BGH zum versuchten (Juwelen-)Diebstahl mit zuvor entwendetem Fahrzeug

BGH zum versuchten (Juwelen-)Diebstahl mit zuvor entwendetem Fahrzeug

Stellt das Fahrzeug ein “gefährliches Werkzeug” bei der Tatausführung dar?

Die Erwägungen des 4. Strafsenats zur Beantwortung der Frage, ob die Täter durch Verwendung des Fahrzeugs (Fahrt gegen Schaufenster des Juweliergeschäfts) auch den Qualifikationstatbestand nach § 244 I Nr. 1a Alt. 2 StGB verwirklicht haben, sind äußerst prüfungsrelevant. Nicht minder interessant ist auch die Frage, ob sie durch die anschließende Fluchtfahrt gefährlich in den Straßenverkehr eingegriffen haben (Stichwort: Pervertierung des Straßenverkehrs).

A. Sachverhalt

Der R und der S halten sich eines Nachmittags an einem Baggersee auf. R beobachtet dort, wie der D seinen Pkw in der Nähe des Sees abstellt und die Insassen das Fahrzeug verlassen. Dabei bemerkt R, dass die Beifahrertür nicht verschlossen ist, und fasst den Entschluss, das Fahrzeug wegzunehmen, um damit einen bereits zuvor gefassten Tatplan umzusetzen, mit dem Auto gegen die Scheibe eines Juweliergeschäfts zu fahren, um Schmuck und wertvolle Uhren an sich zu bringen. Dabei ist ihm bewusst, dass das Fahrzeug dadurch beschädigt und nicht ohne eine erhebliche Wertminderung an den D zurückgelangen würde, was er billigend in Kauf nimmt. Er teilt dem S mit, dass die Beifahrertür des Fahrzeugs nicht verschlossen sei. Sodann begeben sich beide zu dem Fahrzeug. R öffnet die nicht verschlossene Beifahrertür, durchsucht den Wagen und findet im Handschuhfach einen Ersatzschlüssel. Er setzt sich auf den Fahrersitz, um mit dem Auto wegzufahren. Der S setzt sich auf den Beifahrersitz und beide fahren gemeinsam auf die Autobahn. S weiß zu diesem Zeitpunkt von dem geplanten Überfall auf das Juweliergeschäft noch nichts. R stellt das Fahrzeug auf einem Parkplatz ab und beide entfernen sich zunächst. Drei Tage später kehren sie zurück, und zwar in einem Fahrzeug der K, das mit einem litauischen Kennzeichen ausgestattet ist. Der S entfernt von einem anderen dort geparkten Pkw die Kfz-Kennzeichen und bringt diese an dem Pkw der K an, sodass dieser den Anschein erweckt, mit einem örtlichen Kennzeichen ausgestattet zu sein. Dieses Fahrzeug soll als Fluchtwagen nach dem Überfall auf das Juweliergeschäft dienen. Im Anschluss daran fahren R und S in dem entwendeten Pkw des D in die Innenstadt. K folgt ihnen in ihrem Fahrzeug und stellt dieses absprachegemäß mit laufendem Motor an einer Einfahrt in der Fußgängerzone ab, in der sich das Juweliergeschäft befindet. R fährt mit dem Fahrzeug des D langsam in die Fußgängerzone ein. Als er das Geschäft gegen 14.15 Uhr erreicht, hupt er, um Passanten zu warnen, und lenkt das Auto in einem „ausholenden Bogen“ in Form einer Rechtskurve in Richtung der Fensterfront des Ladenlokals. Dabei beschleunigt er es auf ca. 25 km/h, indem er das Gaspedal vollständig durchtritt, und fährt auf den verglasten Schaufensterbereich zu.

Der Wagen trifft mit der Fahrzeugfront leicht schräg auf die Scheibe. R und S handeln dabei in der Absicht, diese zu zerstören, um dem S zu ermöglichen, an die in der Auslage liegenden Schmuckstücke und Uhren zu gelangen, sie in einem Rucksack und einer Schultertasche vom Tatort wegzuschaffen und später gewinnbringend zu verkaufen. Die Schaufensterscheibe, die mit Panzerglas ausgestattet ist, hält dem Aufprall jedoch stand; sie wird lediglich teilweise aus ihrer Verankerung gerissen und ein Stück weit eingedrückt, zerbricht jedoch nicht. Die hinter der Scheibe befindliche Auslage samt Uhren und Schmuckstücken wird in den Innenraum des Geschäfts geschleudert; dabei gehen die hinter dem Auslagetresen befindlichen Milchglasscheiben teilweise zu Bruch. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich niemand im Verkaufsraum des Geschäfts. R und S hatten sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, ob sie andere Personen in dem Geschäft damit verletzen könnten. Nachdem sie festgestellt haben, dass die Schaufensterscheibe nicht derart beschädigt ist, dass sie an die Auslegeware gelangen können, verbleiben sie im Fahrzeug. Sie erkennen, dass die Scheibe auch einem zweiten Aufprall standhalten würde, und beschließen zu fliehen. Der R setzt den nach wie vor fahrtüchtigen Pkw zurück und fährt mit max. 50 km/h weiter durch die Fußgängerzone. Währenddessen betätigt er die Hupe des Fahrzeugs, um umstehende Personen zu warnen. Gleichwohl geraten zahlreiche Passanten in Panik und flüchten in unmittelbar angrenzende Geschäfte. R bleibt mit dem Wagen auf der Fahrbahn, ohne den anliegenden Gehweg zu befahren, wo sich zwei Frauen in der Annahme, dass es sich um einen Terroranschlag handle, in Todesangst an die an den Gehweg grenzende Hauswand drängen. Sie blieben beide unverletzt. R fährt sodann aus der Fußgängerzone heraus entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße ein, auf der ihm die W in ihrem Pkw entgegenkommt. Zunächst halten beide Fahrzeuge an. R betätigt die Hupe und die Lichthupe des Fahrzeugs, um die W dazu zu veranlassen, den Weg zu räumen. Als diese jedoch stehen bleibt, fährt R seitlich an ihrem Pkw vorbei. Dabei erkennt er, dass zwischen dessen Fahrertür und einem daneben befindlichen Gebäude nicht genug Platz für das Fahrzeug verbleibt, und streift den Pkw der W an der Fahrerseite. Ferner reißt er mit dem von ihm gelenkten Pkw einen Bauzaun an der Straßenseite um. Dabei nimmt er billigend in Kauf, dass er durch sein Fahrmanöver Schäden an anderen Gegenständen verursachen würde. Am Pkw der W entsteht ein Schaden in Höhe von ca. 2.000 Euro, an den Bauzäunen ein solcher in Höhe von ca. 700 Euro.

Wie haben sich R und S strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Diebstahl, § 242 I StGB (Pkw des D)

R und S könnten sich wegen gemeinschaftlichen Diebstahls nach § 242 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie den Pkw des D an sich nahmen, um diesen für sich zu verwenden. Dazu müssten sie eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen haben, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. R hat den objektiven Tatbestand des Diebstahls erfüllt: er hat das Fahrzeug – eine „fremde beweglichen Sache“ – „weggenommen“, also einen Gewahrsamswechsel „durch Bruch“ herbeigeführt, indem er die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug (durch Besitznahme des Ersatzschlüssels und Einsteigen in den Pkw) gegen den Willen des D erlangt hat.

R hat auch die subjektiven Voraussetzungen des Tatbestandes erfüllt. Er hat das Fahrzeug vorsätzlich (mit Wissen und Wollen) weggenommen und hatte dabei auch Zueignungsabsicht (Aneignungsabsicht und zumindest bedingter Vorsatz hinsichtlich der Enteignung). R wollte das Fahrzeug wegnehmen, um damit seinen zuvor gefassten Tatplan umzusetzen (Fahrt gegen die Scheibe des Juweliergeschäfts) und ihm war bewusst, dass der Pkw dadurch beschädigt und nicht ohne eine erhebliche Wertminderung an den D zurückgelangen würde; es ging ihm hier also nicht nur um eine bloße Gebrauchsanmaßung i.S. eines sog. furtum usus (welche unter den Tatbestand des § 248b I StGB fällt).

S hingegen hat weder objektiv tatbestandsmäßig gehandelt noch hat er subjektiven Voraussetzungen nach § 242 I StGB erfüllt. S hat sich lediglich in dem Wissen, dass die Beifahrertür des Pkw offen ist, auf den Beifahrersitz gesetzt und ist zusammen mit R – als dessen Beifahrer – weggefahren. Auch wusste er zu diesem Zeitpunkt von dem geplanten Überfall auf das Juweliergeschäft noch nichts. Mangels eines gemeinsamen Tatplans i.S. von § 25 II StGB (und einer Tatherrschaft des R bei der Tatausführung des S) sind dem R die Handlungen des S auch nicht als eigene (objektiv) zuzurechnen.

S hat sich damit wegen Diebstahls nach § 242 I StGB strafbar gemacht, R ist insoweit straflos.

Hinweis: S hat aber kein Regelbeispiel i.S.v. § 243 I S. 1 und 2 StGB verwirklicht. Insbesondere für die „Gewerbsmäßigkeit“ des Diebstahls (Nr. 3) fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich S durch die Tatbegehung eine Einnahmequelle von „einigem Umfang und einiger Dauer“ verschaffen wollte. Zu bedenken ist indes, dass der Strafzumessungstatbestand des § 243 I StGB, der den besonders schweren Fall eines Diebstahls unter ein erhöhtes Strafmaß stellt (Höchstmaß von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe anstatt fünf), auch in sog. unbenannten Fällen bejaht werden kann. Dazu der BGH:

„II.2.b)bb). Den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Regelbeispielen kommt zwar nur indizielle Wirkung zu, d.h. bei ihrem Fehlen kann gleichwohl ein (unbenannter) besonders schwerer Fall vorliegen, worüber das Tatgericht auf Grund einer Gesamtbewertung der wesentlichen tat- und täterbezogenen Umstände zu entscheiden hat. (…) die Strafzumessung [ist] auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil dem [R] nicht angelastet worden ist, dass er eigens zur Begehung von Straftaten nach Deutschland eingereist ist (…). Denn das Landgericht hat zum konkreten Zeitpunkt und Zweck der Einreise des [R] keine Feststellungen getroffen. Auch eine gewohnheitsmäßige Begehungsweise (…) in Bezug auf die Entwendung von Kfz-Kennzeichen, die bei fehlender Gewerbsmäßigkeit Anlass zur Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles sein kann (…), ergibt sich aus den Feststellungen nicht.“

Im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB können aber gleichwohl weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die sich hier aus den Umständen der Tatbegehung ergeben. In Betracht kommt etwa der Wert der gestohlenen Sache (Pkw) oder die eingetretene Wertminderung. Dazu der BGH:

„Schließlich leidet die Strafzumessung auch nicht an einem Erörterungsmangel mit Blick darauf, dass das Landgericht den Wert des [PKW] nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Zwar kann es sich beim Wert der gestohlenen Sache um einen für die Strafzumessung beim Diebstahl bestimmenden Grund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handeln (…). Auf die Sachrüge hin ist die Strafzumessung insoweit hier aber nicht zu beanstanden, da der [R] den Pkw nicht dauerhaft in seinen Besitz bringen oder sich seinen Verkehrswert – etwa durch Veräußerung – aneignen, sondern ihn nur bei dem Überfall auf das Juweliergeschäft nutzen wollte, wobei er billigend in Kauf nahm, dass das Fahrzeug nicht ohne erhebliche Beschädigung und Wertminderung an den Eigentümer zurückgelangen würde. Ergibt sich unter diesem Aspekt eines mangelnden Rückführungswillens die Zueignungsabsicht des Täters (…), begegnet es keinen Bedenken, wenn das Tatgericht zur Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts lediglich auf die infolge der Tat eingetretene Wertminderung abstellt.“

II. Beihilfe zum Diebstahl, §§ 242 I, 27 StGB (Pkw des D)

Fraglich ist, ob sich R in Bezug auf die Entwendung des Pkw des D wegen Beihilfe zum Diebstahl nach §§ 242 I, 27 StGB strafbar gemacht hat. Dazu müsste er vorsätzlich einem anderen (dem S) zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat (Diebstahl) Hilfe geleistet haben. Dazu der BGH:

„II.2.d)aa) Das Landgericht hat den [S] vom Vorwurf der Beihilfe zum Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB freigesprochen, da es nicht die Überzeugung gewonnen hat, dass er bei dem Diebstahl des Pkw des [D] durch den [R] mitwirkte. Er habe lediglich in Kenntnis des Vorhabens des [R], das Fahrzeug wegzunehmen, auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Die Einlassung des [R], dass sie beide gemeinsam die Fahrzeugtür geöffnet, das Auto durchsucht und im Handschuhfach den Zweitschlüssel gefunden hätten, sei nicht geeignet, die Angaben des [S] zu widerlegen. Dass dieser dem Vorhaben des [R] nicht widersprochen und sich auf den Beifahrersitz gesetzt habe, reiche für die Annahme psychischer Beihilfe nicht aus.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht, um die Annahme einer Beihilfe zu tragen (…). Ein „Dabeisein“ kann die Tatbegehung im Sinne eines aktiven Tuns zwar auch fördern oder erleichtern, wenn die „Billigung der Tat“ gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Dafür bedarf es jedoch sorgfältiger Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (…).

Dass das Landgericht bereits einen entsprechenden objektiv tatfördernden Beitrag des [S] nicht hat feststellen können, ist unter Berücksichtigung des insoweit geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (…) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Einziger Anhaltspunkt dafür war die Einlassung des [R], der die Strafkammer nachvollziehbar nicht gefolgt ist, nachdem sie diese bereits in anderen Punkten für widerlegt gehalten hat. Ansätze für eine weiter gehende Sachaufklärung, die das Landgericht im Rahmen seiner Kognitionspflicht aus § 264 Abs. 2 StPO hätte wahrnehmen müssen, zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.“

R hat sich damit auch nicht wegen Beihilfe zum Diebstahl (§§ 242 I, 27 StGB) strafbar gemacht.

III. Diebstahl, § 242 I StGB (Kennzeichen)

S und R haben sich aber wegen gemeinschaftlichen Diebstahls nach § 242 I StGB strafbar gemacht, indem sie drei Tage später auf dem Parkplatz von einem dort geparkten Pkw die Kfz-Kennzeichen entfernt und an dem Pkw der K angebracht haben. Zwar hat nur S, der die Kennzeichen abmontiert hat, den objektiven Tatbestand (Wegnahme) erfüllt. R muss sich dessen Tathandlung aber als eigene über § 25 II StGB objektiv zurechnen lassen. Beide hatten den gemeinsamen Tatplan, das Fahrzeug der K als Fluchtwagen für den „Einbruch“ in das Juweliergeschäft zu nutzen und wollten dies durch die Verwendung der fremden Kfz-Kennzeichen ermöglichen bzw. die Identität verschleiern. S und R hatten damit hier jeweils Vorsatz sowie die Absicht, sich die Sachen rechtswidrig zuzueignen.

IV. Urkundenfälschung, § 267 I StGB (Kennzeichen)

Ferner haben sich S und R durch das Anbringen der fremden Kennzeichen an den Pkw der K wegen gemeinschaftlich begangener Urkundenfälschung nach §§ 267 I, 25 II StGB strafbar gemacht.

S und R haben mit der Montage der „falschen“ Kennzeichen an das Fahrzeug der K eine unechte zusammengesetzte Urkunde i.S.v. § 267 I Var. 1 StGB hergestellt. Bei dem mit einer Stempelplakette der Zulassungsstelle versehenen an dem Kraftfahrzeug, für das es zugeteilt ist, angebrachten Kraftfahrzeugkennzeichen (§§ 18 I, 23 StVZO) handelt es sich um eine (zusammengesetzte) Urkunde i.S. des § 267 I StGB; das Kennzeichen verkörpert die Erklärung der Zulassungsstelle als Ausstellerin, dass das Fahrzeug unter diesem Kennzeichen für einen bestimmten, im Fahrzeugregister eingetragenen Halter (§ 33 StVG) zum öffentlichen Verkehr zugelassen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21.9.1999 - 4 StR 71/99). Das Anbringen eines fremden Fahrzeugkennzeichens an einem Auto – hier durch S und R – ist als „Herstellen“ einer unechten (zusammengesetzten) Urkunde (§ 267 I, 1. Var. StGB) zu werten (BGH, Beschl. v. 24.4.2018 − 5 StR 85/18 ).

S und R haben von der unechten Urkunde zudem auch zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht (§ 267 I Var. 3 StGB), indem die K das mit dem fremden Kennzeichen versehene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte und dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Verkehrsüberwachung befassten Polizeibeamten die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglichte (vgl. BGH, a.a.O.). Unerheblich ist, dass S und R nicht vorhatten, dass manipulierte Fahrzeug selbst zu nutzen. Der Täter muss nicht in der Vorstellung handeln, die unechte Urkunde selbst unmittelbar zu Täuschungszwecken zu verwenden; insofern genügt vielmehr die Annahme, ein Dritter werde dies tun.

V. Sachbeschädigung, § 303 I StGB (Pkw des D)

Soweit R und S den Pkw des D in das Juweliergeschäft gelenkt haben, haben sie sich wegen gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung nach § 303 I StGB strafbar gemacht. R hatte spätestens zu Beginn der Fahrt mit dem Fahrzeug des D – ebenso wie von Beginn an der S – den (bedingten) Vorsatz, diesen Pkw zu beschädigen; beide haben zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Fahrzeug beim Auftreffen auf die Fensterscheibe des Juweliergeschäfts eine nicht unerhebliche körperliche Einwirkung erfährt, durch die seine stoffliche Zusammensetzung verändert bzw. seine Unversehrtheit derart beeinträchtigt wird, dass die bestimmungsgemäße Gebrauchsfähigkeit gemindert ist.

Hinweis: Die Sachbeschädigung ist nicht nur ein sog. relatives Antragsdelikt (§ 303s StGB); dessen Verfolgung setzt also entweder einen form- und fristgemäßen Strafantrag des Verletzten voraus oder die Strafverfolgungsbehörden bejahen das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Der Tatbestand gehört auch zu den sog. Privatklagedelikten nach den §§ 374 ff. StPO (s. § 374 I Nr. 6 StPO), weswegen eine Verfolgung von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft nur erfolgt, wenn dies im öffentlichen Interesse i.S.v. § 376 StPO liegt (andernfalls besteht ein sog. Verfahrenshindernis und ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ist mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 II StPO einzustellen, verbunden mit der Verweisung des Geschädigten auf den Privatklageweg).

VI. Versuchter Diebstahl, §§ 242 I, 22, 23 I StGB (Juweliergeschäft)

R und S haben sich auch wegen versuchten Diebstahls – in Mittäterschaft – nach §§ 242 I, 22, 23 I StGB strafbar gemacht, indem sie mit dem Pkw in die Fensterscheibe des Juweliergeschäfts gefahren sind. Das Delikt ist nicht vollendet (zu einer Wegnahme von Schmuck und Uhren ist es nicht gekommen) und der Versuch der Tat ist nach § 242 II StGB strafbar. R und S hatten einen entsprechenden Tatentschluss; sie wollten gemeinsam aus dem Juweliergeschäft Schmuck und Uhren wegnehmen und diese für sich verwenden bzw. später gewinnbringend verkaufen. Sie haben mit der Tatausführung auch unmittelbar angesetzt, indem S das Fahrzeug in die Fensterfront gelenkt hat. Damit haben S und der R – dem das Handeln des S im Rahmen des gemeinschaftlichen Tatplans als eigenes objektiv zugerechnet wird – die Schwelle zum „Jetzt geht´s los“ nach ihrer Vorstellung überschritten.

Fraglich ist darüber hinaus aber, ob S und R jeweils auch einen Tatentschluss im Hinblick auf den Qualifikationstatbestand des § 244 I StGB – durch Begehung eines Diebstahls, bei dem sie ein „gefährliches Werkzeug“ bei sich führten (§ 244 I Nr. 1 a) II StGB) – gehabt haben. Als ein solches Werkzeug könnte das zuvor von S entwendete Fahrzeug des D angesehen werden. Dazu der BGH:

„II.2.a)bb)(1) Eine Strafbarkeit wegen eines versuchten Diebstahls mit Waffen hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Denn der von den [S und R] tatplangemäß eingesetzte Pkw des [D] war kein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB.

(a) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht (…). Ein auf die Begehung einer Tat im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB gerichteter Tatentschluss setzt daher voraus, dass bei dem ins Auge gefassten Diebstahl von dem Täter oder einem anderen Beteiligten „ein anderes gefährliches Werkzeug“ mitgeführt werden soll. Ob ein Gegenstand diese Voraussetzungen erfüllt, ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals ist dabei ‒ gerade auch mit Rücksicht auf die Abgrenzung zu den sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB, die erst durch die ihnen von Seiten des Täters in der konkreten Situation beigelegte Zwecksetzung tatbestandsmäßig werden – kein Raum (…). Dabei sind die objektive Bestimmung und die Beschaffenheit des jeweiligen Gegenstands in den Blick zu nehmen. Für die daran anknüpfende Bewertung als „gefährlich“ kommt es maßgeblich darauf an, ob von dem Gegenstand danach eine abstrakte Gefahr ausgeht, die derjenigen einer Waffe im technischen Sinne nahekommt, sodass allein deshalb eine Mitführung dieses Gegenstands bei der Tat als latent gefährlich angesehen werden muss (…). Aus diesem Grund verlieren objektiv gefährliche Werkzeuge diese ihre Eigenschaft nicht dadurch, dass der Täter sie in der konkreten Situation allein zum Aufbruch oder Aufsprengen eines Behältnisses etc. verwenden will (…).

(b) Danach erfüllt das von dem [R] nach seiner Vorstellung von der Tat verwendete Kraftfahrzeug nicht die Voraussetzungen eines gefährlichen Werkzeugs i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB. Denn ein Pkw ist trotz der von ihm ausgehenden erheblichen Bewegungsenergie bei objektiver Betrachtung kein Gegenstand, der dazu bestimmt ist, eine Kraft gegen ein anderes Objekt zu entfalten oder zu verstärken. Er unterscheidet sich dadurch von alltäglichen Werkzeugen wie etwa einem Hammer oder einem Schraubendreher, die schon bei bestimmungsgemäßer Verwendung diesen Zweck haben und sich ohne weitreichende Veränderung der vorgesehenen Einsatzform (Schlagen, auf einen Punkt konzentrierte Druckausübung etc.) verbotenen Waffen ähnlich gegen Menschen einsetzen lassen. Dass sich ein Kraftfahrzeug – wie hier geschehen – unter krasser Pervertierung seines Zwecks als Fortbewegungsmittel auch dazu missbrauchen lässt, Sachen zu zerstören oder Menschen zu verletzen, ändert daran nichts.“

Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 I StGB kommt weder S noch R zugute. Sie haben zwar ihr Vorhaben, Schmuck und Uhren aus dem Juweliergeschäft stehlen zu wollen, aufgegeben und sind weggefahren. Der Versuch des Diebstahls ist aber fehlgeschlagen. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt (BGH, Beschl. v. 5.9.2019 − 4 StR 394/19, Rn. 5). So liegt der Fall hier. S und R haben erkannt, dass die Fensterscheibe des Geschäfts einem zweiten Aufprall des Pkw standhalten würde, weswegen sie das Vorhaben abgebrochen und unverrichteter Dinge geflüchtet sind.

S und R haben sich demnach (lediglich) wegen versuchten (einfachen) Diebstahls strafbar gemacht.

VII. Versuchter (schwerer) Raub, §§ 249 I, (250 I), 22, 23 I StGB (Juweliergeschäft)

S und R haben sich aber nicht wegen versuchten (schweren) Raubes gemäß §§ 249 I, (250 I), 22, 23 I StGB strafbar gemacht, indem sie mit dem Fahrzeug des D in die Fensterfront des Juweliergeschäfts gefahren sind und dort Schmuck und Uhren wegnehmen wollten. Dazu der BGH:

„Ebenso lassen die Feststellungen […] (…) nicht auf einen versuchten (schweren) Raub nach § 249 Abs. 1, (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Fall 2), § 12 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 Fall 1 StGB schließen. Unabhängig davon, ob der von [S und R] verfolgte Plan die Annahme von Gewalt gegen eine Person oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben überhaupt nahelegt, fehlt es zumindest am vorgestellten Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme der Sachen (…). [S und R] wollten im Außenbereich das Diebesgut an sich nehmen, ohne dabei mit zum Juweliergeschäft zugehörigen Personen zu interagieren.“

VIII. Sachbeschädigung, § 303 I StGB (Juweliergeschäft)

S und R haben sich aber wegen Sachbeschädigung nach § 303 I StGB strafbar gemacht, indem sie mit dem Fahrzeug in die Fensterfront gefahren sind und damit die Fensterscheibe beschädigt haben.

IX. Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 224 I Nr. 2, 22, 23 I StGB (Geschäft)

Fraglich ist, ob sich S und R auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß den §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem sie mit dem Fahrzeug in die Fensterfront des Juweliergeschäfts – in dem sich normalerweise Kunden und Mitarbeiter aufhielten – gefahren sind. Dazu müssten S und R einen entsprechenden Tatentschluss gehabt haben. Dazu der BGH:

„(2) Die Beweiserwägungen des Landgerichts, mit denen es einen auf die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung gerichteten Tatentschluss [von S und R] im Sinne von § 223 Abs. 1, Abs. 2, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verneint hat, erweisen sich unter Berücksichtigung des insofern geltenden eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (…) ebenfalls als rechtsfehlerfrei.

Das Landgericht hat dabei insbesondere das Vor- und Nachtatverhalten [von S und R] (…) in den Blick genommen (Warnung der umstehenden Personen durch Hupen) und daraus für den Vorsatz in Bezug auf die Verletzung von Kunden oder Mitarbeitern im Innenraum des Geschäfts einen zulässigen Erweiterungsschluss gezogen. Ferner hat es darauf abgestellt, dass [S und R] das Geschäft vorher zweimal in Augenschein genommen und sich einen Eindruck davon verschafft hatten, dass es seinem Charakter als hochpreisiges Juweliergeschäft nach nur über wenig „Laufkundschaft“ verfügte, und es daher kein Zufall war, dass sich zum Tatzeitpunkt niemand dort aufhielt. Es habe daher keine Situation vorgelegen, in der [S und R] aufgrund der Gefährlichkeit ihres Handelns verständigerweise nicht darauf vertrauen durften, dass niemand verletzt werde. Schließlich spreche gegen einen entsprechenden Tatentschluss auch das tatplangemäße Vorgehen [von S und R], wonach durch das Zufahren mit dem Pkw nur die Scheibe zerstört werden sollte, um den Zugriff auf die Auslagen zu ermöglichen, ohne dass Personen zu Schaden kommen sollten. Jedenfalls in ihrer Gesamtschau tragen diese Erwägungen den Schluss auf den fehlenden Körperverletzungsvorsatz [von S und R], so dass die diesbezügliche Beweiswürdigung nicht als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist.“

S und R haben sich nicht wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht.

X. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, § 315b I Nr. 3 StGB (Passanten)

S und R könnten sich aber wegen (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem sie mit dem Fahrzeug durch die Fußgängerzone flüchteten. Dazu müssten sie die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt haben, dass sie einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff“ im Sinne v. § 315 I Nr. 3 StGB vorgenommen und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet haben (bzw. einen darauf gerichteten Tatentschluss gehabt haben). Dazu der BGH:

„II.2.a)bb)(4) Schließlich kommt (…) ein (vollendeter) gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil von Passanten nicht in Betracht, da sich aus den Urteilsgründen keine Situation ergibt, die einen „Beinahe-Unfall“ im Sinne der Rechtsprechung des Senats darstellt (…). Ein versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB durch das Zufahren auf die Schaufensterscheibe scheitert daran, dass nach der Vorstellung [von S und R] im öffentlichen Verkehrsraum noch keine zumindest abstrakte Gefahr für eines der von dieser Vorschrift geschützten Rechtsgüter begründet worden ist (…).

S und R haben sich also nicht nach § 315b I Nr. 3 (22, 23 I) StGB strafbar gemacht.

Hinweis: Im konkreten Fall war eine Strafbarkeit von R und S wegen Nötigung (§ 240 StGB) und/oder unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) nicht zu prüfen, weil die Staatsanwaltschaft den Verfahrensstoff bereits mit der Anklageerhebung nach § 154a StPO beschränkt hatte. Dazu der BGH:

„Zwar sind ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestimmungen regelmäßig konkret („positiv“) zu bezeichnen. Die Feststellung, das Verfahren werde gemäß § 154 Abs. 1 StPO und/oder § 154a Abs. 1 StPO im Sinne der Anklage beschränkt, entspricht als zu ungenau nicht dem Gesetz (fehlende Rechtssicherheit) und ist daher unwirksam (…).

Hier liegt jedoch ein Fall vor, in dem wegen der Eindeutigkeit des ausgeschiedenen Verfahrensstoffs der Hinweis auf die Anklage ausreicht. Denn es kommt nicht auf die Wortwahl an, sondern darauf, dass die das Ausscheiden bewirkende Prozesshandlung keinen Zweifel darüber lässt, in welchem Umfang Tatteile oder Gesetzesverletzungen nach dem Willen der zuständigen Strafverfolgungsbehörde nicht weiterverfolgt werden sollen (…). In der Anklageschrift sind die Sachverhalte, welche die Tatvorwürfe sowohl der Nötigung zum Nachteil der Passanten und der [W] als auch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach der Kollision mit dem Pkw der [W] und dem Bauzaun begründen, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht klar umrissen. Zugleich ergibt sich aus dem Anklagesatz eindeutig, dass diesbezüglich nur eine Strafverfolgung wegen Sachbeschädigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfolgen soll. Bei verständiger Auslegung der Begleitverfügung im Lichte der Anklageschrift bezieht sich die Verfolgungsbeschränkung daher mit hinreichender Deutlichkeit jedenfalls auf die Straftatbestände des § 142 Abs. 1 Nr. 1 und § 240 Abs. 1 und 2 StGB.“

XI. Eingriff in den Straßenverkehr, § 315b I Nr. 3 StGB (Pkw der W / Bauzaun)

Fraglich ist, ob sich R nach § 315b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht hat, indem er im Rahmen der Fluchtfahrt durch die Einbahnstraße auf die W und deren Pkw (und gegen diesen) gestoßen und gegen einen Bauzaun gefahren ist. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen aber nicht vor. Dazu der BGH:

„(a) Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des [R] wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StPO zutreffend verneint, da die Voraussetzungen eines verkehrsfremden Inneneingriffs nicht vorliegen.

(aa) Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird von § 315b StGB nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden (…). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (…).

(bb) Gemessen hieran ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht festgestellt. Denn die Urteilsgründe ergeben nicht, dass der [R] das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug bewusst zweckwidrig einsetzte und den Verkehrsvorgang zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr „pervertierte“. Nach den Feststellungen verwendete er es vielmehr in erster Linie als Fortbewegungsmittel. Dabei handelte er zwar grob verkehrswidrig, brachte den von ihm gesteuerten Pkw aber nicht bewusst zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung zum Einsatz.“

R hat sich damit nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar gemacht.

XII. Sachbeschädigung, § 303 I StGB (Pkw der W und Bauzaun)

In Bezug auf das Fahrzeug der W und den Bauzaun – gegen das/den R jeweils mit Pkw des D gefahren ist und dadurch beschädigt hat– hat sich R aber jeweils wegen einer Sachbeschädigung nach § 303 I StGB strafbar gemacht. Er hat dabei jeweils billigend in Kauf genommen (im Sinne eines dolus eventualis), dass er durch sein Fahrmanöver Schäden an diesen Gegenständen verursachen würde.

XIII. Konkurrenzen und Ergebnis

Fraglich ist, wie die Strafbarkeit von R und S in Bezug auf die Urkunds- und Diebstahlsdelikte („Kennzeichenmanipulation“ und „Diebstahlsfahrt“) konkurrenzrechtlich zu erfassen ist. Dazu der BGH:

„II.1.b)aa) Das Herstellen einer unechten zusammengesetzten Urkunde und deren nachfolgender Gebrauch bilden als natürliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB, wenn und soweit dieser Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (…). Trifft ein anderes Delikt mit einer einheitlichen Urkundenfälschung in diesem Sinne tateinheitlich zusammen, hat dies zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße, die nicht deutlich schwerer wiegen, zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (…).

bb) In der Nutzung des mit falschen amtlichen Kennzeichen ausgestatteten [PKW des D] im öffentlichen Straßenverkehr liegt demnach ein einheitliches Gebrauchmachen von einer zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB, das auch das kurzzeitige Abstellen des Fahrzeugs an der Einfahrt zur Fußgängerzone umfasste. Diese Urkundenfälschung steht nicht nur mit dem Diebstahl der Kfz-Kennzeichen, sondern auch mit dem versuchten Diebstahl zum Nachteil des Inhabers des Juweliergeschäfts in Tateinheit. Denn nach den Feststellungen stand [das Fahrzeug der K] absprachegemäß mit laufendem Motor als Fluchtfahrzeug für die Angeklagten bereit, während diese mit dem [PKW des D] auf das Juweliergeschäft zufuhren. Damit liegt eine Teilüberschneidung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen der Urkundenfälschung und des unmittelbaren Ansetzens zum Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB vor. Dass diese Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist, rechtfertigt keine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung, als wenn das mit falschen Kfz-Kennzeichen versehene Fluchtfahrzeug erst nach Vollendung des Überfalls vor dessen tatsächlicher Beendigung zum Einsatz kommt (…).“

R hat sich wegen Diebstahls in zwei – tatmehrheitlich (§ 53 StGB) begangenen – Fällen (Pkw des D und Kennzeichen), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Urkundenfälschung (Kennzeichen), wegen versuchten Diebstahls (Juweliergeschäft) und wegen Sachbeschädigung in vier Fällen (Pkw des D, Juweliergeschäft, Pkw der W und Bauzaun) – wobei die beiden Sachbeschädigungen betreffend den Pkw der W und den Bauzaun in Tateinheit zueinander stehen – strafbar gemacht (§§ 242 I; 242 I, 267 I, 52; 242 I, 22, 23 I; 303 I; 303 I; 303 I (2x), 52; 53 StGB).

S hat sich wegen vollendeten Diebstahls in Tateinheit mit – als „eine Tat“ zu wertende (s.o.) – Urkundenfälschung (Kennzeichen), versuchten Diebstahls (Juweliergeschäft) und wegen Sachbeschädigung in zwei – tatmehrheitlich zueinanderstehenden – Fällen (Pkw des D und Juweliergeschäft) strafbar gemacht (§§ 242 I, 267 I, 52; 242 I, 22, 23 I; 303 I; 303 I; 53 StGB).

Hinweis: Der Umstand, dass R und S mittäterschaftlich i.S.v. § 25 II StGB gehandelt haben, wirkt sich auf ihre Strafbarkeit als solche nicht aus; beide werden als „Täter“ bestraft. Allerdings führt die Tatbeteiligung mehrerer an derselben Straftat zu erhöhter Gefahr für das Opfer und damit zu erhöhter Strafwürdigkeit, weswegen dieser Gesichtspunkt bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann.

Der 4. Strafsenat des BGH hat den Schuldspruch in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung wegen des Strafausspruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Die Staatsanwaltschaft hatte mit ihrer zuungunsten von S und R eingelegten Revision bzw. mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Verurteilung der beiden wegen schwerwiegenderer sowie weiterer tateinheitlich begangener Delikte, die Verhängung höherer Strafen sowie die Verurteilung des S im Umfang des ergangenen Freispruchs erstrebt.

C. Prüfungsrelevanz

Der Sachverhalt bietet Anlass zur Befassung mit zahlreichen – prüfungsrelevanten – Delikten sowie der Konkurrenzlehre und lenkt den Blick zusätzlich noch auf prozessuale Fragen wie die Strafzumessung.

Hervorzuheben sind etwa die Erwägungen des 4. Strafsenats des BGH zu der Frage, ob es sich bei dem Fahrzeug, das die Täter für den (versuchten) Diebstahl der Wertgegenstände aus dem Juweliergeschäft genutzt haben, um ein „gefährliches Werkzeug“ i.S.v. § 244 I Nr. 1a Alt. 2 StGB gehandelt hat. Der Strafsenat hat diese Eigenschaft – im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Werkzeugqualität im Rahmen des „Diebstahls mit Waffen“ – in Bezug auf das verwendete Tatfahrzeug verneint, weil es sich dabei bei objektiver Betrachtung nicht um einen Gegenstand gehandelt hat, der dazu bestimmt war, eine Kraft gegen ein anderes Objekt zu entfalten oder zu verstärken. Diese Beurteilung unterscheidet sich bspw. von dem Einsatz eines Fahrzeugs im Zusammenhang mit einer Körperverletzung: die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes gemäß § 224 I Nr. 2 StGB sind erfüllt, wenn die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eingetreten ist bzw. wenn ein als gefährliches Werkzeug eingesetztes Fahrzeug die Körperverletzung unmittelbar verursacht hat (vgl. nur BGH, Beschl. v. 12.2.2015 – 4 StR 551/14).

Beachtenswert sind ferner auch die Ausführungen zu § 315b I Nr. 3 StGB in Bezug auf die Fluchtfahrt infolge des gescheiterten Diebstahlversuchs. Der Täter hat das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug hier nicht bewusst zweckwidrig eingesetzt und den Verkehrsvorgang zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr „pervertiert“, sondern es vielmehr in erster Linie als Fortbewegungsmittel verwendet. Dem steht auch nicht entgegen, dass er dabei grob verkehrswidrig gehandelt hat, weil er das Fahrzeug nicht bewusst zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung zum Einsatz gebracht hat. In solchen Fällen kommt jedoch eine Strafbarkeit nach § 315c StGB in Betracht (BGH, Urteil vom 20. 2. 2003 - 4 StR 228/02).

Wegen der Vielzahl und der Vielfältigkeit der in Betracht kommenden Delikte handelt es sich um eine für die Vorbereitung auf die strafrechtliche Prüfung gut geeignete und empfehlenswerte Entscheidung.

(BGH, Urteil vom 22.06.2023 – 4 StR 481/22)