Zwangsweise Entsperrung eines Mobiltelefons per Fingerabdruck

Zwangsweise Entsperrung eines Mobiltelefons per Fingerabdruck

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

Handy entsperren, Online-Banking oder sich problemlos bei bestimmten Apps identifizieren, der Fingerabdruckscan macht es möglich und erscheint noch unkomplizierter als Pin Code oder Passwort. Ein Sensor scannt den aufgelegten Finger der Handynutzerin oder des Handynutzers und erstellt ein digitales Abbild. Dabei wird nicht nur die Papillarleiste auf der Oberfläche des Fingers erfasst, sondern es werden auch tiefere Hautschichten gemessen. Die Technologie ist praktikabel und wird mittlerweile von vielen Smartphone-Besitzern benutzt, um persönliche Daten auf dem Handy zu sichern.

Worum geht es?

Doch wie ist eigentlich die Rechtslage, sollte die Polizei das Handy beschlagnahmen? Dürfen sich Ermittler diese praktische Technologie einfach zu Eigen machen, um das Smartphone selbständig zu entsperren?

Mit dieser Frage hat sich kürzlich das Landgericht Ravensburg auseinandergesetzt.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen einen Mann ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. § 26 StGB in Tateinheit mit vorsätzlich unerlaubten Handel und des versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln angestrengt, § 29a Abs. 1 S.1 Nr. 2 StGB. Konkret handelte es sich um den Erwerb und Verkauf von Marihuana.

Beschlagnahme des Handys

Um den Tatvorwurf nachzuweisen, beschlagnahmten die Ermittler auf richterlichen Beschluss das Handy des Verdächtigen bei der Durchsuchung des Wohnhauses und nahmen von ihm Fingerabdrücke zum Zwecke der Entsperrung seines Mobiltelefons.

Gegen den Beschluss legte der Beschuldigte Beschwerde beim Amtsgericht (AG) ein. Er sah durch die Maßnahme seine Persönlichkeitsrechte konkret die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbelastungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 6 EMRK verletzt.

Das AG hielt den Beschluss jedoch für rechtmäßig. Die Maßnahme könnte auf § 81a und 81b StPO als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden und sei verhältnismäßig – also geeignet, erforderlich und angemessen.

Das Landgericht (LG) bestätigte jetzt die Entscheidung des AG. Das LG wich von der Entscheidung nur insofern ab, als dass die Entscheidung nicht auf § 81a StPO gestützt werden könne. Bei der Entsperrung eines Datenträgers durch Verwendung eines Fingerabdrucks handle es sich nicht um eine körperliche Untersuchung, weshalb § 81a StPO als Ermächtigungsgrundlage ausscheide. Die angeordneten Maßnahmen seien aber von § 81b Abs.1 StPO gedeckt.

Voraussetzungen § 81b Abs. 1 StPO

Gegen den vermeintlichen Dealer lag ein Ermittlungsverfahren vor. Die Ermittler seien daher nach Auffassung des Gerichts gemäß § 81b Abs. 1 StPO befugt, Fingerabdrücke des Verdächtigen zu nehmen. Die Abnahme hätte sogar zwangsweise erfolgen dürfen. Es handle sich dabei um eine sogenannte Passivmaßnahme. Hätte sich der Verdächtigte geweigert, wäre damit die Anwendung unmittelbaren Zwangs, etwa durch Auflegen der Finger des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor von § 81b Abs. 1 gedeckt gewesen. Hier benutzten die Ermittler nur die festgestellten Fingerabdrücke, um das Entsperren des Mobiltelefons zu ermöglichen. Laut den Richtern des LG fällt die Maßnahme unter den Auffangtatbestand und sei als eine „ähnliche Maßnahme” i.S.v. § 81b Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Die offene Formulierung habe der Gesetzgeber gewählt, um eine gewisse Technologieoffenheit zu gewährleisten, da die technischen Möglichkeiten sich stetig weiterentwickeln.

Für die Richter war die Maßnahme der Ermittler auch verhältnismäßig. Das Grundrecht des Verdächtigen auf informationelle Selbstbestimmung trete in dem Fall des verdächtigen Marihuana Dealers hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafrechtspflege zurück. Die Maßnahme sei erforderlich, da sie im Vergleich zu anderen Entsperrmöglichkeiten weniger zeit- und kostenintensiv sei.

In diesem Zusammenhang ist interessant, wie sich die Einschätzung in Bezug auf andere Sicherungsoptionen verhält. Vereinfacht ausgedrückt, wäre ein Verdächtiger besser gestellt, wenn er ein Passwort oder einen Pin Code nutzt?

Zunächst könnte man argumentieren, dass es für Ermittlungsbehörden tatsächlich schwieriger ist, Zugang zu einem Smartphone zu erlangen, insbesondere wenn der Besitzer nicht bereit ist, den persönlichen Identifikationsnummer (PIN) oder das Passwort freiwillig preiszugeben. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden unter Einsatz geeigneter technischer Methoden und Ressourcen dennoch Zugriff auf das Smartphone erlangen können. Damit lohnt sich für einen Verdächtigen auch eine andere Sperrfunktion nicht wirklich.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass § 81b Abs. 1 StPO lediglich die Verwendung der festgestellten Fingerabdrücke zur Entsperrung des Mobiltelefons deckt, nicht der Zugriff auf die im Mobiltelefon gespeicherten Daten selbst. Der Zugriff auf die Daten ist gerade nicht von § 81b StPO umfasst. Es müssen den Ermittlern andere Normen zur Seite stehen, um auch den Zugriff auf die persönlichen Daten zu rechtfertigen, zum Beispiel § 110 StPO.

(LG Ravensburg, Beschluss v. 14.02.2023 – 2 Qs 9/23 jug.)