Schuldübernahme und Schuldbeitritt

Schuldübernahme und Schuldbeitritt

Das Gesetz kennt zwei Arten der Schuldübernahme: die befreiende (privative) Schuldübernahme und die kumulative Schuldübernahme (= Schuldbeitritt).

Befreiende Schuldübernahme

Befreiende Schuldübernahme bedeutet, dass ein neuer Schuldner an die Stelle des alten Schuldners tritt. Sie führt mithin zu einem Schuldnerwechsel. Der Altschuldner wird von seiner Schuld befreit. 1

Der rechtsgeschäftliche Schuldnerwechsel ist das Gegenstück zum rechtsgeschäftlichen Gläubigerwechsel (Abtretung, §§ 398 ff. BGB). Die Übertragung einzelner Rechte und die Übernahme einzelner Schulden führt aber noch nicht dazu, dass das Schuldverhältnis i.w.S. insgesamt auf einen Dritten übergeht; dafür bedarf einer Vertragsübernahme, die gesetzlich angeordnet sein kann2 oder – bei rechtsgeschäftlicher Vertragsübernahme – das Einverständnis aller Parteien voraussetzt.3

Bei der befreienden Schuldübernahme sind der Neuschuldner und der Gläubiger besonders schutzwürdig. Da der Neuschuldner mit einer Schuld belastet wird, kann die Schuldübernahme nur mit seinem Willen erfolgen. Auch der Gläubiger muss einverstanden sein, weil er einen neuen, ggf. weniger solventen Schuldner erhalten soll. Der Altschuldner ist hingegen nicht schutzwürdig, weil er von seiner Schuld befreit wird. Dieser Interessenlage trägt das Gesetz in den §§ 414, 415 BGB Rechnung. Eine befreiende Schuldübernahme kann auf zwei Wegen erfolgen.

Gemäß § 414 BGB kann eine Schuld durch Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Neuschuldner übernommen werden. Der Altschuldner muss nicht beteiligt werden.

Der Wille des Gläubigers, auf seinen bisherigen Schuldner zu verzichten, muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Der Vertrag zwischen Gläubiger und Neuschuldner bedarf keiner Form, es sei denn, die übernommene Verpflichtung ist formbedürftig.

Ein Vertrag zwischen dem Altschuldner und dem Neuschuldner reicht nicht aus. Hinzukommen muss die Genehmigung des Gläubigers (§ 415 I 1 BGB).

Die Genehmigung4 kann erst erfolgen, wenn der Alt- oder Neuschuldner dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt hat (§ 415 I 2 BGB).5 Bis zur Genehmigung können die Parteien den Vertrag ändern oder aufheben (§ 415 I 3 BGB), weil bis dahin die Rechtsstellung des Gläubigers nicht berührt wird. Wird die Genehmigung erteilt, wirkt sie auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück (§ 184 I BGB). Sie kann formfrei sowohl dem Alt- als auch dem Neuschuldner gegenüber erklärt werden (§ 182 BGB). Bei Verweigerung der Genehmigung gilt die Schuldübernahme als nicht erfolgt (§ 415 II 1 BGB). Tritt der Schuldnerwechsel nicht ein, ist der Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner im Zweifel als Erfüllungsübernahme auszulegen (§§ 415 III, 329 BGB). Alt- oder Neugläubiger können dem Gläubiger bei oder nach der Mitteilung nach § 415 I 2 BGB eine Frist zur Erklärung über die Genehmigung setzen (§ 415 II 2 Hs. 1 BGB), um so den Schwebezustand zu beenden; wird die Genehmigung dann nicht bis zum Ablauf der Frist erklärt, so gilt sie als verweigert (§ 415 II 2 Hs. 2 BGB). Die Genehmigung kann – wie jede Willenserklärung – ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Bloßes Schweigen reicht grundsätzlich nicht (Ausnahme: § 416 BGB).

Die dogmatische Konstruktion der Schuldübernahme nach § 415 BGB ist unklar. Die h. M. erblickt in dem Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner eine Verfügung des Nichtberechtigten über die Forderung des Gläubigers, welcher dieser als Berechtigter nach § 185 II 1 BGB genehmigt (Verfügungstheorie).6

Liegen die Voraussetzungen der befreienden Schuldübernahme vor, tritt der Neuschuldner an die Stelle des Altschuldners (vgl. § 414 BGB). Durch den Schuldnerwechsel wird die Forderung des Gläubigers nicht verändert. Deshalb kann der Neuschuldner dem Gläubiger alle Einwendungen entgegensetzen, die sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Altschuldner ergeben (§ 417 I 1 BGB). Mit einer dem Altschuldner zustehenden Gegenforderung kann der Neuschuldner allerdings nicht aufrechnen (§ 417 I 2 BGB), weil die übernommene Schuld sonst aus dem Vermögen des Altschuldners getilgt würde.

Die „Einwendungen“ (gemeint sind neben rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen auch rechtshemmende Einreden) müssen aber im Zeitpunkt der Schuldübernahme begründet sein. Dazu reicht es aus, dass sie vor der Übernahme ihrem rechtlichen Grunde nach im Schuldverhältnis bereits angelegt waren.7

Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner kann der Neuschuldner dem Gläubiger nicht entgegenhalten (§ 417 II BGB).

Nicht von § 417 BGB erfasst sind Einwendungen des Neuschuldners aus dessen Beziehung zum Gläubiger. Diese kann der Neuschuldner dem Gläubiger aber dennoch (unabhängig von § 417 BGB) entgegenhalten.

§ 418 I BGB schützt die Sicherungsgeber bei der befreienden Schuldübernahme und ordnet an, dass Bürgschaften und Pfandrechte (an beweglichen Sachen) erlöschen (§ 418 I 1 BGB) und eine Hypothek auf den Eigentümer übergeht (§§ 418 I 2, 1168 I BGB), sofern der Sicherungsgeber nicht einwilligt (§ 418 I 3 BGB). Der Gläubiger verliert diese akzessorischen Sicherungsrechte, ist aber auch nicht schutzwürdig, weil eine Schuldübernahme ohne seine Zustimmung nicht möglich ist (§§ 414, 415 BGB).

§ 418 BGB gilt analog für die (akzessorische) Vormerkung.8 Ein mit der Forderung für den Fall des Insolvenzverfahrens verbundenes Vorzugsrecht kann nicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Übernehmers geltend gemacht werden (§ 418 II BGB). Dies dient dem Schutz der anderen Gläubiger des Neuschuldners, hat aber keine praktische Bedeutung, weil die früheren Vorzugsrechte (§§ 61, 62 KO) mittlerweile abgeschafft sind (§§ 38, 39 InsO).

Kumulative Schuldübernahme

Kumulative Schuldübernahme bedeutet, dass der Altschuldner nicht von der Schuld befreit wird, sondern dass der Neuschuldner neben den Altschuldner tritt (Schuldbeitritt).9 Hierdurch entsteht eine Gesamtschuld gemäß §§ 421 ff. BGB.10 Zu unterscheiden sind der vertragliche und der gesetzliche Schuldbeitritt.

Beim vertraglichen Schuldbeitritt erhält der Gläubiger durch Vertrag neben dem bisherigen Schuldner noch eine weitere Person als Schuldner. Er ist gesetzlich nicht geregelt, als reiner Verpflichtungsvertrag aber nach § 311 I BGB zulässig.11

Der Vertrag kann – wie bei der befreienden Schuldübernahme – entweder zwischen dem Beitretenden und dem Gläubiger oder zwischen dem Altschuldner und dem Beitretenden geschlossen werden. Im zweiten Fall ist – anders als bei der befreienden Schuldübernahme – eine Mitwirkung des Gläubigers aber nicht erforderlich, weil seine Rechtsstellung nur verbessert wird. Der Beitretende kann gemäß § 417 I 1 BGB analog die Einwendungen, die in der Person des Altschuldners bis zum Schuldbeitritt entstanden sind, gegenüber dem Gläubiger geltend machen. Für später entstehende Einwendungen des Altschuldners gelten die §§ 422 – 425 BGB.

Der vertragliche Schuldbeitritt ist von der Bürgschaft (§§ 765 ff. BGB) zu unterscheiden. Der Bürge verpflichtet sich, für eine fremde Schuld einzustehen. Demgegenüber übernimmt der Beitretende beim Schuldbeitritt die Schuld als eigene. Daraus folgt u.a., dass der Bürge durch das Schriftformerfordernis des § 766 BGB gewarnt wird, während sich der Beitretende, der regelmäßig eigene rechtliche oder wirtschaftliche Interessen verfolgt, formlos verpflichten kann.

Fälle des gesetzlichen Schuldbeitritts finden sich insbesondere in den §§ 613a I, II; 2382 BGB sowie den §§ 25 I 1, 28 I 1, 130 HGB.


  1. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 35 Rn. 1 – 18.
  2. Beispiele: §§ 566, 613a, 1251 II BGB.
  3. BGH, Urt. v. 20.06.1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 94 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 845.
  4. Entgegen dem Wortlaut des § 415 BGB genügt neben der (nachträglichen) Genehmigung des Gläubigers nach § 184 BGB auch die (vorherige) Einwilligung nach § 183 BGB. Die „Genehmigung“ ist bei § 415 BGB also als Zustimmung (§ 182 BGB) zu verstehen. Im Falle der Einwilligung des Gläubigers ist die Mitteilung gemäß § 415 I 2 BGB entbehrlich (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 415 Rn. 3).
  5. Ohne eine solche Mitteilung ist die Genehmigung des Gläubigers, der auf andere Weise von dem Schuldübernahmevertrag erfahren hat, wirkungslos.
  6. BGH, Urt. v. 08.12.1959 – VIII ZR 134/58, BGHZ 31, 321, 326; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 845.
  7. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 417 Rn. 2.
  8. Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 418 Rn. 1.
  9. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 35 Rn. 19 – 25.
  10. BGH, Urt. v. 06.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314, 317; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, Vor § 414 Rn. 6.
  11. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, Vor § 414 Rn. 2.