
Gerade im Zusammenhang mit GmbH-Geschäftsführern, die gleichzeitig Alleingesellschafter sind, stellt sich regelmäßig die Frage, ob sie beim Beitritt zu einer Darlehensverpflichtung als Verbraucher handeln oder rein unternehmerisch tätig werden. In einem aktuellen Verfahren hat das OLG Stuttgart diese Frage aufgegriffen. Wie beurteilt das Gericht die Rolle eines Alleingeschäftsführers und -gesellschafters bei der persönlichen Haftungsübernahme? Die folgende Darstellung beleuchtet die Hintergründe zu Verbraucherbegriff, Schuldbeitritt und Widerrufsmöglichkeiten - also klassischer Prüfungsstoff.
Was war passiert?
B war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma A, die sich mit dem Import und Vertrieb von Produkten beschäftigte. Um in der Türkei eine Niederlassung zu gründen, benötigte A finanzielle Mittel zur Hinterlegung einer Kaution bei den türkischen Behörden.
Im Jahr 2019 schloss A deshalb mit C – einer Herstellerin und Vertriebshändlerin von Schmierstoffen – einen Darlehensvertrag über 65.000,00 Euro ab. Die Parteien vereinbarten, dass B persönlich für die Rückzahlung des Darlehens mithaftet.
Nachdem A die fälligen Raten nicht vertragsgemäß zahlte, forderte C sowohl A als auch B zur Begleichung der Restschuld einschließlich Zinsen auf. Weil A weiterhin keine Zahlungen leistete, machte C den gesamten ausstehenden Betrag gegenüber B geltend.
B wehrte sich in der ersten Instanz vor dem LG Stuttgart gegen die Forderung. Er argumentierte, er habe als Verbraucher gehandelt und könne daher seinen Beitritt gemäß §§ 491, 494 BGB widerrufen. Außerdem rügte er eine sittenwidrige Übersicherung nach § 138 BGB.
Das Landgericht Stuttgart verurteilte B zur Zahlung der gesamten Restschuld nebst Zinsen. Gegen das Urteil legte B Berufung beim OLG Stuttgart ein.
Entscheidung des Gerichts
Das OLG Stuttgart (Urteil v. 29. April 2025 – Az. 6 U 139/24) hat die Berufung des B gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart zurückgewiesen. Die Entscheidung konzentriert sich auf drei zentrale Punkte:
1. Anwendbarkeit deutschen Rechts
Zunächst musste sich das Gericht mit der Anwendbarkeit deutschen Rechts befassen und bejahte diese: Die Parteien vereinbarten in § 7 II des Darlehensvertrags deutsches Recht, sodass dieses nach dem Vertragsstatut (Art. 3 Rom I-VO) Anwendung findet.
2. Verbrauchereigenschaft des B
Sodann befasste sich das Gericht mit dem Einwand des B, er habe den Schuldbeitritt als Verbraucher erklärt und könne seinen Beitritt daher gemäß §§ 491 ff. BGB widerrufen.
Für Dich zur Einordnung: Der Schuldbeitritt ist im Gegensatz zur Schuldübernahme (§§ 414 ff BGB) gesetzlich nicht geregelt. Als Vertrag „sui generis“ (§ 311 I BGB) ist er jedoch aufgrund der Privatautonomie möglich. Das Gesetz sieht auch keine verbraucherschützenden Regelungen für den Schuldbeitritt vor. Allerdings werden die §§ 492 ff. BGB analog angewendet: Für den Schuldbeitritt sieht das Gesetz weder ein Widerrufsrecht (§ 495 I BGB) noch eine bestimmte Form (§ 492 BGB) vor, sodass insoweit eine Regelungslücke besteht. Da der Beitretende voll haftet, ohne selbst einen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens zu haben, besteht eine vergleichbare Interessenlage. Er ist daher - unabhängig davon, ob der zugrunde liegende Darlehensvertrag zu gewerblichen Zwecken abgeschlossen wurde - gegenüber dem Hauptschuldner sogar besonders schutzwürdig.
Das Gericht prüft nun die Verbrauchereigenschaft von B und verneint diese:
Keine Privatwillensentscheidung:
Nach § 13 BGB ist Verbraucher, wer ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Entscheidend ist, dass die Haftungsübernahme auf einem eigenständigen Willensentschluss des Geschäftsführers als Privatperson beruht.Geschäftsbezogene Haftungsübernahme:
B handelte jedoch nicht als Privatperson, sondern als wirtschaftlicher Eigentümer von A. Sein Schuldbeitritt diente ausschließlich dem Geschäftsinteresse, das Darlehen für A zu sichern. Ein privater Motivationshintergrund lag nicht vor.
Da B keine Verbrauchereigenschaft habe, könne er sich nicht auf ein Widerrufsrecht analog § 495 I BGB berufen.
3. Keine Sittenwidrigkeit des Schuldbeitritts (§ 138 BGB)
B ergänzte seine Verteidigung mit dem Einwand, der Schuldbeitritt sei wegen krasser finanzieller Überforderung und somit nichtig. Das OLG verwarf auch diesen Einwand:
Abgrenzung zu Haftung naher Angehöriger:
Die Rechtsprechung, die bei privaten Bürgschaften von Angehörigen ein krasses Missverhältnis prüfe, gelte nicht automatisch für Gesellschafter einer GmbH.Legitimes Sicherungsinteresse:
C hatte ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Mithaftung des geschäftsführenden Gesellschafters. Dies war eine übliche Kreditsicherheit, insbesondere weil A ihren Sitz in der Türkei hat und über keine weiteren Sicherheiten verfügte.Fehlende Zwangslage und Missverhältnis:
B handelte bewusst und eigenverantwortlich. Es lagen keine Irreführung, kein Druck und keine seelische Zwangslage vor. Ein krasses Missverhältnis zwischen der Haftungsumme und B’s Leistungsfähigkeit wurde nicht dargetan.
Worauf es in Deiner Klausur ankommt
Die Entscheidung eignet sich hervorragend zur Wiederholung verschiedener Themen. Besonders der IPR-Bezug lässt sich von den Prüfungsämtern problemlos einbauen. Hier kannst Du schon zu Beginn Deiner Klausur leicht Punkte sammeln, wenn Du dieses Thema auf dem Schirm hast. Zudem stellt die analoge Anwendung der §§ 492 ff. BGB auf den Schuldbeitritt einen echten Klassiker im Examen dar. Aber auch hier gilt wieder: Mit entsprechender Vorbereitung kannst Du auch solche Themen gut bewältigen.
Weiterführende Beiträge zu Deiner Klausurvorbereitung
Du möchtest Dein Wissen über Rückzahlungsklauseln und Widerrufsrechte weiter vertiefen? Diese Beiträge könnten Dich ebenfalls interessieren:
Widerruf des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag
Einblick in die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen von Widerrufsrechten bei Schuldbeitritten.BGH: Verbraucherwiderruf und Bürgschaft
Wann können Bürgschaften widerrufen werden und welche Fallstricke gibt es dabei?
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen