerichts zufolge keinen inhaltlichen Einfluss auf das Theaterstück gehabt. Theaterstücke an Schulen seien auch grundsätzlich von der Kunstfreiheit der Schülerinnen und Schüler gem. Art. 5 III GG gedeckt – denn auch politisches und agitatives Theater sei von der Kunstfreiheit umfasst. Die AfD hätte der Kunstfreiheit nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres aus Art. 2 I GG folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht entgegenbringen können. Eine solche Beeinträchtigung liege hier jedoch nicht vor.
Die Rüge der AfD, dass das Stück eine Verbindung zwischen ihr und dem Holocaust darstelle sowie gewaltverherrlichendes und gegenüber Ausländern feindseliges Verhalten unterstelle, sei nur eine mögliche Interpretation von vielen. Die Lehrkräfte hätten also nicht eingreifen müssen, da das interaktive Theater nicht zum Ziel hatte, politisch ausgewogen zu sein. Aus denselben Gründen sei auch das Recht auf politische Chancengleichheit aus Art. 21 GG nicht verletzt.
Neutralitätspflicht des Kultusministeriums
Doch wie verhält es sich hier mit der Neutralitätspflicht des Kultusministeriums? Die AfD moniert zudem, dass das Kultusministerium gegenüber der Schule fachaufsichtsrechtlich hätte einschreiten müssen. Aber auch diesen Punkt wies das VG Hannover ab, da es sich bei der Fachaufsicht um eine verwaltungsinterne Maßnahme handele, auf die die AfD keinen Anspruch habe.
Bereits in früheren Fällen hat die AfD Schulen und Universitäten in Niedersachsen kritisiert und wollte im Jahr 2018 ein Online-Portal einrichten, auf dem vermeintlich parteikritische Lehrkräfte gemeldet und denunziert werden sollten.
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