
Prüfungsstoff pur: Das LG Köln zur AGB-Kontrolle, Besitzwille und Eigentum
Beim Umzug entrümpelt – aber wem gehört das gefundene Bargeld, der Schmuck und die Münzen? Das LG Köln beleuchtet in seinem Urteil vom 08.05.2025 (Az. 15 O 56/25) zentrale zivilrechtliche Fragen rund um AGB-Kontrolle, Eigentumsübergang und Besitzwillen. Mit dieser Entscheidung gibt das LG Köln den Prüfungsämtern neuen Klausurstoff, den Du nicht verpassen solltest.
Wem gehört, was übrig bleibt? - Der Fall im Überblick
M lebte mit ihrem Lebensgefährten F gemeinsam in einer Wohnung in Bayern. Nachdem für M und F eine Betreuung angeordnet wurde, entschlossen sie sich, die Wohnung in Bayern aufzulösen und nach Köln zu ziehen. Aufgrund des Gesundheitszustandes der beiden beauftragte die Betreuerin der M ein Entrümpelungsunternehmen zur Entrümpelung der gemeinsamen Wohnung. Hierzu schloss sie mit P einen Vertrag, der eine Vergütung von 2.850,00 Euro für die Entrümpelung vorsah und die allgemeinen Geschäftsbedingungen des P enthielt. Ziffer 8 sah unter anderem folgende Regelung vor:
“Bei all unseren angebotenen Leistungen […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunde) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindliche Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.”
Die Betreuerin des F sah die Wohnung vor der Entrümpelung noch einmal durch und übergab die Wohnungsschlüssel anschließend an P. Während der Entrümpelung fanden P und seine Mitarbeiter Münzen, Schmuck und im Keller einen Koffer, der mit Bargeld in Höhe von 66.500,00 Euro befüllt war. Dem Schmuck kommt dabei ein Verkehrswert von 29.000,00 Euro und den Münzen ein Verkehrswert von 32.000,00 Euro zu. Wegen dieses Mehraufwandes vereinbarte P mit der Betreuerin der M eine Mehrvergütung in Höhe von 2.000,00 Euro. P übergab das Geld sowie den Schmuck und die Münzen im Anschluss an die Betreuer von M und F.
Im Nachgang forderte P die Auszahlung des aufgefundenen Geldes und des Schmucks. Er ist der Ansicht, dass ihm hierauf aufgrund der AGB ein vertraglicher Anspruch zustehe. Außerdem habe die Betreuerin des F bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe ihre Pflicht verletzt. Diesem Begehren kamen M und F jedoch nicht nach.
Daher erhob P Klage vor dem Landgericht Köln und nahm M wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag in Höhe von 100.000,00 Euro in Anspruch. M beantragte die Klage abzuweisen und erhob Widerklage auf Feststellung, dass P auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung gegen sie sowie keine Herausgabeansprüche bezüglich des Schmucks und der Münzen zustehe.
Keine Eigentumsübertragung per AGB - Die Entscheidung des LG Köln
Das LG Köln hat in seiner Entscheidung vom 08.05.2025 (Az. 15 O 56/25) einen Anspruch auf das gefundene Bargeld sowie einen Finderlohn abgelehnt und auf die Widerklage der M festgestellt, dass P auch keine weiteren Zahlungsansprüche sowie Herausgabeansprüche der Münzen und des Schmucks gegenüber M zustehen.
Unwirksame Klausel im Entrümpelungsvertrag
Aus dem Entrümpelungsvertrag stehe dem P laut LG Köln keinerlei Ansprüche zu. Das LG Köln hat die in Ziffer 8 verwendete allgemeine Geschäftsbedingung nämlich für unwirksam erachtet. Grund hierfür sei, dass diese Klausel gegen § 308 Nr. 5 BGB verstoße und daher M unangemessen benachteilige. Aufgrund dieser Regelung werde die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung des Auftraggebers fingiert. Dem Auftraggeber stehe also nicht die Möglichkeit offen, eine ausdrückliche Erklärung abzugeben.
Versteckte vs. erkennbare Gegenstände - so differenziert das Gericht
Das Landgericht hat in seiner Abwägung maßgeblich zwischen erkennbaren und versteckten Wertgegenständen differenziert. Für erkennbare Wertgegenstände hat das Landgericht ein berechtigtes Interesse des Entrümplers daran anerkannt, die Entrümpelung “unbesehen” vornehmen zu können und die zurückgelassenen Gegenstände ohne Prüfung des Inhalts entsorgen zu können. Auch das Interesse daran, den vereinbarten Lohn durch Verwertung der zurückgelassenen Gegenstände aufzubessern, hat das Landgericht zugestanden.
Diese rechtliche Bewertung könne jedoch nicht auf versteckte Gegenstände übertragen werden, etwa für Bargeld oder Schmuck im Spülkasten der Toilette, auf der Rückseite von Schrankwänden. Hierbei handele es sich laut LG Köln um Gegenstände, die selbst bei einer sorgfältigen Durchsicht mit zumutbarem Aufwand oftmals nicht gesehen werden können.
Die in Ziffer 8 verwendete Klausel differenziere gerade nicht zwischen diesen beiden Fällen und sieht insbesondere für verdeckte Gegenstände keine Regelung vor. Dadurch werde das Risiko des Übersehens von Wertgegenständen einseitig auf den Auftraggeber verlagert.
Klausurtipp
Als zusätzliche Möglichkeit bietet es sich an, dass Du in Deine rechtliche Bewertung einen Vorschlag für eine wirksame Klausel einfließen lässt, die die Interessen der Vertragsparteien angemessen berücksichtigt. So zeigst Du Deinem Korrektor, dass Du verstanden hast, wie die beidseitigen Interessen in Einklang gebracht werden können und Du lebensnahe und praktische Lösungen finden kannst. Als Ausgestaltungsmöglichkeit für eine wirksame Klausel käme in Betracht, dass der Entrümpler zur Herausgabe der “versteckten” Gegenstände verpflichtet wird, aber im Gegenzug ein Zusatzhonorar für den Mehraufwand erhält.
Keine Geldwertvindikation über § 985 BGB
Ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat das LG Köln verneint, weil P nicht mehr Eigentümer des Bargeldes ist. Mit der Einzahlung des Bargeldes bei einem Kreditinstitut habe er sein Eigentum am Bargeld verloren, sodass eine Herausgabe über § 985 BGB nicht mehr möglich ist (sog. Geldwertvindikation).
Zur Wiederholung für Dich
Mit § 985 BGB wird der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer einer Sache geschützt. Daher kann über § 985 BGB nur die Herausgabe der Sache selbst verlangt werden (hier also die ursprünglichen Geldscheine) und nicht ein entsprechender Geldwert. Durch die Einzahlung der Geldscheine auf das Konto hat sich allerdings die Erscheinungsform des Geldes geändert, sodass gerade nicht mehr die ursprünglichen Geldscheine herausgegeben werden können.
Eigentümerstellung als Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB
Für einen Anspruch aus § 812 BGB fehle laut den Richter:innen das Prüfungsmerkmal “ohne Rechtsgrund”. P habe der M das Bargeld, die Münzen und den Schmuck vielmehr mit einem Rechtsgrund übergeben, nämlich wegen ihrer Eigentümerstellung. Demnach habe M diese Gegenstände auch nicht auf Kosten des P erlangt.
Warum der Besitzwille trotz Entrümpelung bestehen bleibt
Schließlich lehnte das LG Köln auch einen Anspruch auf Finderlohn gemäß § 971 BGB ab, weil es sich bei den Wertgegenständen nicht um verlorene Gegenstände gehandelt habe. Die Richter:innen haben noch einmal klargestellt, dass M einen generellen Besitzwillen habe, der sich auf alle in ihrer Wohnung befindlichen Wertgegenstände erstrecke. Diesen Besitzwillen gebe M auch nicht durch den Entrümpelungsvertrag mit P auf. Hintergrund der Entrümpelung sei lediglich die nach öffentlichen Recht erforderliche ordnungsgemäße Entsorgung des Wohnungsinhalts.
Ein Ritt durch das BGB - Was Du für Deine Klausur mitnehmen solltest
Du wirst sicherlich schon gemerkt haben, dass Dich das LG Köln mit dieser Lösung einmal quer durchs BGB schickt. Solche Fälle dürften wohl eher zu den etwas anspruchsvolleren Klausuren zählen, weil Du bei solchen Klausuren in der Regel nicht direkt nach Schema F die verschiedenen Anspruchsgrundlagen runter schreiben kannst, wie z.B. bei typischen Klausuren zu Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüchen. Aber auch solche Klausuren bekommst Du gut in den Griff, wenn Du systematisch arbeitest. Hier hilft Dir dann die Einordnung nach Vertrag-Vertrauen-Gesetz.
Prozessual musste sich das LG Köln noch mit der Widerklage der M beschäftigen. Nutze diesen Fall, um noch einmal die Grundsätze zur Widerklage zu wiederholen. Gerade für das zweite Examen sind Klausuren mit einer Widerklage beliebt, weil sie sich schnell und unkompliziert einbauen lässt und Standardprobleme mit sich bringt.
Klausurtipp
Wahrscheinlich dürftest Du schon wissen, dass Du grundsätzlich bei mehreren möglichen Anspruchsgrundlagen in Deiner Klausur nur den sichersten und schnellsten Anspruch prüfen musst, aus dem der Anspruchsinhaber seinen Anspruch ableiten kann. Sollten daneben noch andere Ansprüche bestehen, reicht es oftmals aus, wenn Du dies in einem Satz am Ende Deiner Klausur feststellst. Eine umfassende Prüfung ist dann entbehrlich und wird Dir in der Regel keine zusätzlichen Punkte geben. Es sei denn, dass bei einem der anderen Ansprüche noch ein “Problem” liegt, dass Du Dir abschneiden würdest, wenn Du diesen Anspruch nicht gutachterlich durchprüfst. Dann solltest Du diesen Anspruch problemorientiert in der gebotenen Kürze besprechen.
Bei Klausuren, in denen Dein Anspruchsteller keinen Anspruch hat, gilt allerdings etwas anderes. In diesen Fällen musst Du alle in Betracht kommenden Ansprüche gutachterlich prüfen und das Prüfungsmerkmal benennen, an dem der Anspruch scheitert. Bei solchen Klausuren besteht dann die Schwierigkeit, dass Du alle denkbaren Ansprüche erkennst und schon hiermit Deinem:r Korrektor:in Deine juristische Expertise zeigst. So auch in diesem Fall.
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