
Hunde sind aus Deiner Prüfungsvorbereitung ebenso wenig wegzudenken wie Pferde. Anders als bei Pferden geht es bei Hunden zumindest juristisch meistens um die Haftung für die Tiergefahr. So auch in diesem Fall. Hierbei stand dieses Mal die Frage im Vordergrund, ob ein hilfsbereiter Nachbar, der die Gassirunde übernahm, für eine Kollision eines Radfahrers mit dem Hund haften muss. Ist überhaupt ein Haftungsausschluss möglich und ab wann ist man bereits als Tierhalter oder Tieraufseher anzusehen? Mit diesen prüfungsrelevanten Fragen hat sich das Landgericht Koblenz in dieser Entscheidung vom 04.03.2025 (Az. 13 S 45/24) beschäftigt und zeigt Dir noch einmal anschaulich das Haftungsregime für Tiere auf.
Haftung bei Unfall zwischen Fahrradfahrer und Hund
A führte den Hund seines Nachbarn B zum Spazierengehen aus. Hierbei wählte A einen Weg, der sowohl als Fußgänger- als auch als Radfahrweg ausgezeichnet war. Während des Spaziergangs leinte A den Hund an einer ca. zwei Meter langen Leine an. C befuhr ebenfalls mit seinem Fahrrad diesen Weg. Als sich C dem A und dem Hund von hinten mit relativ hoher Geschwindigkeit näherte, kreuzte der Hund unerwartet den Fahrweg des C. C machte zuvor nicht mit Klingelzeichen auf sich aufmerksam. C konnte aufgrund seiner Geschwindigkeit nicht mehr rechtzeitig bremsen, kollidierte mit dem Hund und überschlug sich mit seinem Fahrrad. Das Fahrrad des C wurde bei diesem Unfall beschädigt. Diesen Schaden wollte C von A ersetzt bekommen. Nachdem dieser nicht zahlte, erhob C vor dem LG Koblenz Klage. C ist der Ansicht, dass A die Leine nicht kurz genug gehalten habe und daher grob fahrlässig gehandelt habe. A sei als Halter des Hundes anzusehen und müsse daher für den Schaden haften.
Tierhalter oder Tieraufseher? – Abgrenzung und Haftung nach § 833 und § 834 BGB
Als lex specialis sieht der Gesetzgeber für solche Fälle die Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB und die Haftung als Tieraufseher i.S.d. § 834 BGB vor. Unterschied zwischen diesen beiden Haftungstatbeständen ist die Art der Haftung. Der Gesetzgeber hat die Tierhalterhaftung nämlich als Gefährdungshaftung ausgestaltet. Der Tierhalter kann sich also nicht für sein Verhalten entlasten, während der Tieraufseher einen solchen Beweis führen kann. Haftungsgrund des Tieraufsehers ist nämlich die vertragliche Haftungsübernahme für den Vierbeiner.
Eine Gefährdungshaftung als Tierhalter gemäß § 833 S. 1 BGB scheidet laut LG Koblenz schon nach der Definition des Begriffs “Tierhalter” aus. Denn hierfür ist vor allem entscheidend, wer das wirtschaftliche Risiko für das Tier trägt und für die Kosten aufkommt. Dies trage A laut LG Koblenz gerade nicht, denn A habe den Hund seines Nachbarn lediglich ab und zu zum Spazieren ausgeführt. Eine Kostenübernahme sei damit nicht verbunden.
Abgrenzung: Bloße Gefälligkeit oder Tieraufseherhaftung?
Für die Frage, ob A nun als Tieraufseher gemäß § 834 BGB haftet, ist maßgeblich, ob A mit seinem Nachbarn einen Vertrag über das Spazierengehen und die damit verbundene Haftungsübernahme geschlossen hat. Hierfür müsste A allerdings mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben. Das Landgericht Koblenz verneint diesen Rechtsbindungswillen bei A und sieht die Übernahme des Spazierengehens mit dem Hund als bloße Gefälligkeit an. Eine Haftung aus § 834 BGB scheidet demnach aus.
In Deiner Klausur solltest Du an dieser Stelle nun eine umfassende Abwägung und Argumentation vornehmen, denn hier liegt u.a. ein Schwerpunkt des Falls. Damit Dir dies gelingt, solltest Du hier konsequent und präzise im Gutachtenstil arbeiten. Denke daran, dass für die Abgrenzung die Interessen der Geschäftsherren ausschlaggebend sind. Das Landgericht sah im Spazierengehen eine bloße Gefälligkeit des alltäglichen Lebens, bei der regelmäßig der Rechtsbindungswille fehle. Unerheblich sei dabei, dass A bereits einige Male vor dem Unfall das Spazierengehen übernommen habe. Hieraus könne man nicht den Schluss ziehen, dass A stillschweigend die Haftung für den Hund übernommen habe.
Verschulden und Beweislast nach § 823 BGB – Fahrlässigkeit des Gassigehers?
Im Anschluss daran hat das LG Koblenz noch eine Haftung aus dem deliktischen Grundtatbestand des § 823 I BGB geprüft. Problematisch war hier, ob A ein Verschuldensvorwurf trifft. Anders als bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch kann im Rahmen von § 823 BGB das Verschulden nämlich nicht nur vermutet werden, sondern muss positiv bewiesen sein. Hier liegt der nächste Schwerpunkt des Falls.
A trifft ein Verschulden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Vorliegend ist A mit dem Hund über einen Weg spaziert, der sowohl Fußgängern als auch Radfahrern gewidmet war. Während des Spaziergangs leinte A den Hund an und führte ihn an einer weniger als 2 Meter langen Leine. Aus diesem Geschehen könne laut Landgericht kein fahrlässiges Handeln des A geschlossen werden.
A verwendete eine normale Hundeleine und gerade keine Schleppleine. Aufgrund dessen, dass es sich um einen gemischt genutzten Weg handelte, musste A den Hund gerade nicht bei Fuß führen, also an einer extrem kurzen Leine halten. Außerdem habe sich der Radfahrer von hinten mit einer relativ hohen Geschwindigkeit genähert, sodass A den Radfahrer auch nicht habe kommen sehen können und die Leinenlänge situationsbedingt habe verkürzen können. Zudem sei zu beachten, dass Radfahrer auf gemeinsamen Geh- und Radwegen besonders rücksichtsvoll fahren müssten, so das Gericht. Die Verantwortung, sich durch Klingelzeichen bemerkbar zu machen und so Kontakt zu dem Fußgänger aufzunehmen, liege bei den Radfahrern. Ist dies nicht möglich, müssten Radfahrer durch Anpassung der Geschwindigkeit ein jederzeitiges Anhalten ermöglichen.
C als Radfahrer habe vorliegend weder durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam gemacht, noch seine Geschwindigkeit erheblich gedrosselt. Ihm war es gerade nicht möglich gewesen, sofort anzuhalten. Ein Verschulden könne A demnach nicht positiv nachgewiesen werden.
Gefälligkeitsverhältnis oder Vertrag?- Rechtsbindungswille beim Gassigehen
Auch wenn dieser Fall auf den ersten Blick unspektakulär und unscheinbar wirkt, behandelt er typische Klausurprobleme, die Du schon im ersten Semester lernst. Dieser Fall zeigt Dir, dass auch bei Schadensersatzansprüchen kraft Gesetzes die Problematik rund um den Rechtsbindungswillen relevant werden kann. Um hier sattelfest zu sein, solltest Du bei dem Begriff “Gefälligkeitsverhältnisse” die verschiedenen Ausprägungen wie z.B. die bloße Gefälligkeit oder den Gefälligkeitsvertrag auf dem Schirm haben. Der Rechtsbindungswille wird hier gemäß §§ 133, 157 BGB analog nach dem objektiven Empfängerhorizont ermittelt. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, wenn Du noch einmal wiederholst, nach welchen Kriterien der Rechtsbindungswille ermittelt wird.
Hierbei sind z.B. die Entgeltlichkeit, die wirtschaftliche Bedeutung, die Art der Gefälligkeit und der Zweck maßgebliche Anknüpfungspunkte. Merke Dir, dass einige Gefälligkeitsverträge wie z.B. bei der Schenkung, der Leihe und der Verwahrung Haftungsprivilegierungen mit sich ziehen.
Verschuldensprüfung in Deiner Klausur: Unterschiede zwischen den verschiedenen Haftungsarten
Außerdem kannst Du mit diesem Fall noch einmal die verschiedenen Arten der Verschuldenshaftung wiederholen. Mach Dir bewusst, dass der Gesetzgeber gerade für den Straßenverkehr gerne mal eine Gefährdungshaftung vorsieht. Die Verschuldensvermutung, wie sie bei den vertraglichen Schadensersatzansprüchen vorgesehen ist, kannst Du nicht ohne weiteres auf die gesetzlichen Ansprüche übertragen.
Weiterführende Beiträge für Deine Klausurvorbereitung:
Dieser Fall hat Dir gezeigt, wie subtil die Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Haftung verlaufen kann. Wenn Du Dein Wissen noch weiter ausbauen und typische Prüfungsprobleme noch tiefer verstehen willst, solltest Du Dir auch diese Entscheidungen ansehen:
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