Das Urteil

Exkurs ZPO I 9: Das Urteil

Das Urteil ist die wichtigste Entscheidungsart im Zivilverfahren. Daneben entscheidet das Gericht in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen durch Beschluss. Ansonsten erlässt das Gericht Verfügungen, mit denen es das Verfahren fördert.

Bestandteile des Urteils

Der Aufbau eines Urteils und sein wesentlicher Inhalt werden vom Gesetz in § 313 ZPO vorgeben.

  • Rubrum

Im Urteilskopf, dem sog. Rubrum, müssen sich folgende Angaben finden (Abs. 1 Nr. 1-3):

  • Gericht, Urteil, „Im Namen des Volkes!“ (§ 311 Abs. 1 ZPO)

  • Bezeichnung der Parteien und ihrer Rechtsanwälte

  • Bezeichnung des Spruchkörpers und der beteiligten Richter

  • Schluss der mündlichen Verhandlung

  • Tenor

In der Urteilsformel, dem sog. Tenor, findet sich die Entscheidung des Gerichts, üblicherweise wie folgt unterteilt:

  1. Entscheidung in der Hauptsache

Im Mittelpunkt steht natürlich die Entscheidung über den Klageantrag.

„Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 Euro zu zahlen.“

„Die Klage wird abgewiesen.“

  1. Kostenentscheidung

Das Gericht muss darüber, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, von Amts wegen entscheiden (§ 308 Abs. 2 ZPO).

Die Partei, die den Rechtsstreit vollständig verliert, muss grundsätzlich auch die Kosten tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Unterliegen beide Parteien teilweise, weil die Klage nicht im vollen Umfang Erfolg hat, werden die Kosten entweder gegeneinander aufgehoben - die Gerichtskosten werden geteilt, die außergerichtlichen Kosten (Rechtsanwälte) trägt jede Partei selbst - oder sie werden anteilig auf die Parteien verteilt (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ausnahmsweise kommt auch eine volle Kostentragung der (teilweise) obsiegenden Partei in Betracht (§§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 93 ZPO).

  1. Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils

Gemäß § 704 Alt. 2 ZPO findet die Zwangsvollstreckung nicht nur aus formell rechtskräftigen Urteilen, sondern auch aus lediglich für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen statt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist deshalb immer dann anzuordnen, wenn das Urteil einen vollstreckbaren Inhalt hat, was auch bei Klageabweisung der Fall ist, nämlich in Bezug auf die Kostentragung. Dabei muss das Gericht auch entscheiden, ob das Urteil nur gegen eine Sicherheitsleistung der obsiegenden Partei vorläufig vollstreckbar ist (§ 709 ZPO) oder ob eine Sicherheit vom Gläubiger nicht geleistet werden muss (§ 708 ZPO), aber vom Schuldner zur Abwendung der Vollstreckung erbracht werden darf (§ 711 ZPO).

  • Tatbestand

Im Tatbestand fasst das Gericht den Sach- und Streitstand zusammen, und zwar allein auf der Grundlage des Parteivortrags (§ 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO). Dabei stellt es zunächst alle unstreitigen Tatsachen dar, anschließend alle streitigen Behauptungen des Klägers zu den Anspruchsvoraussetzungen, gefolgt von den zuletzt gestellten Anträgen der Parteien und allen streitigen Behauptungen des Beklagten zu Einwendungen und Einreden. Außerdem enthält der Tatbestand die für die Entscheidung wesentliche Prozessgeschichte.

  • Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen begründet das Gericht die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung (§ 313 Abs. Nr. 6, Abs. 3 ZPO). Hier stellt es also insbesondere seine tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen dar.

Ist die Klage vollumfänglich begründet, gibt das Gericht nur eine Anspruchsgrundlage wieder. Ist die Klage jedenfalls teilweise unbegründet, muss es alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen aufstellen und jeweils begründen, an welcher Voraussetzung der Anspruch gescheitert ist.

  • ggf. Rechtsbehelfsbelehrung

Anfechtbare Amtsgerichtsurteile bedürfen stets einer Belehrung darüber, dass die unterlegene Partei Berufung einlegen kann, und die Hinweise zu Frist, Form und Adressat einer Berufung (§ 233 Satz 1 ZPO). Landgerichtsurteile müssen dagegen im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung der Parteien keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (Satz 2).

  • Unterschrift

Das Urteil muss von allen Richtern, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, unterschrieben werden (§ 315 Abs. 1 ZPO).

Urteilsarten

Man unterscheidet verschiedene Urteilsarten, und zwar je nach prozessualer Konstellation.

  • Endurteil (§ 300 ZPO)

Endurteil ist jedes Urteil, mit dem über den gesamten Rechtsstreit oder einen abgrenzbaren Teil in der Instanz abschließend entschieden wird. Es wird häufig nur als Urteil bezeichnet.

  • Prozessurteil/Sachurteil

Wie bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Klage erörtert, bezeichnet man als Prozessurteil ein Endurteil, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Es erwächst nicht in materielle Rechtskraft, so dass der Kläger nach Behebung des Mangels erneut klagen kann.

Dagegen entscheidet das Gericht in einem Sachurteil auch in der Sache, also über die Begründetheit der Klage. Es erwächst in materielle Rechtskraft, so dass eine weitere Klage mit demselben Streitgegenstand unzulässig wäre.

  • Leistungs-, Feststellungs-, Gestaltungsurteil

Entsprechend den Klagearten kann man Sachurteile danach unterscheiden, worauf sie gerichtet sind.

Mit einem Leistungsurteil wird der Beklagte zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen gegenüber dem Kläger verurteilt.

In einem Feststellungsurteil wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

Ein Gestaltungsurteil schafft, verändert oder beseitigt ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien.

  • Teilurteil/Schlussurteil (§ 301 ZPO)

Sind von mehreren in einer Klage geltend gemachten prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) oder im Falle von Klage und Widerklage nicht alle Streitgegenstände entscheidungsreif, kann das Gericht ein Teilurteil erlassen. Es enthält keine Kostenentscheidung, weil über die Kosten des gesamten Rechtsstreits erst dann einheitlich entschieden werden kann, wenn auch die übrigen Streitgegenstände entscheidungsreif sind. Es kann (nur) mit der Berufung angefochten werden.

Das Schlussurteil ergeht, sobald nach einem vorangegangenen Teilurteil der letzte Streitgegenstand entscheidungsreif ist.

  • Grundurteil (§ 304 ZPO)

Sind Grund und Höhe eines Anspruchs streitig, kann das Gericht ein Grundurteil erlassen, wenn es die Klage dem Grunde nach für begründet hält. Das bietet sich an, wenn die Aufklärung der Höhe sehr aufwändig ist und das Gericht verhindern will, dass dieser Aufwand umsonst betrieben wird, weil die zweite Instanz auf die Berufung gegen das Grundurteil bereits den Klagegrund verneint.

  • Vorbehaltsurteil (§ 302 ZPO)

Ist der Klageanspruch entstanden, könnte aber noch durch eine Prozessaufrechnung vernichtet werden, bietet sich ein Vorbehaltsurteil an, wenn die Aufklärung der Aufrechnungsvoraussetzungen aufwändig ist, die Aufrechnung aber allem Anschein nach keinen Erfolg haben wird. Der Kläger hat dann schon einen vorläufig vollstreckbaren Titel in der Hand, der aber unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung steht. Ist die Aufrechnung erfolglos, wird das Urteil für vorbehaltlos erklärt, hat sie Erfolg, wird das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Eine spezielle Form des Vorbehaltsurteils ergeht im Urkundenprozess.

  • Zwischenurteil (§ 303 ZPO)

In einem Zwischenurteil entscheidet das Gericht über einen Zwischenstreit. Es ist grundsätzlich nicht mit der Berufung angreifbar. Eine Ausnahme gilt nach § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Hält das Gericht die Klage für zulässig, kann es ein Zwischenurteil erlassen, das der Beklagte mit der Berufung angreifen kann.

  • Verzichtsurteil (§ 306 ZPO)

Ein Verzichtsurteil ergeht, wenn der Kläger auf den Anspruch verzichtet. Das wird er dann tun, wenn eine Klagerücknahme an der fehlenden Einwilligung des Beklagten scheitert (§ 269 Abs. 1 ZPO).

Das Verzichtsurteil ergeht ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe (§ 313b Abs. 1 ZPO).

  • Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO)

Ein Anerkenntnisurteil ergeht, wenn der Beklagte den Anspruch anerkennt. Die Besonderheit liegt darin, dass es hierfür entgegen § 128 Abs. 1, 4 ZPO keiner mündlichen Verhandlung bedarf (Satz 2).

Das Anerkenntnisurteil ergeht ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe (§ 313b Abs. 1 ZPO), es sei denn, es ist zu erwarten, dass es im Ausland vollstreckt werden soll (Abs. 3).

Obwohl der Beklagte durch sein Anerkenntnis den Rechtsstreit verloren gibt, ist es möglich, dass er dennoch nicht die Kosten tragen muss. Hierfür darf er dem Kläger keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und muss er den Anspruch sofort anerkannt haben (sofortiges Anerkenntnis, § 93 ZPO).

  • Er hat keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, wenn der Kläger nicht hätte klagen müssen, um zu seinem Recht zu kommen, weil er den Beklagten nicht in Verzug gesetzt hat und dieser den Anspruch auch nicht bestritten oder die Leistung verweigert hat.

  • Das Anerkenntnis ist ein sofortiges, wenn es spätestens in der Klageerwiderung erklärt wird. Das gilt auch im schriftlichen Vorverfahren, es sei denn, der Beklagte hat in der Verteidigungsanzeige bereits einen Klageabweisungsantrag gestellt oder ist der Klage auf sonstige Weise entgegengetreten.

  • Versäumnisurteil (§§ 330, 331 ZPO)

Ein Versäumnisurteil ergeht, wenn eine Partei säumig ist, also in der mündlichen Verhandlung nicht erscheint oder keinen Sachantrag stellt (§ 333 ZPO). Im schriftlichen Vorverfahren ergeht ein Versäumnisurteil, wenn der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft nicht fristgerecht anzeigt (§ 331 Abs. 3 ZPO).

Das Versäumnisurteil ergeht ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe (§ 313b Abs. 1 ZPO), es sei denn, es ist zu erwarten, dass es im Ausland vollstreckt werden soll (Abs. 3).


  1. Hierzu Exkurs ZPO I 15

  2. BGH IX ZB 54/18

  3. Ausführlich Exkurs ZPO I 10