BMW statt Porsche berechtigt nicht zum Schadenersatz

BMW statt Porsche berechtigt nicht zum Schadenersatz

BMW statt Porsche zumutbar

Tragischer Fall in Karlsruhe: Weil ihr Porsche zugeparkt war, musste die Klägerin mit ihrem BMW zum Urlaub an den Gardasee fahren. Für die vorübergehende Entziehung des Porsches forderte sie nun 175 Euro Nutzungsausfallentschädigung pro Tag. Vor dem BGH ging es um objektive Maßstäbe, subjektive Wertschätzungen und die Frage nach der Zumutbarkeit.

Worum geht es?

Stellt es einen ersatzfähigen Schaden dar, wenn die Klägerin nicht mit ihrem zugeparkten Porsche Cabriolet in den Urlaub fahren konnte, sondern stattdessen ihren Zweitwagen (einen 3er BMW Kombi) nehmen musste? Diese Frage hatte der BGH kürzlich zu entscheiden. Dabei trafen die Karlsruher Richter:innen spannende schadensrechtliche Ausführungen, denn: Grundsätzlich bestehe ein Anspruch auf Entschädigung, wenn die Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs fortfällt. Allein damit könne die Frage aber nicht beantwortet werden. BMW statt Porsche – war das für die Klägerin zumutbar?

Zugeparkter Porsche

Die Reise in ihren Urlaub an den Gardasee hatte sie sich anders vorgestellt: Eigentlich wollte die Klägerin mit ihrem Porsche Cabriolet nach Italien fahren. Dieses hatte sie in der Garage der Beklagten geparkt. Doch wegen einiger Streitigkeiten blockierte die Beklagte die Ausfahrt der Garage, sodass die Klägerin ihren Porsche nicht nutzen konnte. Glück im Unglück: Die Klägerin besaß noch einen Zweitwagen, einen 3er BMW Kombi, mit dem sie dann in ihren Urlaub fuhr.

Nun verlangte die Klägerin Schadensersatz dafür, dass sie ihren Porsche nicht nutzen konnte. Insgesamt forderte sie 2.450 Euro Nutzungsausfallentschädigung. Zu Recht?

§ 823 I (?) – aber besteht ein ersatzfähiger Schaden?

Nicht nur nach Auffassung des BGH, sondern auch nach den Entscheidungen der vorherigen Instanzen gilt es, genau aufzupassen. Denn hinsichtlich des haftungsbegründenden Tatbestands des § 823 I BGB gebe es keine Probleme: Die Beklagte habe durch ihr Verhalten (das Zuparken) rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum der Klägerin an ihrem Porsche verletzt, indem sie die Benutzung der Luxuskarosse verhinderte. Rechtlicher Dreh- und Angelpunkt war hier aber: Bestand auch ein ersatzfähiger Schaden?

Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I setzt nämlich einen solchen voraus (haftungsausfüllender Tatbestand). Der BGH führte aus, dass grundsätzlich nur Vermögensschäden, also materielle Schäden ersatzfähig seien. Ausnahmen – also der sogenannte immaterielle Schadensersatz – bestehen gemäß § 253 I BGB nur in den gesetzlich angeordneten Fällen wie beim Schmerzensgeld nach § 253 II BGB. Eine solche gesetzliche Ausnahme sei hier aber nicht gegeben, sodass die Klägerin für ihren Anspruch einen materiellen Schaden hätte haben müssen.

Individuelle Genussschmälerung ist kein ersatzfähiger Schaden

Und tatsächlich könnte ein materieller Schaden darin liegen, dass vorübergehend die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs, sei es von Opel, Ford oder Porsche, entzogen werde. Subjektive Wertschätzungen dürften dabei aber nicht herangezogen werden, da diese vom jeweiligen Tatgericht nicht kontrollierbar seien – es zähle der objektive Maßstab, sprich die Werte, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung zuschreibe:

Stellt sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern als individuelle Genussschmälerung dar, handelt es sich um einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden.

Vielmehr sei die Zuerkennung einer Entschädigung davon abhängig, dass der Eigentümer das Fahrzeug in der Zeit, in der es dem Gebrauch entzogen war, auch tatsächlich benutzen wollte (Stichwort: Nutzungswille). Dazukommen müsse aber auch, dass die Entbehrung der Nutzung „fühlbar“ geworden sei, nämlich dadurch, dass der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Fahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte, so der BGH und verwies auf seine ständige Rechtsprechung. Und weiter:

An einem fühlbaren Nutzungsausfall fehlt es daher, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.

Mit dem BMW zum Gardasee: Für den BGH zumutbar

Damit nähern wir uns dem Ende der durchaus examensrelevanten Entscheidung des BGH – schadensrechtliche Auseinandersetzungen können zu merkbaren Notensprüngen führen – und kommen zu der Frage, mit der die Karlsruher Richter:innen nun konfrontiert waren: Ist die Nutzung des 3er BMW als Zweitwagen für die Klägerin zumutbar gewesen?

Der Aspekt, dass dem entzogenen Fahrzeug (Porsche) eine höhere Wertschätzung als dem Zweitwagen (BMW) zukomme, etwa weil ein anderes Fahrgefühl gegeben oder ein höheres Prestige damit verbunden sei, dürfe bei der Antwort nicht berücksichtigt werden. Diese Aspekte seien nämlich nur Vorteile, die die Lebensqualität erhöhen – sie stellen aber keinen ersatzfähigen materiellen Wert dar, so der BGH. Solche Faktoren dürften damit nicht in die vermögensrechtliche Bewertung einbezogen werden.

Nach den getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sei die Benutzung des Zweitwagens für die Italienreise zumutbar gewesen. Dass es sich dabei nicht um ein Cabriolet wie beim Porsche handelt und es somit kein vergleichbares Fahrgefühl darstelle, könne aus den soeben genannten Gründen nicht in die Wertung mit einbezogen werden. Umstände, die eine Unzumutbarkeit der Nutzung des BMW begründen würden, seien nicht ersichtlich. Solche hätten etwa sein können, dass dem BMW objektiv die Eignung als Fortbewegungsmittel gefehlt hätte.

Auch wenn eine Fahrt mit dem Porsche Cabriolet um den italienischen Gardasee vielleicht ein bisschen mehr Spaß gemacht hätte – für den BGH stellt es keinen ersatzfähigen Schaden dar, wenn der Urlaub stattdessen „nur“ mit dem 3er BMW angetreten werden kann.

Weitere (ausscheidende) Anspruchsgrundlagen

In der Klausur könnte man an dieser Stelle noch weitere Anspruchsgrundlagen ansprechen, aber aus den gleichen Gründen anschließend verneinen. Zu denken ist etwa an § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz – dies wäre hier der Tatbestand der verbotenen Eigenmacht § 858 I BGB), den die Beklagte erfüllt habe (sofern die Klägerin unmittelbare Besitzerin des Porsches war). Außerdem könnte § 826 BGB, der Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, bis zur Frage des Schadens bejaht werden.

(BGH Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22)

Relevante Lerneinheiten