Sachverhalt beruht auf einem Gedächtnisprotokoll
Wohl kaum ein anderes Thema erfreut sich so großer Beliebtheit bei den Prüfungsämtern wie der Autokauf. Ein nach Übergabe auftretender Motorschaden bei einem Gebrauchtwagen ist geradezu Standard in zivilrechtlichen Examensklausuren. Daher gilt hier besonders, sich die Grundlagen des Kaufrechts noch einmal vor Augen zu führen, dann ist auch die Lösung der Klausur aus Hamburg kein Hexenwerk.
A. Sachverhalt
Teil I:
P aus Regensburg erwirbt am 9. Juni 2022 im Autohaus der ebenfalls in Regensburg ansässigen Automobile OHG (A-OHG), die fahrtüchtige Oldtimer zum Verkauf anbietet, für private Zwecke einen alten Sportwagen zu einem Kaufpreis von 150.000 Euro. Bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags durch P und G, den alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter der A-OHG, merkt P an, dass er den Kaufpreis nicht sofort überweisen könne. G ist einverstanden und trägt in die Vertragsurkunde ein, dass die Zahlung des Kaufpreises erst am 29. Juni 2022 fällig sein soll. Da G weiß, dass P wohlhabend ist und er sich sicher ist, dass dieser auch pünktlich zahlen werde, erklärt sich G damit einverstanden, das Eigentum an dem Oldtimer sofort auf P zu übertragen und händigt ihm Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) und Schlüssel aus.
Als P am 24. Juni 2022 eine Spritztour unternimmt, bleibt der Oldtimer aufgrund eines technischen Defekts am Motor liegen. Der Defekt ist weder von P noch durch Verschleiß verursacht. Verärgert ruft P bei G an. Dieser entschuldigt sich und versichert, dass er den Sportwagen sofort abholen und kostenfrei den Mangel suchen und beheben werde. P ist einverstanden. In der Folge wird der Oldtimer abgeschleppt und in die Werkstatt des G gebracht.
Da P in den nächsten Stunden nichts von G hört, wird er ungeduldig, da er noch am Abend desselben Tags spontan mit dem Oldtimer über das Wochenende verreisen will und erkundigt sich daher bei einem Mitarbeiter der A-OHG, ob der Oldtimer bis zum Abend desselben Tages repariert sein wird. Dieser teilte ihm mit, dass die Fehlersuche bei einem Oldtimer wahrscheinlich einen Tag dauern würde und aufgrund des anstehenden Wochenendes die Ersatzteile erst in der nächsten Woche beschafft werden könnten. P ist verärgert und fordert die A-OHG noch am Nachmittag desselben Tags per E-Mail auf, den Mangel an seinem Sportwagen “bis spätestens heute Abend um 19.00 Uhr” zu beheben. Die A-OHG reagiert auf die E-Mail nicht.
Da P auch am Montagmorgen noch keine Rückmeldung erhalten hat, schreibt er am 27. Juni 2022 um 10.00 Uhr erbost eine weitere E-Mail. Darin teilt er mit, dass er an dem Kaufvertrag “nicht mehr festhalten” wolle und sich die Geltendmachung etwaig bestehender oder entstehender Schadensersatzansprüche vorbehalte. Mit einer Zahlung des Kaufpreises könne die A-OHG “erst recht nicht mehr rechnen”. Dies sei P’s letztes Wort. G bot noch am Mittag desselben Tages eine Reparatur bis zum 29. Juni 2022 an, was P allerdings ablehnte.
Am 28. Juni 2022 verlangt P per E-Mail Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro dafür, dass er sich nun einen neuen Oldtimer für 160.000 Euro bei einem anderen Autohaus gekauft hat, da die A-OHG offensichtlich nicht in der Lage sei, den Mangel zu beheben. Die A-OHG reagiert nicht.
Da P den Kaufpreis nicht bezahlt, lässt G im Namen der A-OHG durch den Rechtsanwalt R am 8. August 2022 Klage beim Landgericht Regensburg gegen P auf Rückübereignung des bei der A-OHG gekauften Oldtimers und Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil Il erheben. Rechtsanwalt R trägt vor, dass die A-OHG infolge des Rücktritts des P oder zumindest aufgrund dessen Schadensersatzverlangens - selbst wenn dieses nicht berechtigt gewesen sei - zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags berechtigt sei. Anderenfalls ergebe sich ein Anspruch auf Rückabwicklung jedenfalls aus einem Rücktrittsrecht der A-OHG. Außerdem beantragt Rechtsanwalt R für den Fall der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens den Erlass eines Versäumnisurteils, falls sich P nicht verteidigen sollte.
Das Landgericht Regensburg ordnet die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und stellt die Klage an P zusammen mit den gesetzlich vorgesehenen Belehrungen persönlich zu. P reagiert nicht. Nach Ablauf der Frist erlässt das Landgericht Regensburg antragsgemäß ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil gegen P. Das Versäumnisurteil wird P am 5. September 2022 persönlich zugestellt. An Rechtsanwalt R wird das Versäumnisurteil am 9. September 2022 in elektronischer Form über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach zugestellt. Rechtsanwalt R übermittelt noch am 9. September 2022 eine Kopie des Versäumnisurteils an die A- OHG, welche dort am 12. September 2022 eingeht. Allerdings vergisst R, ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das Landgericht Regensburg zu übermitteln.
Aufgerüttelt durch das Versäumnisurteil lässt P durch seine Rechtsanwältin X formgerecht Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen. Der Einspruch geht am 22. September 2022 beim Landgericht Regensburg ein. X trägt vor, dass die von der A-OHG geltend gemachten Ansprüche nicht bestünden. Sollte das Gericht das anders sehen, so stehe P zumindest ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis die A-OHG dem P den geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro erstatte.
Teil ll:
Das Landgericht Regensburg erlässt nach mündlicher Verhandlung ein Endurteil, mit dem das Versäumnisurteil gegen P aufrechterhalten wird. Dieses wird, da P kein Rechtsmittel einlegt, rechtskräftig. Als sich P weiterhin gegenüber der Automobile Arnulf OHG weigert, den Oldtimer und die Zulassungsbescheinigung Teil Il zurückzugeben, wendet sich G erneut an Rechtsanwalt R und fragt diesen, wie er P’s Verpflichtungen aus dem aufrechterhaltenen Versäumnisurteil durchsetzen könne.
B. Aufgabe
Teil I:
Hat das Vorgehen des P gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Regensburg Aussicht auf Erfolg?
Hinweise:
Es ist zu unterstellen, dass der Defekt am Motor des Sportwagens zwar behebbar, eine Reparatur jedoch vor dem 29. Juni 2022 nicht möglich war. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kaufpreis des von P anderweitig erworbenen vergleichbaren Oldtimers in Höhe von 160.000 Euro marktüblich war.
Teil II
Wie können die Verpflichtungen des P aus dem Versäumnisurteil zur Rückübereignung des Oldtimers und zur Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II an die A-OHG durchgesetzt werden?
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- Mängel, §§ 434, 435 BGB
- Gewährleistungsrechte im Kaufrecht, §§ 437 ff. BGB
- Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB
- Rücktritt, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 440, 323, 326 V, 346 ff. BGB
- Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB
- Das Versäumnisurteil
- Einspruch gegen ein VU - Gutachten
- Das Urteil
- Einspruch gegen ein VU - Einspruchsschrift
- Zwangsvollstreckung Allgemeine Voraussetzungen