
LG Berlin zu den Konsequenzen
Der Schutz schwächerer Parteien zieht sich wie ein roter Faden durch das BGB. Auch das Mietrecht ist da keine Ausnahme. So ist es für Vermieter:innen nicht einfach, (unliebsame) Mieter:innen aus der Wohnung zu bekommen, um diese anderweitig zu verwenden oder zu verwerten. Aus diesem Grund hat sich in der Vergangenheit der/die ein/e oder andere Vermieter:in auf Eigenbedarf berufen, der in Wirklichkeit aber nicht im Sinne des Gesetzes bestand. Soweit dürfte das für Dich nichts Neues sein. Weniger bekannt dürfte in dem Zusammenhang aber ein Anspruch auf Auskunft nach § 242 BGB und ein Anspruch aus § 285 I BGB sein. Wie genau die beiden Anspruchsgrundlage bei einer Eigenbedarfskündigung ins Spiel kommen, möchten wir Dir anhand einer Entscheidung des LG Berlin näherbringen.
Was war geschehen?
Der zugrunde liegende Fall begann vor dem Amtsgericht. Falls Du es noch nicht weißt, solltest Du Dir unbedingt merken, dass das Gesetz für Mietsachen einen sog. ausschließlichen Gerichtsstand nach § 29a ZPO festlegt. Danach ist örtlich immer das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich die Mieträume befinden. Grundsätzlich bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit nach dem Streitwert. Allerdings gibt es auch diesbezüglich im Mietrecht eine Besonderheit, denn nach § 23 Nr. 2a GVG ist unabhängig vom Streitwert immer das Amtsgericht zuständig.
Zurück zum Fall: Im Juli 2015 kündigten die Vermieter ihrem Mieter mit der Begründung des Eigenbedarfs, da ihre Tochter in die Wohnung einziehen sollte. Der Mieter zog im November 2018 aus und forderte von den Vermietern die Erstattung seiner Umzugskosten als Schadensersatz. Dem kamen die Vermieter auch nach.
Jedoch erfolgte der behauptete Einzug der Tochter nie, stattdessen blieb die Wohnung monatelang leer. Daraufhin klagte der Mieter auf Wiedereinräumung des Besitzes. Die Vermieter behaupteten weiterhin, dass ihre Tochter einziehen wolle, sie vermieteten die Wohnung dann allerdings im November 2021 an neue Mieter weiter und meinten, eine Rückgabe der Wohnung sei daher nicht mehr möglich.
Der ausgezogene Mieter verlangt daraufhin Einsicht in den neuen Mietvertrag, um etwaige Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Nun wird die Sache interessant, denn aus welcher Norm kann ihm ein solcher Anspruch überhaupt zustehen? Wenn Du Dir die Vorschriften des Mietrechts genauer anschaust, wird Dir keine entsprechende Norm ins Auge springen, denn es gibt tatsächlich keine. Woran Du aber bei Schuldverhältnissen immer denken solltest, ist § 242 BGB. Dieser Auffangtatbestand ist ein Korrektiv für Fälle, in denen ein Ungleichgewicht herrscht. Der Mieter kann seinen Anspruch auf Auskunft schließlich nicht ohne Mitwirkung der Vermieter geltend machen.
Entscheidung des Gerichts
Wie wir nun bereits wissen, ist erstinstanzlich das Amtsgericht zuständig. Das hatte hier einen Anspruch auf Auskunft aus § 242 BGB abgelehnt, weil die Information für den Mieter gänzlich irrelevant sei.
Anders sah es das LG Berlin und bestätigte zunächst § 242 BGB als die für den geltend gemachten Auskunftsanspruch richtige Anspruchsgrundlage. Und anders als noch in der Vorinstanz sieht das Gericht auch dessen Voraussetzungen für gegeben an: Dem gekündigten Mieter stehe nach einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft gegen den Vermieter darüber zu, welche Miethöhe dieser von dem neuen Drittnutzer vereinnahme, dem er die Wohnung entgegen der Darstellung in der Kündigung vermietet und überlassen habe. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse ergebe sich aus dem möglichen Anspruch des früheren Mieters, einen vom Vermieter mit der Neuvermietung laufend erzielten Mehrerlöses nach § 285 I BGB heraus zu verlangen. Hier wird der Fall nun noch spannender. Auf einmal befinden wir uns nämlich in den Vorschriften des Leistungsstörungsrechts. Wie das, fragst Du Dich vielleicht. Nun, bei einer ungerechtfertigten Eigenbedarfskündigung bestünde der ursprüngliche Mietvertrag fort. Daraus ergebe sich die Pflicht des Vermieters, dem Mieter die Räume als Mietsache zur Verfügung zu stellen. Das können die Vermieter in diesem Falle aber nicht (= unmögliche Leistung), weil die Wohnung bereits von dem neuen Mieter bewohnt ist. Insofern steht dem ehemaligen Mieter ein Anspruch aus § 285 I BGB zur Seite.
So kommt das Landgericht dazu, dass dem ehemaligen Mieter eben auch ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des Mehrerlöses an Miete gegen die Vermieter zustünde. Es erkennt damit also die Mehr-Miete als Surrogat für die Wohnnutzung an. Bei diesem Surrogat handelt es sich um den im Studium auch als „stellvertretenden Commodum“ bekannten Ersatz. Dieser mögliche Vermögensvorteil entstünde hier deshalb, weil der Vermieter durch die schnelle Neuvermietung Unmöglichkeit i.S.d. § 275 I BGB bezüglich der Wiedereinräumung des Besitzes herbeigeführt habe.
Prüfungsrelevanz
Der Fall ist sehr spannend für das Prüfungsamt, da es sich mit dem Mietrecht nicht nur um ein beliebtes Gebiet aus dem Schuldrecht BT handelt, sondern aufgrund der Verknüpfung mit § 242 BGB und § 285 BGB auch Kenntnisse aus dem Allgemeinen Teil erforderlich sind. Darüber hinaus könnte das Prüfungsamt gerade den Einschlag aus § 242 BGB nutzen, um wertende Ausführungen aus dem Machtgefälle zwischen Mieter und Vermieter abzufragen. Denk dabei immer an den Mieterschutz des BGB - beinahe so heilig im BGB wie das Minderjährigenrecht.
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen