Kauf einer unerkannt trächtigen Stute

Kauf einer unerkannt trächtigen Stute

Wird das Eigentum am Fohlen miterworben?

Es kommt nicht von ungefähr, dass Pferde und Gebrauchtwagen bei Juristen:innen gefürchtet sind. Erfahrungsgemäß ziehen diese Kaufverträge oft unliebsame juristische Probleme mit sich und verlaufen in der Praxis selten reibungslos. Daher sind solche Sachverhalte bei vielen Prüfungsämtern gerne ein Dauerbrenner. Die aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg vom 11.09.2024 (Az. 8 U 36/24) zeigt jedoch, dass Du solche Sachverhalte mit Deinem juristischen Handwerkszeug und einer schematischen Herangehensweise gut lösen kannst.

Was ist passiert?

Der zugrunde liegende Sachverhalt ist überschaubar. Die Stute F wurde von ihrer vorherigen Eigentümerin als Leihstute gebraucht. In diesem Zuge wurde der Stute eine befruchtete Eizelle aus der genetischen Mutterstute G eingesetzt. Eine tierärztliche Untersuchung stellt jedoch fest, dass die Stute F diese befruchtete Eizelle verloren hat. Die vorherige Eigentümerin verkaufte die Stute F anschließend. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrages ging sie davon aus, dass die Stute F nicht trächtig war. Die Stute F gebar jedoch einige Zeit nach dem Kaufvertrag und der Übergabe an den neuen Eigentümer ein Hengstfohlen. Dieses Fohlen stammte aus der befruchteten Eizelle der Mutterstute G, welche der Stute F zuvor eingesetzt worden war. Nach Geburt des Fohlens verlangte der Eigentümer der Mutterstute G nun die Herausgabe des Fohlens und erhob Klage vor dem Landgericht. Da das Landgericht die Klage zurückwies, legte der Kläger Berufung vor dem OLG Oldenburg ein, welche ebenfalls vom Gericht zurückgewiesen wurde.

Rechtlicher Hintergrund

Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Berufungsgericht sind der Überzeugung, dass der Käufer mit dem Eigentumserwerb an der Stute F auch das Eigentum an dem Fohlen erlangte, auch wenn dieses erst nach Abwicklung des Kaufvertrages und der Übergabe geboren wurde. Ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB des Eigentümers der Mutterstute G bestehe damit nicht.

Seine rechtliche Bewertung stützt das Berufungsgericht maßgeblich auf die Rechtsfolge der §§ 93, 90a BGB. Demnach können wesentliche Bestandteile einer Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Der Embryo wurde laut Gericht mit der Nidation in die Gebärmutter der Stute F wesentlicher Bestandteil der Stute. Daher verlor der Embryo zu diesem Zeitpunkt seine Eigenständigkeit und somit auch seine Sonderrechtsfähigkeit. Die Rechtsfolge für Verbindungen mit beweglichen Sachen ergibt sich nun aus § 947 BGB. § 947 II BGB regelt hierzu: „Ist eine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum.“

Das OLG Oldenburg hob in seiner Urteilsbegründung noch einmal hervor, dass die Einordnung einer Sache als wesentlicher Bestandteil laut BGH maßgeblich nach der Verkehrsanschauung beurteilt werde. Fehle eine solche Verkehrsanschauung, sei die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters maßgeblich. Unter Zugrundelegung der Legaldefinition des § 93 BGB sehe die Verkehrsanschauung demnach die austragende Stute und den Embryo nicht als zwei unabhängige Sachen an laut Berufungsgericht. Dies resultiere daraus, dass der Embryo bei einer Trennung von der Stute nämlich keine Überlebenschancen gehabt hätte und abgestorben wäre. Das Muttertier war somit wesentlich für die Entstehung des Lebens, auch wenn die Verbindung zu dem Embryo nur 11 Monate andauerte. Die Stute werde nach der Verkehrsanschauung auch nicht lediglich als „Brutkasten“ angesehen, so das OLG Oldenburg. Für die Verkehrsanschauung sei außerdem unerheblich, wie die Trächtigkeit bewirkt wurde. Die Voraussetzungen für eine Einstufung des Embryos als wesentlicher Bestandteil gemäß § 93 BGB seien demnach gegeben.

Prüfungsrelevanz

Diese Entscheidung zeigt beispielhaft, wie einfach sich BGB AT, Schuldrecht AT, Schuldrecht BT und Sachenrecht in einem Sachverhalt kombinieren lassen. Je nachdem, wie der Sachverhalt ausgestaltet wird, kann sich dieser für jeden Schwierigkeitsgrad eignen: Sowohl als Anfängerklausur, als Klausur im Hauptstudium, aber auch als Examensklausur im 1. Examen oder sogar auch für das 2. Examen.

Als Anfängerklausur solltest Du nicht mehr als den oben aufgeführten Sachverhalt erwarten dürfen. Der Schwerpunkt liegt dann auf einer sauberen Prüfung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB und der Eigentumsverhältnisse, die Du wahrscheinlich schon im ersten Semester kennenlernst. Hier kannst Du zeigen, dass Du weißt, wie eine systematische und ordentliche Prüfung aussieht, um festzustellen, wer ursprünglicher Eigentümer war und wie dieser sein Eigentum wieder verloren haben könnte.

Bist Du schon etwas fortgeschrittener und befindest Dich kurz vor einer Schuldrecht BT- Klausur oder sogar kurz vor Deinem 1. Examen, könnte der Sachverhalt z.B. noch um weitere Gewährleistungsrechte angereichert werden: Die Stute F erkrankt beispielsweise auch noch kurze Zeit nach der Geburt des Fohlens. Außerdem könnte im Sachverhalt noch die tierärztliche Untersuchung ausgeschmückt werden, sodass Du noch etwaige Ansprüche der Beteiligten gegen den Tierarzt prüfen müsstest, dem ja offensichtlich ein Untersuchungsfehler unterlaufen ist. Hier solltest Du vor allem die Grundsätze über einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf dem Schirm haben und zumindest ansprechen.

Steht Dein 2. Examen bereits kurz vor der Tür, solltest Du Dir in diesem Zusammenhang noch einmal die Grundsätze über die Nebenintervention gemäß § 66 ZPO anschauen, denn der Tierarzt ist dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht als Nebenintervenient beigetreten. In diesem Fall musst Du in der Zulässigkeit der Klage prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Nebenintervention vorliegen.

Gut zu wissen ist noch, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidung noch einmal betont hat, dass die Sonderrechtsfähigkeit des Fohlens nicht durch die Geburt wieder auflebe. Dies führe zu unklaren Eigentumsverhältnissen, was sachenrechtlichen Grundsätzen widerspreche. Das Sachenrecht sehe gerade keine Sonderregelungen für einzelne Wirtschaftsgüter vor. Die Bedingungen für einen Eigentumsverlust bei beweglichen Sachen sind abschließend in den §§ 932, 937, 946 ff. BGB geregelt. Laut BGH hat auf die Zuordnung des Eigentums eine nachträgliche, natürliche, technische oder wirtschaftliche Entwicklung keine Auswirkungen.

Resümee

Wahrscheinlich hast Du spätestens jetzt gemerkt, warum Prüflinge gerne einen Bogen um diese Themenbereiche machen. Der Vorteil dieser Klausuren dürfte jedoch sein, dass es sich in der Regel um Standardkonstellationen handelt, auf die Du Dich zumindest gut vorbereiten kannst und deren Ansprüche und Problemschwerpunkte Du oftmals schon kennst. Die Herausforderung bei solchen Klausuren ist dann, dass Du nicht zu oberflächlich prüfst und zu schnell über die Schwerpunkte der Klausur hinweg gehst. Bei solchen Standardproblemen kennst Du oftmals die Anspruchsgrundlagen und das Ergebnis schon vor Anfertigung Deiner Lösungsskizze. Aber Achtung: Bei solchen Klausuren liegt die Schwierigkeit nicht schon im Erkennen der richtigen Anspruchsgrundlagen, sondern vielmehr in der Argumentation mit dem konkreten Sachverhalt. Du solltest Dich also nicht nur auf auswendig gelernte Standardargumente beziehen, sondern unbedingt sachverhaltsnah argumentieren und darauf achten, dass Du Dich auf den konkreten Fall einlässt. Dann bist Du für solche Klausuren gut gewappnet.

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