Tod als Pflichtverletzung? Haften Erben für postmortale Schäden am Hotelzimmer?

Tod als Pflichtverletzung? Haften Erben für postmortale Schäden am Hotelzimmer?

Der Beherbergungsvertrag gehört zwar eher zu den Randbereichen in Deiner Ausbildung, wirft aber immer wieder spannende Fragen auf, die in Deinem Studium und später im Examen wichtig werden können. Das LG Regensburg (Urteil vom 18.09.2025 – 85 O 1495/24) hatte über einen außergewöhnlichen Fall zu entscheiden: Ein Hotelgast verstarb in seinem Zimmer und wurde erst nach einiger Zeit gefunden. Durch die Verwesung entstanden erhebliche Schäden am Zimmer. Das Hotel verlangte daraufhin vom Nachlasspfleger des Verstorbenen mehr als 25.000 Euro Schadensersatz. Die Kernfrage lautete: Kann der Tod des Hotelgastes eine Pflichtverletzung darstellen, die Ansprüche gegen den Nachlass des Verstorbenen auslöst? Ein morbider, aber klausurträchtiger Sachverhalt.

Der Fall im Überblick: Vom Hotelaufenthalt zur Tatortreinigung

Der A betreibt ein Parkhotel in Bayern. Der B war 2011 nach Südafrika ausgewandert, kehrte jedoch regelmäßig nach Deutschland zurück. Im Jahr 2021 reiste er erneut ein, konnte wegen der Coronapandemie nicht zurückreisen und lebte schließlich über acht Monate im Hotel des A. Am 17. März 2022 starb B in seinem Hotelzimmer.

Das Problem: Der Tod blieb zunächst unbemerkt. Dadurch kam es zu massiven Verwesungsspuren, die das Zimmer erheblich beschädigten. Eine professionelle Tatortreinigung war erforderlich, außerdem mussten Möbel, Bad und Minibar ersetzt werden. Das Hotel machte folgende Kosten geltend:

  • Tatortreinigung: 13.048,57 Euro

  • Ersatzmöbel: 3.177,13 Euro

  • Innenausbau Badezimmer: 9.153,87 Euro

  • neue Minibar: 153,44 Euro

  • offene Restaurantrechnung: 10,20 Euro

Insgesamt verlangte A also 25.543,21 Euro.

Zur Begründung führte er an, B habe durch seinen Tod eine Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag begangen. Diese Nachlassverbindlichkeit sei nach § 1967 BGB von den Erben zu tragen.

Warum das LG Regensburg im Tod keine Pflichtverletzung sah

Das LG Regensburg wies die Klage weitgehend ab. Dem Hotel wurden lediglich die offene Restaurantrechnung über 10,20 Euro sowie darauf bezogene Rechtsanwaltskosten von 83,70 Euro zugesprochen.

Rechtsnatur des Hotelaufenthalts: Beherbergungsvertrag

Das Gericht stellte zunächst klar, dass ein Hotelaufenthalt einen typengemischten Vertrag darstellt. Er enthält Elemente aus:

  • Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) für die Überlassung des Zimmers,

  • Dienst- oder Werkvertrag für Nebenleistungen (z. B. Reinigung, Frühstück),

  • Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) für die Gepäckaufbewahrung.

Die Rechtsprechung spricht deshalb vom Beherbergungsvertrag. Ansprüche wegen Beschädigungen des Zimmers können sich daher grundsätzlich aus den §§ 280, 535 BGB ergeben.

Klausurtipp

Die Einordnung als typengemischter Vertrag ist ein wichtiger Schwerpunkt und sollte von Dir näher dargestellt werden. Die Rechte und Pflichten der Parteien ergeben sich nicht aus einem eigenen Vertragstyp, sondern jeweils aus den herangezogenen Vertragselementen.

Keine Pflichtverletzung durch Tod

Ein Schadensersatzanspruch setzt eine Pflichtverletzung voraus.

Merke Dir

In einer Klausur darfst Du die Definition der Pflichtverletzung nicht vergessen. Eine Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Vertragspartei vom geschuldeten Pflichtenprogramm nach § 241 BGB. Beim Mietvertrag ist dies insbesondere der schonende und vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache (§ 535 BGB: „wohnen und schonen“).

Das Gericht stellte jedoch klar: Der Tod eines Mieters sei keine Pflichtverletzung.

Der Tod sei ein außerhalb der vertraglichen Pflichtenlage liegendes Ereignis, das zwar Auswirkungen auf das Mietverhältnis habe, sich aber der rechtlichen Zurechnung und der Verantwortlichkeit des Schuldners entziehe.

Klausurtipp

Alternativ hättest Du auch mit § 538 BGB argumentieren können: Der Tod könne laut Gericht als „vertragsgemäßer Gebrauch“ angesehen werden. Veränderungen oder Verschlechterungen, die durch einen solchen vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter gemäß § 538 BGB nicht zu vertreten, bzw. stellen keine Pflichtverletzung dar.

Folge: Weder aus Vertrag noch aus Deliktsrecht (§ 823 BGB) bestand also eine Ersatzpflicht der Erben des B.

Keine Haftung der Erben für Instandsetzungskosten

Selbst wenn man eine Pflichtverletzung annehmen würde, müsste laut Landgericht berücksichtigt werden, dass der Nachlass nur für sogenannte Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB hafte. Hierzu zählen allerdings nur Verpflichtungen, die der Erblasser zu Lebzeiten begründet habe.

Die Kosten für Tatortreinigung, Möbel, Badumbau und Minibar seien jedoch erst nach dem Tod des Gastes entstanden. Sie zählen somit nicht zu den Altverbindlichkeiten, so das LG Regensburg. Ergo: Für solche „postmortalen“ Schäden hafte der Nachlass also nicht.

Offene Restaurantrechnung in Höhe von 10,20 Euro

Anders verhielt es sich mit der offenen Restaurantrechnung. Da diese noch zu Lebzeiten des B entstanden sei, stelle diese Forderung eine klassische Nachlassverbindlichkeit dar.

Das Gericht wies darauf hin, dass es sich bei der Rechtsnatur der gastronomischen Leistung um einen Bewirtungsvertrag handele, also ebenfalls um einen typengemischten Vertrag mit Schwerpunkt im Kaufrecht (§ 650 BGB). Das Mietrecht könne hier laut LG nicht angewandt werden. Für solche Forderungen gelte somit die regelmäßige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB, und gerade nicht die kurze mietrechtliche Verjährung des § 548 BGB.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Da der Beklagte die 10,20 Euro nicht beglichen hatte, befand er sich im Verzug. Folglich musste er auch die Anwaltskosten in Höhe von 83,70 Euro ersetzen gemäß §§ 280, 286 BGB.

Morbider Fall mit großem Klausurpotenzial

Die Entscheidung ist zwar vom Sachverhalt her ungewöhnlich, aber juristisch interessant. Aus dieser Entscheidung solltest Du Dir zwei wichtige Feststellungen mitnehmen:

  1. Der Tod eines Mieters stellt keine Pflichtverletzung dar.

  2. Schäden, die erst nach dem Tod entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB.

Mit diesem Wissen kannst Du Deinen Korrektor:innen zeigen, dass Du juristisches Systemverständnis aufweist und Problembewusstsein hast.

Mehr zum Thema

Wenn Du nach diesem skurrilen Hotel-Fall noch weiter ins Erbrecht eintauchen willst, lohnt sich ein Blick in diese klausurrelevanten Fälle:

  • Erbvertrag ohne Erben - Was gilt, wenn der eingesetzte Erbe vorverstorben ist?
    Dieses BGH-Urteil zeigt, was passiert, wenn ein im Erbvertrag eingesetzter Erbe verstirbt, bevor er überhaupt erben kann. Kann der Erblasser in einem solchen Fall einfach per Testament einen neuen Erben bestimmen?

  • Erbe trotz Ausschlagung?
    Eine Tochter schlägt das Erbe ihrer entfremdeten Mutter aus. Als sie später feststellt, dass sie anstatt Schulden mehr als 70.000 Euro hätte erben sollen, ficht sie ihre Ausschlagung an, doch ist das so einfach möglich?

  • Widerruf durch Zerreißen - OLG Frankfurt zur Widerrufsvermutung trotz Aufbewahrung
    Der Erbschein wird ausgestellt und der Fall scheint klar zu sein, bis im Bankschließfach des Verstorbenen ein Testament gefunden wird. Der Haken: Das Testament ist in der Mitte zerrissen worden. Gilt es damit als widerrufen oder spielt es eine Rolle, dass es dennoch mit anderen Wertsachen sicher in einem Banktresor verwahrt war?

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen