10 Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2022, die Du kennen solltest
Neues Jahr, neues Glück – und ein neues Jahr, in dem wohl die nächsten klausurrelevanten Entscheidungen des BGH dazukommen werden. Dabei gab es doch erst im vergangenen Jahr die letzten Entscheidungen, die examensverdächtig erscheinen. Das ist aber kein Grund zur Panik, schließlich zeigen wir Dir in diesem Beitrag die spannendsten und wichtigsten Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2022. Von der Mietzahlungspflicht im Corona-Lockdown über die „Wittenberger Sau“ und berühmt-berüchtigte Handtuchspender bis hin zu harscher eBay-Kritik – die Karlsruher Richter:innen hatten alle Hände voll zu tun.
BGH zur Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung
Beginnen wollen wir mit einer Entscheidung, die wohl in der einen oder anderen (Examens-)Klausur auftauchen dürfte. Es ging um die Anpassung der Gewerbemiete und die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 I BGB) bei coronabedingten Betriebsschließungen. Denn der in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verhängte „Lockdown“ stellte Gewerbetreibende vor finanzielle Probleme, insbesondere in puncto Mietzahlungen.
Der BGH hatte entschieden: Geschäfte, die während des „Lockdowns“ schließen mussten, können ihre Miete für diesen Zeitraum anpassen. Es komme aber auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Worauf genau geachtet werden müsse und wie der BGH argumentierte, erfährst Du in diesem Beitrag.
BGH lehnt „taggenaue“ Schmerzensgeld-Berechnung ab
Apropos Einzelfall – nicht weniger wichtig seien die jeweiligen Umstände, wenn es um die Höhe des Schmerzensgeldes gehe, so der BGH. Das OLG Frankfurt am Main wendete für die Bestimmung der Höhe nämlich eine „taggenaue Berechnung“ an. Doch dafür kassierte es eine Rüge aus Karlsruhe.
In der äußerst praxisrelevanten Entscheidung hatte der BGH der strittigen Methode zur Schmerzensgeldberechnung eine Absage erteilt. Ausgangsfall war das Schicksal eines Geschädigten, der insgesamt 500 Tage im Krankenhaus verbringen musste – hier haben wir über ihn geschrieben.
BGH zur „Wittenberger Sau“: Beleidigung oder Mahnmal?
Die nächste Entscheidung des BGH dürfte bei einigen Klausursteller:innen aus dem Strafrecht für Aufmerksamkeit gesorgt haben. Es ging um folgendes: An der Wittenberger Stadtkirche ist in vier Metern Höhe eine Plastik zu sehen, die als „Judensau“ bezeichnet wird. In Karlsruhe musste entschieden werden, ob sie abgenommen werden muss oder nicht. Die zentrale Frage lautete: Handelt es sich um eine Beleidigung oder um Erinnerungskultur? Ein spannender Schwerpunkt lag dabei auf der kollektiven Beleidigungsfähigkeit. Unseren Beitrag zu der Entscheidung kannst Du hier nachlesen.
BGH zum Handtuchspenderfall
Was drauf steht, muss auch drin sein. Oder? Nun, nicht immer – zumindest bei Handtuchspendern ist der BGH seit letztem Jahr anderer Auffassung. Mit einer aufsehenerregenden Entscheidung aus dem vergangenen Jahr hat er sich von seiner 30 Jahre alten Rechtsprechung abgewendet. Im Mittelpunkt: Der Handtuchspender.
Solche Handtuchspender finden sich auf den meisten öffentlichen Toilettenräumen. Dabei dürften die meisten der Nutzer:innen gar nicht unbedingt darauf achten, von welchem Hersteller das Gerät ist, das die Papiertücher ausgibt – also spendet. Und die wenigsten dürften darüber nachdenken, ob die Tücher auch vom selben Hersteller sind oder nicht.
Doch genau darüber wurde jahrelang gestritten: Dürfen Marken-Papierhandtuchspender auch mit fremden „No Name“-Papierhandtüchern befüllt werden?
BGH zum Herausgabeanspruch nach Zug-um-Zug-Verurteilung im Vorprozess
Die nächste Entscheidung des BGH, die wir Dir vorstellen wollen, eignet sich hervorragend für die etwas anspruchsvollere Klausur im Zivilrecht. Anstatt das Auto herauszugeben, wozu er Zug-um-Zug gegen eine Schadenersatzzahlung verurteilt wurde, verkaufte es der Kläger. Die damalige Beklagte wurde nun zur Klägerin und begehrte nicht mehr das Auto, sondern den Verkaufserlös. Zu Recht? Der BGH musste entscheiden, ob hier eine analoge Anwendung des § 255 BGB möglich war – oder nicht.
Du kannst Dich entscheiden: Wenn Du über den informativen Beitrag hinausgehen möchtest, haben wir die Entscheidung auch hier für Dich klausurorientiert aufbereitet.
BGH zu den Formerfordernissen eines Strafantrags
Außerdem musste der BGH im Jahr 2022 ein Strafverfahren gegen einen Angeklagten weitgehend einstellen, der mehrmals gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen hat – davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes. Grund dafür war ein nicht formgerecht übermittelter Strafantrag der Behörde an die Staatsanwältin.
Die Abgrenzung Strafanzeige – Strafantrag ist insbesondere in der mündlichen Prüfung beliebt. Die Karlsruher Richter:innen servierten den Prüfer:innen nun eine weitergehende Frage, die auf die Formerfordernisse eines Strafantrages abzielt: Ist ein Strafantrag auch dann formgerecht, wenn er mittels „einfacher“ E-Mail übermittelt wird?
BGH zum gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs bei gefälschtem Fahrzeugbrief
Auch im vergangenen Jahr durfte er vor dem BGH nicht fehlen: Der Gebrauchtwagenkauf. In erster Linie wurde aber um den dazugehörigen Fahrzeugbrief gestritten: Ein italienisches Unternehmen kaufte aus einem deutschen Autohaus einen Gebrauchtwagen. Problematisch war, dass das Autohaus das Fahrzeug aber gar nicht hätte verkaufen dürfen, denn es war nur geleast. Gestritten wurde nun über die Papiere – examensrelevant!
AGB und Schmähkritik: BGH zur Zulässigkeit von harscher Kritik bei eBay
Die AGB verlangen eine „sachliche“ Bewertung – aber was ist noch „sachlich“ und was nicht? Der BGH musste im folgenden Fall auslegen: Nach einem eBay-Geschäft ärgerte sich der Käufer über die Versandkosten in Höhe von 4,90 Euro. Er hinterließ online die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“, die die Klägerin entfernt haben wollte. Zu Recht?
Die Entscheidung bietet sich gut dafür an, die Kenntnisse zu den AGB abzufragen. Außerdem könnte er sogar nützlich im öffentlichen Recht sein, da der BGH lehrreiche Ausführungen zur Schmähkritik traf. Das alles kannst Du in diesem Beitrag nachlesen.
BMW statt Porsche berechtigt nicht zum Schadenersatz
Abschließend wollen wir Dir nun noch einen „tragischen“ Fall aus Karlsruhe vorstellen: Weil ihr Porsche zugeparkt war, musste die Klägerin mit ihrem BMW zum Urlaub an den Gardasee fahren. Nachdem sie sich von dem „Schock“ erholt hatte, forderte sie für die vorübergehende Entziehung des Porsches 175 Euro Nutzungsausfallentschädigung pro Tag. Der BGH ließ in der Entscheidung das Jahr 2022 mit objektiven Maßstäben, subjektiven Wertschätzungen und der Frage nach der Zumutbarkeit ausklingen.
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