BGH zum Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts

BGH zum Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts

Brandstiftung mit Todesfolge

Die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH betrifft den praktisch wie theoretisch bedeutsamen Fall des „Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts“, bei dem weder der Grundtatbestand (hier § 306a Abs. 1 StGB) noch der qualifizierte Erfolg (§ 306c StGB) vollendet worden ist. Der Fall ist nicht nur wegen der vom BGH angewendeten Auslegungsmethoden besonders examensrelevant, sondern auch wegen der Abgrenzung zu anderen prüfungsrelevanten Konstellationen.

A. Sachverhalt

C hegt Groll gegen den Vater einer ihm und seinem 17-jährigen Freund S bekannten Familie. Er überredet den S, ihn des nachts zum Wohnhaus der Familie zu begleiten, um einen Brandanschlag auf dieses zu verüben. Allein hätte er die Tat nicht ausgeführt. In Umsetzung des Tatplans befüllt C eine Glasflasche mit Wasser und eine weitere mit Benzin. Mit der einen will er das Schlafzimmerfenster der Eheleute einwerfen, mit der anderen einen sog. Molotow-Cocktail bauen und diesen hinterherwerfen. C und S halten es für möglich und nehmen billigend in Kauf, hierdurch einen Brand auszulösen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst und die schlafenden, arg- und wehrlosen Familienmitglieder und/oder andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode bringt.

Auf der Autofahrt zum Tatort fixiert der S als Beifahrer die Flaschen zwischen seinen Füßen und sorgt so dafür, dass nicht zu viel Benzin ausläuft. Außerdem reicht er an einer Tankstelle dem C Papiertücher, aus denen jener eine Lunte baut, indem er sie in Benzin tränkt und dergestalt in den Flaschenhals stopft, dass ein Rest oben heraussteht. Am Tatort angekommen, schleudert der C plangemäß zunächst die Wasserflasche gegen das Fenster der Eheleute und durchbricht hierdurch die Scheibe. Unmittelbar anschließend entzündet er die Lunte der mit Benzin gefüllten Flasche und wirft diese brennend hinterher.

C und S wissen und billigen, dass die Kräfte des Brandsatzes in ihrer Wirkung von nun an für sie nicht mehr beherrschbar sind, und rennen davon. Aus unerklärlichen Gründen zündet der Brandsatz jedoch nicht durch und erlischt, so dass sich die mit Benzin gefüllte Flasche über den Boden ergießt, ohne dass es zu einem Feuer kommt. Die Eheleute, die schlafend in ihren Betten liegen, als die Flaschen nacheinander in ihr Schlafzimmer fliegen, erwachen ebenso wie die zahlreichen anderen Bewohner des Hauses durch den lauten Krach, der beim Zerbersten der Scheibe entsteht. Sie realisieren erst im Anschluss, dass gerade ein Anschlag auf ihr Leben stattgefunden hat, und sind daraufhin so verängstigt, dass sie aus der Wohnung ausziehen.

Wie haben sich C und S nach dem StGB strafbar gemacht?

In diesem Urteilsticker geht es insbesondere um die folgenden (prüfungsrelevanten) Lerninhalte:

B. Entscheidung

I. Strafbarkeit des C

1. Versuchter Mord, §§ 211 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB

C könnte sich wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die mit Benzin gefüllte Flasche entzündet und in das Schlafzimmer geworfen hat.

Durch den Wurf des sog. Molotow-Cocktails ist keine Person zu Tode gekommen, die Tat ist also nicht vollendet. Ferner ist Mord ein Verbrechen i.S. von § 12 Abs. 1 StGB, dessen Versuch stets strafbar ist.

C war zur Tatbegehung entschlossen. Er hat einen Tatentschluss hinsichtlich eines heimtückischen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübten Mordes gefasst. C hat den Tod eines anderen Menschen billigend in Kauf genommen (bedingter Vorsatz bzw. dolus eventualis). Von seinem Vorsatz umfasst war zudem das Ausnutzen der Arg- und dadurch bedingten Wehrlosigkeit der Tatopfer – in unbestimmter Anzahl - zur Tötung (Heimtücke). Das Merkmal des „gemeingefährlichen Mittels“ ist verwirklicht, wenn der Täter – wie hier der C - ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat bzw. die Gefahr nicht beherrscht. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGH, NStZ 2006, 167, 168). Der von C verwendete Brandsatz war dafür geeignet, eine Vielzahl von Menschen an Leib und Leben zu gefährden. Auch war C nach dem Wurf desselben bewusst, dass er dessen Wirkung nicht beherrscht.

C hat zur Tatbestandsverwirklichung auch unmittelbar angesetzt. Er hat nach seiner Vorstellung von der Tat mit dem Wurf des Brandsatzes in das Haus alles Erforderliche für die Tatausführung getan.

Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

C hat sich wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

2. Versuchte schwere Brandstiftung, §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB

C hat sich auch wegen versuchter schwerer Brandstiftung gemäß den §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er den Brandsatz in das Haus geworfen hat. C hat die in § 306a Abs. 1 Nr. 1 genannte Räumlichkeit (Gebäude) nicht in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, also die Tat nicht vollendet. Der Versuch eines Verbrechens ist zudem stets strafbar (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB). C hatte einen Tatentschluss: er hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, durch den Wurf des Brandsatzes einen Brand auszulösen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst. Er hat ferner nach seiner Vorstellung von der Tat auch unmittelbar zur Tatausführung angesetzt.

3. Versuchte Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB

Fraglich ist, ob sich C auch wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem er den Brandsatz in das Haus geworfen hat.

Die schwere Folge nach § 306c StGB – der Tod eines anderen Menschen – ist nicht eingetreten, die Tat (Brandstiftung mit Todesfolge) also nicht vollendet. Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar.

Fraglich ist aber, ob C hier die Voraussetzungen des (Versuchs-)Tatbestandes überhaupt erfüllt haben kann, weil weder das Grunddelikt (schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) noch die Erfolgsqualifikation (§ 306c StGB) vollendet worden sind, auch nicht nur teilweise. Dazu der BGH:

„II.1. [Eine versuchte Brandstiftung mit Todesfolge gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22 StGB] kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt. Weder die Inbrandsetzung oder die durch die Brandlegung bewirkte - zumindest teilweise - Zerstörung noch der Tod müssen eingetreten sein. Im Einzelnen:
a) Beim Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts wird regelmäßig zwischen zwei Konstellationen unterschieden (…):
Der sogenannte erfolgsqualifizierte Versuch ist dadurch gekennzeichnet, dass das Grunddelikt im Versuchsstadium steckenbleibt, während der qualifizierende Erfolg eintritt, wobei dem Täter insoweit wenigstens ein Fahrlässigkeits- (etwa § 227 Abs. 1 i.V.m. § 18 StGB) oder Leichtfertigkeitsvorwurf (etwa § 251 StGB) zur Last liegt. Die sog. versuchte Erfolgsqualifikation liegt vor, wenn der Täter das Grunddelikt verwirklicht, der von ihm in Kauf genommene oder sogar beabsichtigte qualifizierte Erfolg aber nicht eintritt. Die Variante ist deshalb anzuerkennen, weil die schwere Folge zwar „wenigstens“ fahrlässig oder leichtfertig verursacht werden muss, erst recht aber vorsätzlich herbeigeführt werden kann (…).
Diese begriffliche Differenzierung (…) darf jedoch den Blick nicht dafür verstellen, dass der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts auch möglich ist durch bloßes unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt mit dem Vorsatz der Herbeiführung der schweren Folge. Bleibt diese aus, handelt es sich um einen Unterfall der versuchten Erfolgsqualifikation (…).
b) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten. Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.
Hierfür sprechen ebenfalls systematische Erwägungen. Nach § 11 Abs. 2 StGB ist das „Zwittergebilde“ (…) erfolgsqualifiziertes Delikt insgesamt als vorsätzliche Tat anzusehen. Damit gelten die allgemeinen Versuchsbestimmungen. Diese setzen nicht voraus, dass der Täter ein Tatbestandsmerkmal objektiv verwirklicht, sondern nur, dass er nach seiner Vorstellung von der Tat hierzu unmittelbar ansetzt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, für den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts die Vollendung des Grundtatbestands oder den Eintritt der schweren Folge zu verlangen.
Für das genannte Ergebnis streiten schließlich Sinn und Zweck des hier relevanten Normengefüges. Der Grund für die Versuchsstrafbarkeit ist - wie der untaugliche Versuch zeigt - die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns (sog. subjektive Versuchstheorie, …). Dieser subjektive Handlungsunwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt im Ergebnis nur versucht oder vollendet. Auf einen wie auch immer gearteten objektiven Erfolgsunwert kommt es beim Versuch nicht an und deshalb ebenso wenig darauf, dass Teilabschnitte des erfolgsqualifizierten Delikts verwirklicht sind (…). Die erfolgsqualifizierten Delikte sollen vielmehr den besonderen (Todes-)Gefahren entgegenwirken, die von ihren Grundtatbeständen ausgehen. Es entspricht daher der ratio legis, auch denjenigen Täter zu ahnden, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitert.
c) Aus den genannten Gründen sind etwa die §§ 178 und 251 StGB versucht, wenn das Opfer die Gewaltanwendung entgegen dem Tatplan überlebt und auch Beischlaf oder Wegnahme fehlschlagen (…). Entsprechendes gilt für die Freiheitsberaubung, den erpresserischen Menschenraub oder die Geiselnahme (§§ 239, 239a, 239b StGB): Hat der Täter Vorsatz bezüglich der Todesfolge, reichen schon der Versuch des Einsperrens, des Sichbemächtigens oder Entführens für den Versuch der Erfolgsqualifikation, unabhängig davon, ob das Opfer überlebt. Für den Versuch einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist es unerheblich, ob der Schütze, der dem Opfer die Zeugungsfähigkeit nehmen will, es in den Unterleib trifft oder danebenschießt (…).
d) Nichts anderes gilt schließlich bei der Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306c StGB. Auch diese ist versucht, wenn der Täter mit dem Tod der Bewohner des Hauses rechnet, das er - wie hier - in Brand zu setzen versucht (…).“

C war zur Begehung einer Tat nach den §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c StGB entschlossen. Er hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf (Eventualvorsatz), durch den Wurf der mit Benzin gefüllten, an der Lunte angezündeten Flasche durch das Fenster in das Haus einen Brand auszulösen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst und die schlafenden, arg- und wehrlosen Familienmitglieder und/oder andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode bringt. Er hat hier auch zur Tat unmittelbar angesetzt, und zwar – aufgrund seines Vorsatzes – sowohl zur Begehung des Grunddeliktes als auch von § 306c StGB.

Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. C hat sich auch wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge (§§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

4. Sachbeschädigung, § 303 Abs. 1 StGB

C hat sich auch wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er die Wasserflasche gegen das Fenster geworfen hat, wodurch diese zersplitterte und damit „zerstört“ wurde.

5. Zwischenergebnis

C hat sich wegen versuchten Mordes (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge (§§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB) und wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge verdrängt zunächst im Wege der Gesetzeskonkurrenz die versuchte schwere Brandstiftung. Alle weiteren Delikte stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit i.S.v. § 52 StGB. Zum konkurrenzrechtlichen Verhältnis des versuchten Tötungsdelikts zum versuchten Brandstiftungsdelikt meint der BGH hier:

„II.2. (…) Die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge bedarf neben dem versuchten Mord der Klarstellung in der Urteilsformel“

Und auch die Sachbeschädigung steht zu beiden Delikten wegen des anderen Rechtsguts in Tateinheit.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil der 3. Strafsenat auf die – erfolglose – Revision des C hin sowohl auf Verfahrensfehler als auch auf materiell-rechtliche Fehler (sog. Sachrüge) überprüft hat, hat den C wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge (sowie mit „Herstellen und Führen eines Gegenstands, bei dem leicht entflammbare Stoffe so verteilt und entzündet werden, dass schlagartig ein Brand entstehen kann“, vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG), unter Anwendung von Erwachsenenstrafrecht zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Die Strafe hat das Gericht dem gemäß §§ 22 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB entnommen (was – in Abkehr von der lebenslange Freiheitsstrafe – zu einer zeitigen Freiheitsstrafe führt) und dabei das tateinheitliche Waffendelikt nicht strafschärfend gewürdigt. Im Rahmen der Strafzumessung nach §§ 52, 46 StGB war allerdings zu berücksichtigen, dass C daneben auch noch die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge (und die Sachbeschädigung) mitverwirklicht hat.

III. Strafbarkeit des S

S hat sich wegen Beihilfe im Sinne von § 27 StGB zum versuchten Mord, zur versuchten Brandstiftung mit Todesfolge sowie zur Sachbeschädigung strafbar gemacht. Er hat dem C bei der Begehung von dessen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen (Haupt-)Taten – siehe oben unter Ziffer I. – Hilfe geleistet. Eine Beihilfe „durch Tat“ ist jede Handlung, die die Haupttat in ihrer konkreten Gestalt erst ermöglicht oder ihren rechtsgutsverletzenden Erfolg vergrößert. Auf der Autofahrt zum Tatort hat S als Beifahrer des C die beiden Flaschen zwischen seinen Füßen fixiert und dafür gesorgt, dass nicht zu viel Benzin ausläuft. Außerdem hat er dem C an einer Tankstelle Papiertücher gereicht, aus denen jener eine Lunte gebaut hat. S hat auch mit einen „doppelten Gehilfenvorsatz“ gehandelt, also vorsätzlich sowohl hinsichtlich der Vollendung der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat des C einschließlich aller erforderlichen subjektiven Merkmale des C als auch hinsichtlich seiner eigenen Beihilfehandlung.

Hinweis: Das Landgericht hat den – ebenfalls erfolglos revidierenden – S unter Anwendung von Jugendstrafrecht entsprechend verurteilt und mit einer Jugendstrafe von vier Jahren belegt. Bei der Bemessung der Strafe hat es gemäß § 18 Abs. 2 JGG den Erziehungsgedanken in den Vordergrund gestellt.

C. Prüfungsrelevanz

Die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH betrifft den praktisch wie theoretisch bedeutsamen Fall des „Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts“, bei dem weder der Grundtatbestand (hier § 306a Abs. 1 StGB) noch der qualifizierte Erfolg (§ 306c StGB) vollendet worden ist. Diese Konstellation ist abzugrenzen vom sog. erfolgsqualifizierten Versuch, bei dem das Grunddelikt im Versuchsstadium steckenbleibt, während der qualifizierende Erfolg eintritt, und von der sog. versuchten Erfolgsqualifikation, bei der der Täter das Grunddelikt verwirklicht, der von ihm in Kauf genommene oder gar beabsichtigte qualifizierte Erfolg aber nicht eintritt.

Der hier besprochene Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Vorsatz des Täters bei Eintritt in das Versuchsstadium sowohl auf die Verwirklichung des Grunddelikts als auch auf den Eintritt des qualifizierenden Erfolges erstreckt. Der BGH wertet diesen als Unterfall der sog. versuchten Erfolgsqualifikation und begründet dies damit, dass die erfolgsqualifizierten Delikte – wie etwa auch §§ 239a, 239b StGB oder § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB – trotz der Fahrlässigkeitskomponente nach § 11 Abs. 2 StGB insgesamt als Vorsatzdelikte zu behandeln seien. Daher soll nach dem Sinn und Zweck der Versuchsstrafbarkeit auch die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns erfasst werden.

Sachverhalte, bei denen das (auch) auf die Herbeiführung einer Erfolgsqualifikation gerichtete Tatgeschehen abweichend vom Vorsatz des Täters „steckenbleibt“, sind nicht selten. So war etwa das Handeln eines „Lebensmittelerpressers“, der mit tödlichen Substanzen versetzte Gläschen mit Babynahrung in Supermarktregalen platziert hat, um eine Zahlung in Millionenhöhe zu erlangen (wozu es nicht kam), unter dem Gesichtspunkt des versuchten Mordes und der versuchten schweren räuberischen Erpressung mit Todesfolge (§§ 251, 255, 22, 23 StGB) zu beurteilen gewesen. Ebenfalls denkbar ist etwa ein versuchter schwerer Raub mit Todesfolge gemäß den §§ 251, 22, 23 StGB (in Tateinheit mit versuchtem Totschlag), bei dem die lebensgefährlichen Gewalthandlungen gegen das Opfer erst verübt worden sind, als die Wegnahme schon erfolgt war.

In Bezug auf einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) unterscheiden sich der sog. erfolgsqualifizierten Versuch und die sog. versuchten Erfolgsqualifikation nicht wesentlich. Bei letzterer muss der Täter von der Herbeiführung des in Kauf genommenen qualifizierenden Erfolges entsprechend § 24 StGB zurücktreten: Rücktritt vom versuchten erfolgsqualifizierten Delikt ist dadurch möglich, dass der Täter das Eintreten der Folge verhindert. Im ersten Fall, in dem das Grunddelikt unvollendet bleibt, müssen sich die Rücktrittshandlungen auf eben jenes beziehen, allerdings: das in der Erfolgsqualifikation verkörperte Unrecht ist bereits eingetreten. Daher wird die Anwendbarkeit des § 24 StGB auf solche Fälle zwar teilweise verneint (ein Rücktritt als „Gefährdungsumkehr“ sei nicht mehr möglich), überwiegend in Rechtsprechung und Lehre aber bejaht und die Folgen des gefahrträchtigen Handelns etwa aus § 222 StGB hergeleitet.

Ergo: Nicht nur wegen der vom BGH angewendeten Auslegungsmethodik ein examensrelevanter Fall!

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