Gesamtstrafenbildung, §§ 53-55 StGB

Überblick - Gesamtstrafenbildung, §§ 53-55 StGB

Im Rahmen der Begründetheit der Sachrüge ist unter anderem auch auf die Gesamtstrafenbildung nach den §§ 53-55 StGB zu achten.

A. Grundsatz, §§ 53, 54 StGB

Der Grundsatz der Gesamtstrafenbildung ist in den §§ 53, 54 StGB normiert und beinhaltet die Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, vgl. § 54 I 2 StGB. Einzige Ausnahme ist die lebenslange Freiheitsstrafe. Diese wird dementsprechend nicht erhöht, vgl. § 54 I 1 StGB.

Werden mehrere zeitige Freiheitsstrafen oder Geldstrafen verwirklicht, so muss eine Gesamtstrafe gebildet werden, vgl. § 53 StGB.

Trifft eine Freiheitsstrafe mit einer selbständigen Geldstrafe zusammen, dann gilt über § 53 II StGB, dass die Gesamtstrafe gesondert verhängt werden kann.

Beispiel: A wird zum einen wegen Urkundenfälschung, vgl. § 267 I StGB, zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und zum anderen wegen einer Unterschlagung, vgl. § 246 StGB, zu 210 Tagessätzen Geldstrafe zu je 50 Euro verurteilt. Daraus ist eine Gesamtstrafe zu bilden. Hierfür ist die verwirkte höchste Strafe zugrunde gelegt wird. Sie wird auch Einsatzstrafe genannt und beträgt im vorliegenden Fall acht Monate. Die Erhöhung erfolgt nach der Regel des § 39 StGB. Danach beträgt die Erhöhung eine Woche, da die Freiheitsstrafe unter einem Jahr stets um eine Einheit (Woche) erhöht wird, während sich die Freiheitsstrafe über einem Jahr um einen Monat erhöht. Die Höchststrafe, also die Addition beider Strafen, darf nicht erreicht werden. Vorliegend beträgt die Höchststrafe 15 Monate, denn zu den acht Monaten werden die 210 Tagessätze gerechnet. 210 Tagessätze sind gemäß § 54 III StGB sieben Monate. Von den 15 Monaten ist eine Einheit abzuziehen, nämlich ein Monat, vgl. § 54 II 1, 39 StGB. Die Mindeststrafe beträgt somit acht Monate und eine Woche, während die zulässige Höchststrafe 14 Monate beträgt. In diesem Rahmen wäre eine Gesamtstrafe möglich. In der Regel wird die Mitte gewählt, also 11 Monate, vgl. auch § 54 I 3 StGB.

B. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung, § 55 StGB

Klausurträchtiger ist hingegen die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, vgl. § 55 StGB. Diese Norm hat drei Voraussetzungen.

I. Die jetzt abzuurteilende Tat muss vor der früheren Verurteilung begangen worden sein

Zuerst muss die jetzt abzuurteilende Tat vor der früheren Verurteilung begangen worden sein.

II. Die frühere Verurteilung muss jetzt rechtskräftig sein

Ferner muss die frühere Verurteilung jetzt rechtskräftig sein.

III. Die frühere Strafe darf noch nicht vollständig erledigt sein

Zuletzt darf die frühere Strafe noch nicht vollständig erledigt sein. Erledigung bedeutet entweder Vollstreckung, Verjährung, Erlass bzw. bei Geldstrafe Bezahlung.

Fall 1: Am 16.6.2014 hat A eine Nötigung nach § 240 StGB begangen. Am 15.8 desselben Jahres beging er einen Diebstahl i.S.d. § 242 StGB. Schließlich wird A am 12.1.2015 wegen Diebstahls zu 40 Tagessätzen á 30 Euro verurteilt, da die Nötigung nicht bekannt war. Das Urteil ist rechtskräftig und die Strafe nicht erledigt. Danach ist ein Urteil zu fällen bzw. wurde ein Urteil gefällt, das sich mit der Nötigung befasst und jetzt überprüft werden soll. Für die Nötigung wurden 50 Tagessätze á 30 Euro verhängt. Nun gilt es zu überprüfen, ob die Gesamtstrafe richtig berechnet wurde. Die verwirkte höchste Freiheitsstrafe, hier die 50 Tagessätze, wird um eine Einheit erhöht. Dies ergibt 51 Tagessätze. Die Summe der Einzelstrafen darf nicht erreicht werden, also 90 Tagessätze. Diese müssen um eine Einheit gekürzt werden, sodass 89 Tagessätze die zulässige Höchststrafe ist. Da in der Regel die Mitte dieses Rahmens gewählt wird, beträgt die Gesamtstrafe 70 Tagessätze á 30 Euro. Abweichungen von der Mitte müssen gesondert begründet werden.

Fall 2: Wie im Ausgangsfall hat A am 16.6.2014 eine Nötigung nach § 240 StGB begangen. Am 15.7.2014 beging er zudem eine Urkundenfälschung, vgl. § 267 StGB, sowie am 15.8.2014 einen Diebstahl i.S.d. § 242 StGB. Schließlich ergeht am 12.1.2015 ein Urteil, welches die Urkundenfälschung und den Diebstahl erfasst. A wird zu einer Gesamtstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt, die sich aus 30 Tagessätzen für die Urkundenfälschung und 40 Tagessätzen für den Diebstahl zusammensetzt. Das Urteil ist rechtskräftig und die Strafe nicht erledigt. Das nun zu erlassende oder zu überprüfende zweite Urteil betrifft die Nötigung, für welche 50 Tagessätze á 30 Euro verhängt werden. Die neue Gesamtstrafe ist unter Auflösung der am 12.1.2015 verhängten Gesamtstrafe zu bilden. Von den drei Einzelstrafen ist die Einsatzstrafe die höchste verwirklichte Strafe, also die 50 Tagessätze, welche auf 51 Tagessätze erhöht werden. Die Summe der Einzelstrafen, also 120 Tagessätze, darf nicht erreicht werden. Der Rahmen beträgt somit 51 bis 119 Tagessätze. In der Regel ist die Gesamtstrafe wiederum in der Mitte anzusetzen. Dies sind 85 Tagessätze á 30 Euro.

Fall 3: Wie Fall 1. Einziger Unterschied ist, dass der A die Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen á 30 Euro bereits bezahlt hat. Die ursprünglich gebildete Gesamtstrafe beträgt 70 Tagessätze. Dies wäre jedoch ungerecht, denn A würde bei Zahlung schlechter gestellt, als wenn er noch abgewartet hätte. Der Härteausgleich führt dazu, dass A nur noch die Differenz, also 30 Tagessätze á 30 Euro zahlen muss.

Fall 4: einziger Unterschied zum Fall 1 ist, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des A geändert haben. Statt der 30 Euro hat A nun 90 Euro pro Tag zur Verfügung. Ursprüngliche Gesamtstrafe war 70 Tagessätze. Bei einem Satz von 90 Euro hätte A insgesamt 6.300 Euro zu zahlen. Jedoch verstieße dies gegen § 54 II 1 StGB, welcher besagt, dass die Summe der Einzelstrafen nicht überschritten werden darf. Die Summe der Einzelstrafen (40 Tagessätze á 30 Euro und 50 Tagessätze á 90 Euro) beträgt 5.700 Euro, die somit überschritten wurde. Würde man die für A günstigere Variante mit 70 Tagessätze á 30 Euro zugrunde legen, betrüge die Summe 2.100 Euro. Dies verstieße jedoch gegen § 54 I 2 StGB, welcher eine Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe vorsieht. Dies sind vorliegend die 50 Tagessätze á 90 Euro, also 4.500 Euro. Der Rahmen liegt mithin zwischen 4.500 Euro und 5.700 Euro. In der Praxis will man möglichst nahe an die 5.700 Euro gelangen, sodass dieser Betrag durch 70 Tagessätze geteilt wird. Endergebnis sind 70 Tagessätze á 81 Euro, dementsprechend 5670 Euro.

 

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