Zuständigkeit des Gerichts
Exkurs ZPO I 7: Zuständigkeit des Gerichts
Das Gericht, bei dem der Kläger seine Klage eingereicht hat, muss für die Klage zuständig sein.
- Zulässigkeit des Rechtswegs
Zunächst muss überhaupt der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sein. Das setzt voraus, dass es sich um eine Zivilsache im Sinne von § 13 GVG handelt. Im Einzelfall kann vor allem die Abgrenzung zum Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten schwierig sein, denn auch diese sind gemäß § 2 Abs. 1 ArbGG für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig, zum Beispiel zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsvertrag (Nr. 3). Stützt der Kläger seine Klage auf Ansprüche aus einem Dienstvertrag, sind die ordentlichen Gerichte deshalb nur zuständig, wenn es sich nicht um einen Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB handelt.
Fehlt die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichts, verweist es den Rechtsstreit von Amts wegen an die zuständige Gerichtsbarkeit (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).
- Sachliche, örtliche und internationale Zuständigkeit
Das Gericht muss sachlich, örtlich und international zuständig sein. Ist das nicht der Fall, wird die Klage durch Prozessurteil abgewiesen, es sei denn, der Kläger beantragt die Verweisung an das zuständige Gericht (§ 281 ZPO). Eine solche Verweisung ist für das sachlich oder örtlich zuständige Empfangsgericht bindend, soweit sie nicht willkürlich erfolgte. Bei einer Verweisung an das international zuständige Gericht tritt dagegen keine Bindungswirkung ein.
-
Sachliche Zuständigkeit
-
Die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte ergibt sich aus § 23 GVG. Danach sind die Amtsgerichte insbesondere zuständig für Ansprüche deren Gegenstand den Wert von 5.000,00 Euro nicht übersteigt (Nr. 1). Eine wichtige Ausnahme gilt für Streitigkeiten aus Mietverhältnissen über Wohnräume, denn hier ist das Amtsgericht unabhängig von der Höhe des Streitwerts zuständig.
-
Die Landgerichte sind sachlich zuständig
-
für diejenigen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind, also für alle Verfahren, deren Streitwert 5.000,00 Euro übersteigt (§ 71 Abs. 1 GVG);
-
unabhängig davon u.a. für Staatshaftungsansprüche (§ 71 Abs. 2 Nr. 1, 2 GVG) und Prospekthaftungsklagen (Abs. 2 Nr. 3).
-
Erweitert der Kläger seine Klage vor dem Amtsgericht von 4.000,00 Euro auf 6.000,00 Euro, muss sich das Amtsgericht gemäß § 506 ZPO auf Antrag einer Partei für örtlich unzuständig erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht verweisen. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhebt, deren Wert 5.000,00 Euro übersteigt. Auf eine Addition der Werte von Klage und Widerklage kommt es dagegen nicht an (§ 5 Halbs. 2 ZPO).
Im umgekehrten Fall, dass der Beklagte seine Klage vor dem Landgericht von 6.000,00 Euro auf 4.000,00 Euro reduziert, ändert sich dagegen nichts. Hier bleibt das Landgericht zuständig. Dasselbe gilt für eine Widerklage, deren Wert 5.000,00 Euro nicht übersteigt.
- Örtliche Zuständigkeit
Der Kläger hat nicht das Recht, sich eines der sachlich zuständigen Amts- oder Landgerichte für seine Klage auszusuchen. Vielmehr muss er vor demjenigen Gericht klagen, das auch örtlich für seine Klage zuständig ist. Dabei unterscheiden die §§ 12 ff. ZPO zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand, besonderen Gerichtsständen und ausschließlichen Gerichtsständen. Besteht kein ausschließlicher Gerichtsstand, kann der Kläger unter mehreren einschlägigen Gerichtsständen wählen (§ 35 ZPO), allerdings nur ein Mal. Darüber hinaus kann sich die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts aus einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer rügelosen Einlassung des Beklagten ergeben.
- ausschließlicher Gerichtsstand
Ausschließliche Gerichtsstände bestehen u.a. für
-
dingliche Klagen (§ 24 ZPO)
-
Streitigkeiten aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume (§ 29a ZPO)
-
Klagen im Zusammenhang mit Haustürgeschäften (§ 29c Abs. 1 ZPO)
-
bestimmte Prospekthaftungsklagen im weiteren Sinne (§ 32b ZPO)
-
Klagen im Zwangsvollstreckungsverfahren (§ 802 ZPO).
-
besonderer Gerichtsstand
Von den besonderen Gerichtsständen sind von besonderer Bedeutung:
- Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO)
Für Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen besteht ein Gerichtsstand an dem Ort, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Grundsätzlich ist das der Wohnsitz des Schuldners der streitigen Verpflichtung zum Zeitpunkt der Entstehung des Vertragsverhältnisses (§ 269 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für Zahlungspflichten (§ 270 Abs. 4 ZPO). Für Leistung und Gegenleistung bestehen also grundsätzlich verschiedene Erfüllungsorte. Hiervon werden Ausnahmen zugelassen, beispielsweise für Werkverträge über die Errichtung eines Bauwerks (Ort des Bauwerks).
Ob überhaupt ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht, spielt für die Zuständigkeit keine Rolle; es genügt, wenn es vom Kläger schlüssig behauptet wird (sog. doppelrelevante Tatsache).
- Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen besteht ein besonderer Gerichtsstand dort, wo die Handlung begangen wurde (Tatort). Hierunter fallen sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort.
Die unerlaubte Handlung ist ebenfalls eine doppelrelevante Tatsache, weil sie auf Zulässigkeits- und Begründetheitsebene eine Rolle spielt. Ob tatsächlich eine unerlaubte Handlung vorliegt, ist auch hier nur eine Frage der Begründetheit. Um die Zuständigkeit anzunehmen genügt es daher, wenn der Kläger eine unerlaubte Handlung schlüssig behauptet.
- allgemeiner Gerichtsstand
Eine natürliche Person kann an ihrem Wohnsitz als allgemeiner Gerichtsstand verklagt werde (§§ 12, 13 ZPO). Maßgeblich ist der Wohnsitz des Beklagten bei Zustellung der Klage (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
Für juristische Personen und andere rechtsfähige Gesellschaften besteht der allgemeine Gerichtsstand an ihrem Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 1 ZPO).
- Internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wird vorrangig durch EU-Recht und Staatsverträge geregelt. Die wichtigste EU-Regelung ist die Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Bestehen solche Regelungen nicht und ergibt sich die internationale Zuständigkeit auch nicht aus konkreten Vorschriften der ZPO, gilt der Grundsatz, dass das örtlich zuständige deutsche Gericht auch international zuständig ist.
- rügelose Einlassung (§ 39 ZPO)
Der Beklagte hat es selbst in der Hand, ob er die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich rügt (§ 282 Abs. 3 ZPO) oder ob er sich auf die Klage einlässt. Hierfür genügt es, wenn er mündlich verhandelt, ohne die Rüge zu erheben. Vor einem Amtsgericht muss der Beklagte hierüber belehrt werden (§ 504 ZPO).
- Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 ZPO)
Kaufleute können unter den Voraussetzungen von § 38 Abs. 1 ZPO schon vor der Entstehung einer Streitigkeit, z.B. in allgemeinen Geschäftsbedingungen, eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Maßgeblich ist der Kaufmannsbegriff des HGB. Danach ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 HGB). Als Gewerbe wird jede erkennbar planmäßige, auf Dauer angelegte, selbstständige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete oder jedenfalls wirtschaftliche Tätigkeit am Markt unter Ausschluss freiberuflicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit verstanden. Da unter den Gewerbebegriff die freien Berufe also gerade nicht fallen, können bspw. Rechtsanwälte keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Auch wenn sie in der Regel ähnlich geschäftserfahren sind wie Kaufleute, kann § 38 Abs. 1 ZPO auch nicht analog angewendet werden. Dagegen sind Handelsgesellschaften gemäß § 6 HGB Kaufleute. Gerichtsstandsvereinbarungen sind grundsätzlich formfrei möglich, können aber den Gegner unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB).
Nach Entstehung der Streitigkeit können auch Nicht-Kaufleute den Gerichtsstand frei vereinbaren, müssen dabei aber die Schriftform wahren (Abs. 3 Nr. 1).
Der ausschließliche Gerichtsstand kann nicht durch Gerichtsstandsvereinbarung abgewählt werden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
BGH Xa ARZ 14/10
BGH VI ZR 23/09
BGH XI ZR 48/10
Vgl. zum Steuerberater OLG Köln NJW-RR 2015, 1533 Rn. 7.