BGH zu den Formerfordernissen eines Strafantrags

BGH zu den Formerfordernissen eines Strafantrags

Ist ein Strafantrag auch dann formgerecht, wenn er mittels “einfacher” E-Mail übermittelt wird?

Der BGH hat das Strafverfahren gegen den Angeklagten weitgehend eingestellt, der mehrmals gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen hat – davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Grund dafür ist ein nicht formgerecht übermittelter Strafantrag der Behörde an die Staatsanwältin.

Worum geht es?

Bei den Formvorschriften der StPO gibt es keine Ausnahme – auch die Behörden müssen sich daran halten. Dies hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung klargestellt. Der Angeklagte wurde im Jahr 2021 wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, davon in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, vom Landgericht Dresden zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der 5. Strafsenat musste das Strafverfahren aber nun wegen eines mittels „einfacher“ E-Mail und daher nicht formgerecht übermittelten Strafantrags weitgehend einstellen.

Aufsichtsstelle stellte Strafantrag per E-Mail

Die Revision des Angeklagten hatte damit teilweise Erfolg. Der 5. Strafsenat des BGH, der in Leipzig ansässig ist, musste in seiner Entscheidung klarstellen, dass die Formvorschriften der StPO auch für Behörden gelten. Denn: Die für die Führungsaufsicht zuständige Stelle hatte damals der Staatsanwältin den nach § 145a 2 StGB erforderlichen Strafantrag per einfache E-Mail geschickt. In § 145a 2 StGB ist normiert, dass die Tat – der Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht – nur auf Antrag der Aufsichtsstelle verfolgt wird.

Aber: Ein Strafantrag unterliegt bestimmten Formerfordernissen. Nach § 158 II StPO muss dieser bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, bei einem Gericht oder der Staatsanwalt schriftlich oder zu Protokoll eingereicht werden. Die elektronische Übermittlung ist zwar möglich – doch hier bestimmt § 32a III StPO, welche Anforderungen gelten. Danach muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

BGH rügt Verstoß gegen Formvorschrift

Hier habe die zuständige Aufsichtsstelle diese Formerfordernisse nicht eingehalten, da sie lediglich per „einfacher“ E-Mail den Strafantrag an die Staatsanwaltschaft gesendet habe, so der BGH. Diese E-Mail erfülle nicht die Voraussetzungen des § 32a III StPO.

Deshalb bestehe hinsichtlich der Verstöße gegen die Führungsaufsicht ein nicht behebbares Verfahrenshindernis, stellte der 5. Strafsenat fest. Er musste das Verfahren insoweit einstellen und den Strafausspruch sowie eine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufheben. Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes habe hingegen Bestand, so der BGH – für die Verfolgung dieser Straftat ist nämlich kein Strafantrag erforderlich. Über die hier zu verhängende Strafe muss jedoch neu verhandelt und entschieden werden.

Strafantrag? Strafanzeige?

Wie der BGH damit klarstellt, sind die Formerfordernisse bei einem Strafantrag streng einzuhalten. Anders sieht es bei der Strafanzeige aus – sie ist sogar formlos möglich. Aber wodurch unterscheiden sie sich?

Umgangssprachlich werden die Begriffe Strafanzeige und Strafantrag gerne mal als Synonym verwendet. Im Strafverfahren oder auch schon bei strafrechtlichen Klausuren darf dies aber nicht passieren – die beiden Instrumente aus der StPO sind strikt voneinander zu trennen.

Die Strafanzeige („Anzeige einer Straftat“) ist in § 158 I StPO geregelt. Sie ist eine bloße Anregung an die Behörden, in einem bestimmten Sachverhalt zu ermitteln. Sie kann von jeder Person erstattet werden und unterliegt keinen Formvorschriften. Anders ist die Rechtslage bei einem Strafantrag gem. § 158 II StPO: Bei ihm handelt es sich um die Erklärung des gesetzlich dazu Befugten, dass eine Strafverfolgung gewünscht ist. Hier ist – wie der BGH nun nochmals festgestellt hat – eine Schriftform zwingend erforderlich. Schließlich handelt es sich bei ihm um eine Prozessvoraussetzung für die Antragsdelikte. Allerdings ist es in der Praxis anerkannt, dass eine gestellte Strafanzeige auch als ein Strafantrag interpretiert werden kann. Dafür müssen aber zwei Voraussetzungen gegeben sein: Ein deutlicher Verfolgungswille des Befugten – und die Schriftform.

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