Die Unmöglichkeit der Leistung (Überblick)

Die Unmöglichkeit der Leistung (Überblick)

Bei der Frage nach den Rechtsfolgen der rechtserheblichen Unmöglichkeit ist zwischen der primären und der sekundären Leistungsebene zu differenzieren.

Primäre Leistungsebene

Mit der primären Leistungsebene beschäftigen sich die §§ 275, 326 BGB. Im Falle anfänglicher Unmöglichkeit entsteht der Leistungsanspruch gar nicht erst (was aber nach § 311a I BGB keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Vertrags hat), im Falle nachträglicher Unmöglichkeit fällt er von selbst (ipso iure) wieder weg (§ 275 I BGB).

Für den Ausschluss der Primärleistungspflicht nach § 275 I BGB spielt es keine Rolle, ob der Schuldner die Unmöglichkeit i.S.v. §§ 276 ff. BGB zu vertreten hat.1 Das Vertretenmüssen ist erst für sekundäre Leistungspflichten von Bedeutung.

In den Fällen von § 275 II, III BGB ist der Primärleistungsanspruch erst ausgeschlossen, wenn der Schuldner eine entsprechende Einrede erhebt.

Die Folgen des Wegfalls der Leistungspflicht nach § 275 I – III BGB für den gegenseitigen Vertrag und dort insbesondere für die Gegenleistungspflicht sind in § 326 BGB geregelt.

Sekundäre Leistungsebene

Der Ausschluss nach § 275 I – III BGB bezieht sich lediglich auf das Recht des Gläubigers, die Leistung in natura zu verlangen, also auf die Primärleistungspflicht des Schuldners. Für die Sekundärleistungsebene verweist § 275 IV BGB auf die allgemeinen Vorschriften.2

In Betracht kommt zunächst ein Anspruch des Gläubigers der unmöglichen Leistung auf Schadensersatz statt der Leistung. Dieser folgt bei anfänglicher Unmöglichkeit aus § 311a II BGB und bei nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 280 I, III, 283 BGB.

Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz frustrierter Aufwendungen verlangen. Der Anspruch folgt aus § 284 BGB.

Hat der Gläubiger Aufwendungen gemacht, um den Vertrag abzuschließen (z. B. Rechtsberatungs- und Beurkundungskosten) oder den Vertragsgenstand zu nutzen (z. B. Rahmen für gekauftes Gemälde), erweisen sich diese im Falle der Unmöglichkeit der Leistung als nutzlos (frustrierte Aufwendungen).3 Da sie auch bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung angefallen wären, können sie nicht als Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden. Anspruchsgrundlage ist vielmehr § 284 BGB. Der Anspruch aus § 284 BGB setzt tatbestandlich voraus, dass dem Gläubiger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung zusteht, d. h. es müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 311a II BGB (anfängliche Unmöglichkeit) oder der §§ 280 I, III, 283 BGB (nachträgliche Unmöglichkeit) vorliegen. Dies folgt daraus, dass der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB „anstelle des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung“ geltend gemacht werden kann. Zudem muss der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung Aufwendungen (= freiwillige Vermögensopfer) gemacht haben, die er auch billigerweise machen durfte. Des Weiteren muss die Nichterfüllung des Vertrags ursächlich für die Vergeblichkeit der Aufwendungen gewesen sein. Vergeblich sind solche freiwilligen Vermögensopfer, die sich wegen der Nichtleistung oder der nicht vertragsgerechten Leistung des Schuldners als nutzlos erweisen.4 Liegen diese Voraussetzungen vor, ist nicht das volle negative Interesse zu ersetzen, sondern es ist nur Ersatz für nutzlos gewordene Aufwendungen zu leisten.

§ 285 BGB gewährt dem Gläubiger schließlich einen Anspruch auf das Surrogat.


  1. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 15.
  2. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 403.
  3. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 71 – 80.
  4. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848 (unter II.1.e).