AGB und Schmähkritik: BGH zur Zulässigkeit von harscher Kritik bei eBay

AGB und Schmähkritik: BGH zur Zulässigkeit von harscher Kritik bei eBay

AGB verlangen “sachliche” Bewertung - aber was ist noch “sachlich” und was nicht?

AGB & Schmähkritik: Nach einem eBay-Geschäft ärgerte sich der Käufer über die Versandkosten in Höhe von 4,90 Euro. Er hinterließ online die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“, die die Klägerin entfernt haben wollte. Der BGH musste entscheiden.

Worum geht es?

Auf der Internetplattform eBay gibt es die Möglichkeit, nach einem Kauf auf dem Profil der Verkäufer:innen ein Feedback zu hinterlassen. Eine solche Nachricht hatte es nun bis nach Karlsruhe geschafft. Dabei handelte es sich aber nicht um einen Kommentar wie „Fünf Sterne, danke, gerne wieder“, sondern um die Nachricht eines zum Teil unzufriedenen Kunden: „Ware gut, Versandkosten Wucher!!“. Während der Käufer scheinbar die 4,90 Euro Versandkosten unangebracht fand, scheint wiederum die Verkäuferin nicht mit seiner Bewertung einverstanden gewesen zu sein – und klagte auf Entfernung.

Der VIII. Zivilsenat des BGH musste daher entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung der abgegebenen negativen Bewertung hat.

„Versandkosten Wucher!!“ – im Einklang mit den AGB?

Es ist nicht selten, dass kaufrechtliche (Examens-) Klausuren hin und wieder einen über eBay geschlossenen Kaufvertrag behandeln. Über einen solchen Vertrag kann nämlich gleichzeitig grundlegendes Wissen aus dem BGB AT abgefragt werden, zum Beispiel wenn es um Angebot und Annahme oder um Stellvertretungsgeschäfte geht. Dieser Fall bietet sich dafür an, die Kenntnisse zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abzufragen. Außerdem könnte er sogar nützlich im öffentlichen Recht sein, da der BGH lehrreiche Ausführungen zur Schmähkritik trifft.

Diese Aspekte sollen nämlich im folgenden Fall entscheidend sein: Der Beklagte erwarb von der Klägerin auf eBay vier Gelenkbolzenschellen für einen Preis von 19,26 Euro. Davon entfielen 4,90 Euro auf den Versand, die der Beklagte tragen musste. Nach dem Erhalt der Ware hinterließ er folgende Bewertung auf dem Profil der klagenden Verkäuferin:

Ware gut, Versandkosten Wucher!!

Die Klägerin klagte auf Entfernung, zunächst erfolglos. Denn das AG Weiden in der Oberpfalz vertrat die Auffassung, dass es sich lediglich um ein Werturteil handele. Ein solches sei nur dann unzulässig, wenn es Schmähkritik – also eine Aussage, die auf die bloße Herabwürdigung des Gegenübers herabzielt – wäre. Dies sei hier aufgrund des Sachbezugs (der Versand) nicht der Fall.

Anders urteilte das LG Weiden in der Oberpfalz. Aus Sicht des Berufungsgerichts habe der Käufer eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 I, § 241 II BGB) – und hier kommen die AGB ins Spiel. Nach Auffassung des Gerichts verstoße die Bewertung gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 2 der eBay-AGB. Darin heißt es auszugsweise, dass Nutzer verpflichtet sind, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße und sachliche Angaben machen zu müssen, die keine Schmähkritik enthalten dürfen. Das LG kam zu dem Schluss: „Versandkosten Wucher!!“ sei eine überspitzte Beurteilung ohne einen sachlichen Bezug. Für einen objektiven Leser sei nicht erkennbar, warum es sich bei den Versandkosten um „Wucher“ handele. Sah der BGH das genauso?

BGH: Keine Entfernung des Kommentars

Die Karlsruher Richter:innen entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Entfernung der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ zustehe, es handele sich dabei auch um keine (nach-)vertragliche Nebenpflichtverletzung. Der BGH argumentierte, dass die Regelung der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin grundsätzlich geltende Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengere Beschränkung für die Zulässigkeit von Werturteilen in den Kommentaren enthalte.

Das Gericht stellte fest, dass in den AGB keine genauere Bestimmung zu finden sei, was „sachliche Angaben“ bedeute. Daher müssten die grundrechtsrelevanten Grundsätze zur Schmähkritik herangezogen werden. Ansonsten würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des bewertenden Käufers vorab ein geringeres Gewicht beimessen als dem Grundrechtsschutz des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers bereits dann als unzulässig sieht, wenn sie herabsetzend formuliert ist oder gerade nicht auf sachlichen Erwägungen beruht.

Und hier kam der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat zu dem Ergebnis, dass der Kommentar „Versandkosten Wucher!!“ nicht die Grenzen zur Schmähkritik überschreite. In der Entscheidung heißt es:

Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

Denn vielmehr müsse bei der Äußerung die Auseinandersetzung in der Sache zurücktreten und eine Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund stehen. Dieser müsse durch die Äußerung (und dann liege Schmähkritik vor) jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt „und gleichsam an den Pranger“ gestellt werden.

Und daran fehle es im vorliegenden Fall. „Versandkosten Wucher!!“ sei zwar eine scharfe und möglicherweise überzogene Form der Auseinandersetzung mit der Leistung der Klägerin. Aber es stehe nicht ihre Diffamierung im Vordergrund. Der Kommentar sei damit zulässig.