BGH zum Gebrauchtwagenkauf
Streit um den Fahrzeugbrief: Ein italienisches Unternehmen kaufte aus einem deutschen Autohaus einen Gebrauchtwagen. Problematisch ist, dass das Autohaus das Fahrzeug gar nicht hätte verkaufen dürfen, denn es war nur geleast. Die Parteien stritten nun über die Papiere – examensrelevant!
Worum geht es?
Examensklausuren zum Mobiliarsachenrecht lassen sich hervorragend mit dem Kauf eines Gebrauchtwagens gestalten. Oft sind es dabei auch Entscheidungen aus Karlsruhe, die als Grundlage dienen – zum Beispiel beim gutgläubigen Erwerb an einem nach einer Probefahrt nicht zurückgegebenen Fahrzeug. Eine aktuelle Entscheidung des BGH klingt nun ähnlich „examensverdächtig“: Es geht um die Beweislastverteilung bei einem (gefälschten) Fahrzeugbrief im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs.
Auto nach Italien verkauft
Geklagt hatte ein italienisches Unternehmen, das Fahrzeuge in Italien vertreibt. Im Frühjahr 2019 kaufte es unter Einschaltung eines Vermittlers über ein deutsches Autohaus einen Gebrauchtwagen, um diesen anschließend in Italien weiterzuverkaufen. Das Problem war aber nun, dass das deutsche Autohaus das Fahrzeug gar nicht hätte weitergeben dürfen. Es war selbst überhaupt nicht Eigentümer, sondern hatte das gebrauchte Fahrzeug “nur” von der damaligen Eigentümerin (Leasinggeberin) geleast. Nach Zahlung des Kaufpreises von knapp 31.000 Euro holte der Vermittler das Auto bei dem Autohaus (Leasingnehmer) ab und brachte es nach Italien. Als die Klägerin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus erwerben wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer läuft neben dem zivilrechtlichen Verfahren auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen.
Streit um Zulassungsbescheinigung Teil II
Eigentümerin des Fahrzeugs war also zu diesem Zeitpunkt die Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte. Diese war auch im Besitz der sog. Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kraftfahrzeugbrief). Zwischen ihr und der italienischen Klägerin war streitig, ob dem Vermittler eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der entsprechend das Autohaus fälschlich als Halterin eingetragen war. Die Klägerin begehrte die Papiere.
Die Gerichte, die sich bisher damit befasst hatten, urteilten hier allerdings unterschiedlich: Das LG Stuttgart hatte die auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gerichtete Klage noch abgewiesen. Vielmehr hatte es das italienische Unternehmen auf Widerklage der Beklagten hin verurteilt, das Fahrzeug an sie wieder herauszugeben. Das OLG Stuttgart sah die Sache anders und urteilte zugunsten des italienischen Unternehmens. Sprich: Die ursprüngliche Eigentümerin, die das Fahrzeug an das Autohaus leaste, solle den echten Fahrzeugbrief nach Italien. Schließlich sei, so das OLG Stuttgart, das italienische Unternehmen rechtmäßig Eigentümerin geworden.
BGH zur Beweislast
In Karlsruhe wurde die Revision der Beklagten nun zurückgewiesen. Der V. Zivilsenat des BGH, der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständig ist, ging dabei zuvörderst auf die Frage der Beweislast ein. Das Gericht hat entschieden, dass dann, wenn sich der Erwerber eines Gebrauchtwagens auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten beruft, der bisherige Eigentümer beweisen müsse, dass der Erwerber sich den Fahrzeugbrief gerade nicht habe vorlegen lassen. Die Klägerin könne daher von der Beklagten, die das Auto an das Autohaus geleast hatte, die Herausgabe der Papiere verlangen, weil sie (also das italienische Unternehmen) Eigentümerin des Fahrzeugs geworden sei. Rechtliche Grundlage sei dabei der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB in Verbindung mit § 952 BGB analog.
Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, dass die Beklagte zwar ursprünglich Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen sei. Zwischen der Klägerin und dem Autohaus habe aber eine Einigung und Übergabe im Sinne von § 929 1 BGB stattgefunden. Dass das Autohaus dafür gar nicht verfügungsbefugt gewesen sei, wäre unschädlich, wenn ein gutgläubiger Erwerb vorgelegen habe (§ 932 I 1 BGB). Und zur Frage der entsprechenden Beweisbarkeit sagte der BGH:
Dass die Klägerin nicht in gutem Glauben war, muss die Beklagte beweisen.
Der BGH verweist auf den Gesetzgeber, der die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet habe. Es gelte daher:
Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.
BGH zur sekundären Darlegungslast
Anschließend traf der BGH noch Ausführungen zu der sekundären Darlegungslast: Eine solche treffe regelmäßig den Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb berufe. Darunter ist zu verstehen, dass der Erwerber seinerseits vortragen müsse, wann, wo und von wem ihm die Fahrzeugpapiere vorgelegt worden und dass er sie zuverlässig überprüft habe.
Dann muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen.
Hier sei die Annahme des OLG Stuttgarts, die Klägerin habe mit ihrem Vortrag zu der Vorlage einer hochwertigen Fälschung ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt, nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe den Beweis für die fehlende Gutgläubigkeit der Klägerin nicht geführt.
Im Ergebnis sei die Klägerin daher Eigentümerin geworden – die auf die Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage der Beklagten sei unbegründet.
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