BGH zur wiederholten Unterschlagung einer bereits zugeeigneten Sache

BGH zur wiederholten Unterschlagung einer bereits zugeeigneten Sache

Der BGH zu Betrug, Urkundenfälschung und Unterschlagung

In unserem dieswöchigen Urteilsticker widmen wir uns den äußerst prüfungsrelevanten Tatbestandsvoraussetzungen des Betruges gemäß § 263 StGB, den Voraussetzungen der Urkundenfälschung gemäß § 267 I Var. 1 StGB und der wiederholten Unterschlagung gemäß § 246 I StGB. In diesem spannenden Fall geht es um die Anmietung eines Wohnmobils mit gefälschten Papieren und den bereits geplanten Verkauf des Fahrzeugs.

A. Sachverhalt

Der T weist sich gegenüber der Vermieterin V mit einem gefälschten Pass aus und mietet sich ein Wohnmobil für einen angeblichen Vater-Sohn-Urlaub. Das Fahrzeug im Wert von 54.000 Euro hat V kurz zuvor geleast. T zahlt die Kaution sowie den Mietzins an V. Tatsächlich beabsichtigt er von Anfang an, das Fahrzeug mit gefälschten Papieren und Dublettenkennzeichen, mithin solchen, die für ein baugleiches anderes Fahrzeug ausgegeben waren, zu präparieren und dieses sodann über ein Internetportal an Dritte zu veräußern. Nachdem T das Wohnmobil zu seinem Wohnort verbracht hat, versieht er es tatplangemäß mit Dublettenkennzeichen. Zuvor hatte er einen Dritten mit der Herstellung der gefälschten Fahrzeugpapiere auf einen vorgegebenen Namen, für den er über einen zuvor beschafften falschen Pass verfügt, beauftragt. T inseriert das Fahrzeug am selben Tag für 42.000 Euro über ein Internetportal und vereinbart kurz darauf mit dem Interessenten I einen Besichtigungstermin. T fährt dorthin und verkauft das Fahrzeug unter Vorlage der gefälschten Fahrzeugpapiere und des gefälschten Passes für 41.000 Euro an den Interessenten. Er übergibt das Wohnmobil gegen Zahlung von 40.000 Euro in bar. Die Zahlung der verbliebenen 1.000 Euro soll erst nach Übersendung des Zweitschlüssels und des Servicehefts erfolgen. Bei dem Versuch, das Fahrzeug anzumelden, fallen die falschen Kennzeichen auf. Das Fahrzeug wird zunächst sichergestellt, später aber an den Erwerber als letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben. Er streitet zivilrechtlich mit der Vermieterin über die Eigentümerstellung.

Wie hat sich T strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Die Anmietung des Fahrzeugs (erster Tatkomplex)

1. Betrug, § 263 I StGB

T hat könnte sich wegen Betruges gegenüber und zu Lasten der V gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht haben, indem er mit ihr unter Vorspiegelung einer falschen Identität einen Mietvertrag über das Wohnmobil abschloss, obwohl er von Beginn an vorhatte, dieses an Dritte weiter zu veräußern.

Dazu müsste T in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt. T müsste also die Vermieterin V über Tatsachen getäuscht und (dadurch) bei ihr einen Irrtum erregt haben, der die V zu einer Vermögensverfügung veranlasst hat, die wiederum zu einem Vermögensschaden geführt hat (objektive Tatbestandsvoraussetzungen). Ferner müsste V vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung gehandelt haben (subjektive Tatbestandsvoraussetzungen).

T hat die V über seine Identität sowie über seinen Willen, das gemietete Wohnmobil am Ende der Mietzeit an sie zurückzugeben (vgl. § 546 I BGB) – also über einen gewärtigen (psychischen) Zustand, der dem Beweis zugänglich ist – getäuscht und dadurch bei einem entsprechenden Irrtum, also eine Fehlvorstellung von der Wirklichkeit, erregt. Infolgedessen hat die V über ihr Vermögen verfügt (jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt), indem sie mit T einen Mietvertrag abgeschlossen bzw. den T den Besitz an dem Wohnmobil übertragen hat. Im Rahmen einer Gesamtsaldierung ist V dadurch – bereits zu diesem Zeitpunkt – auch ein Vermögensschaden entstanden, weil ihr Herausgabeanspruch gegenüber T wertlos war (sog. Eingehungsbetrug). T beabsichtigte hier von Beginn an, dass Wohnmobil über das Internet an einen Dritten zu veräußern.

T handelte zudem absichtlich (dolus directus 1. Grades) hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale und in der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern. Ihm kam es darauf an, sich das Wohnmobil bzw. dessen Wert einzuverleiben und durch Verkauf zu realisieren, ohne Anspruch darauf zu haben.

T, der rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, hat sich nach 263 I StGB strafbar gemacht.

2. Urkundenfälschung, § 267 I Var. 1 StGB

T hat sich ferner wegen Urkundenfälschung nach § 267 I Var. 1 StGB (Herstellen einer unechten Urkunde) strafbar gemacht, indem er den Mietvertrag mit V unter falschem Namen abgeschlossen hat.

Nach § 267 I StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht.

Bei dem schriftlichen Mietvertrag zwischen T und V handelt es sich um eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB, also um eine verkörperte und allgemein verständliche, menschliche Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lässt.

T müsste mit seiner Unterschrift unter den Mietvertrag „im falschen Namen“ auch eine unechte Urkunde hergestellt haben. Eine gefertigte Urkunde ist unecht, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht; es wird der Anschein erweckt, ihr Aussteller sei eine andere Person als diejenige, von der sie herrührt (sog. Geistigkeitstheorie). Der Gebrauch eines fremden Namens führt nicht zwangsläufig zum Herstellen einer unechten Urkunde. Nur bei einer Identitätstäuschung liegt eine Urkundenfälschung vor (BGH, Urteil vom 29. 11. 2007 - 4 StR 386/07). Bei der Verwendung von Decknamen oder Pseudonymen besteht hingegen keine Unsicherheit über die Person des Ausstellers, weil dieser bekannt ist; ebenso kann es Fälle geben, in denen der wahre Name für alle Beteiligten bedeutungslos ist. Hier kam es der V schon angesichts des Wertes des vermieteten Wohnmobils darauf an, mit wem sie den Mietvertrag schließt, auch um ihren Herausgabeanspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach § 546 I BGB bzw. § 985 BGB durchsetzen zu können. T hat über seine Identität getäuscht.

T hat zudem vorsätzlich – mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung – sowie „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ gehandelt. Insoweit muss der direkte Vorsatz des Täters auf die Herbeiführung eines Irrtums bei dem Getäuschten sowie die Veranlassung des Getäuschten zu einem rechtserheblichen Handeln gerichtet sein. Das war hier der Fall. T hat die V absichtlich über seine Identität getäuscht und sie – entsprechend seines Tatplans – veranlasst, mit ihm nicht nur einen Mietvertrag über das Wohnmobil zu schließen, sondern ihm auch den unmittelbaren Besitz daran zu übertragen.

T, der rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, hat sich wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht.

3. Zwischenergebnis

T hat sich wegen Betruges (§ 263 I StGB) sowie wegen Urkundenfälschung (§ 267 I Var. 1 StGB) strafbar gemacht. Beide Delikte stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB).

II. Der Verkauf des Fahrzeugs (zweiter Tatkomplex)

1. Urkundenfälschung, § 267 I Var. 1 StGB

T hat sich auch bei Abschluss des Kaufvertrages mit I wegen Urkundenfälschung nach § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht, weil er den I damit erneut über seine wahre Identität getäuscht hat (s.o.).

2. Unterschlagung, § 246 I StGB

Fraglich ist, ob sich T auch wegen Unterschlagung nach § 246 I StGB strafbar gemacht hat, indem er das Wohnmobil an I verkauft und übergeben hat. Danach macht sich strafbar, wer eine fremde bewegliche Sache – hier: das Wohnmobil – sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet. Problematisch könnte insoweit sein, dass T das Wohnmobil bereits von V „ertrogen“ hat mit dem (wirtschaftlichen) Ziel, dieses unter Einbehalt des Kaufpreises an einen Dritten zu veräußern, weswegen die tatplangemäße Veräußerung des Fahrzeugs an I keine neuerliche Zueignung darstellen würde. Dazu der BGH:

„2.b.aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich ein Täter, der sich eine fremde Sache bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat, sich diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB zum Nachteil des gleichen Rechtsgutsträgers zueignen, ohne zuvor seine Sacheigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (…).

bb) So liegt der Fall hier. [Der T hat] sich bereits aufgrund des Betrugs zum Nachteil der Vermieterin den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeugs verschafft (…). [Er hat] mit der Übernahme des Fahrzeugs bei fehlendem Rückgabewillen die Vermieterin von der Sachherrschaft dauerhaft ausgeschlossen und den Eigenbesitz an diesem begründet; [er beabsichtigte] von Anfang an, deren Rechtsposition zu missachten. Damit waren sowohl der Vermögensvorteil auf [seiner] Seite wie im Übrigen auch der Schaden auf Seiten der Vermieterin eingetreten und der Betrug beendet.

Angesichts des damit bereits bestehenden Herrschaftsverhältnisses über das Fahrzeug stellen die weiteren Manifestationen [des] Zueignungswillens durch das Anbringen der Dublettenkennzeichen am Fahrzeug, dessen Angebot zum Verkauf über das Internetportal wie auch der anschließende Abschluss eines Kaufvertrages und die auf dieser Rechtsgrundlage erfolgende Eigentumsübertragung an den gutgläubigen Fahrzeugerwerber gegen Überführung des Kaufpreises als Substrat des Fahrzeugs in [sein] Vermögen (…) bereits tatbestandlich keine Unterschlagung in Form der Selbstzueignung dar (…).“

Die „wiederholte Zueignung“ wird nach der Rechtsprechung des BGH als nicht tatbestandsmäßig i.S.v. § 246 I StGB angesehen (sog. Tatbestandslösung), wenn sich der Täter eine fremde Sache bereits durch eine andere strafbare Handlung bzw. ein Eigentums- oder Vermögensdelikt zugeeignet hat, etwa durch Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2022 − 1 StR 292/21). In der Literatur wird nach der sog. „Konkurrenzlösung“ in der wiederholten Betätigung des Herrschaftswillens über eine bereits deliktisch erlangte Sache tatbestandlich eine erneute Zueignung erblickt, die aber als straflose Nachtat hinter dem ersten deliktischen Zueignungsakt zurücktritt, sofern dadurch keine weitere Vertiefung des Schadens bewirkt wird.

T hat sich damit nicht wegen Unterschlagung nach § 246 I StGB strafbar gemacht.

3. Betrug, § 263 I StGB

T hat sich auch nicht (erneut) wegen Betruges nach § 263 I StGB strafbar gemacht, indem er dem I das Wohnmobil verkauft und übergeben hat. Zwar hat T den I über seine Identität sowie seine Stellung als Eigentümer des Fahrzeugs getäuscht und einen entsprechenden Irrtum bei I erregt. Ferner hat I auch mit der Übergabe des Kaufpreises an T über sein Vermögen verfügt. Es fehlt aber an einem Vermögensschaden: Im Gegenzug zur Kaufpreiszahlung (Gesamtsaldierung) hat I den Besitz am Fahrzeug und das (ggfs. bemakelte) Eigentum an demselben (ggfs. gutgläubig) erworben. Eine Vermögensminderung ist dadurch bei I unmittelbar nicht eingetreten, auch fehlt es an einer sog. schadensgleichen Vermögensgefährdung. Das Prozessrisiko, nach einem gutgläubigem Erwerb einer Sache von dem vorherigen Eigentümer auf Herausgabe verklagt zu werden, führt regelmäßig nicht zur vollständigen Entwertung der Eigentümerposition und damit zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung in diesem Umfang (BGH, Urt. v. 15.4.2015 − 1 StR 337/14). Es vorliegend nicht auszuschließen, dass I das Wohnmobil von T gutgläubig i.S.v. § 932 II BGB erworben hat. Aufgrund der gefälschten Fahrzeugpapiere und des gefälschten Passes musste I keine Zweifel an der Eigenschaft des T als Eigentümer hegen. Auch stand der Kaufpreis von 41.000,00 Euro nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu dem Wert des Fahrzeugs. Weitere „dubiose Umstände“, die für eine grobe Fahrlässigkeit des I sprechen könnten, sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Oldenburg Urteil vom 27.3.2023 – 9 U 52/22 zum Erwerb eines hochpreisigen Sportwagens eines in Spanien ansässigen Eigentümers durch einen Vertreter nachts auf einem Parkplatz).

4. Zwischenergebnis

T hat sich im zweiten Tatkomplex erneut wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht.

III. Ergebnis

T hat sich wegen Betruges (§ 263 I StGB) in Tateinheit mit Urkundenfälschung (§ 267 I StGB) sowie – dazu in Tatmehrheit stehend (vgl. § 53 StGB) – wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht.

Hinweis: Der 2. Strafsenat des BGH hat das mit der Revision angegriffene Urteil des Landgerichts, mit dem der T u.a. im zweiten Tatkomplex (auch) wegen Unterschlagung schuldig gesprochen wurde, auf seine Sachrüge hin (sog. Rüge der Verletzung materiellen Rechts) aufgehoben und die Sache wegen des Wegfalls verhängter Einzel- und Gesamtstrafen an eine andere Kammer des Landgerichts zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Betreffend die Strafzumessung (§ 46 StGB) wirkt sich der Wegfall der Unterschlagung dahingehend aus, dass diese nicht mehr – wie vom Landgericht angenommen – strafschärfend bei der Strafenbildung nach § 52 StGB berücksichtigt werden darf.

C. Prüfungsrelevanz

Die wiederholte Zueignung einer bereits durch eine andere Straftat „wirtschaftlich erbeuteten“ fremden Sache wird im Hinblick auf Strafbarkeit des Täters nach § 246 I StGB entweder abgelehnt (so die Rechtsprechung) oder zwar für tatbestandsmäßig gehalten, aber auf Konkurrenzebene – als mitbestrafte Nachtat, an der eine Teilnahme möglich ist – ausgeschieden (so weite Teile der Literatur).

Die Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH bestätigt diese Rechtsprechung und kommt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass derjenige, der sich den Besitz an einem Wohnmobil durch Betrug verschafft hat und jenes dann – entsprechend seinem Tatplan – an einen Dritten verkauft und übereignet, sich nicht (auch) wegen Unterschlagung nach § 246 StGB im Zusammenhang mit der Veräußerung strafbar macht, weil er sich den wirtschaftlichen Wert der Sache nicht noch ein zweites Mal einverleiben kann.

In diesem Zusammenhang sind auch weitere Delikte von Relevanz, insbesondere Betrug (§ 263 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Vor allem im Zusammenhang mit der späteren Veräußerung einer bereits ertrogenen Sache sind auch und gerade die zivilrechtlichen Voraussetzungen nach § 932 II BGB in den Blick zu nehmen, um im Rahmen des konkret festzustellenden Vermögensschadens bzw. einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen.

(BGH, Beschluss vom 16.03.2023 – 2 StR 381/22)