Negative Beschaffenheitsvereinbarung und Haftungsausschluss bei Unfallschäden

Negative Beschaffenheitsvereinbarung und Haftungsausschluss bei Unfallschäden

Ein Käufer erwirbt bei einer Gebrauchtwagenhändlerin ein älteres Fahrzeug. Im Vertrag heißt es: „Es ist möglich, dass das Fahrzeug nicht unfallfrei ist. Der Verkäufer übernimmt keine Haftung für evtl. vorhandene Unfallschäden.“ Kurz nach Übergabe entdeckt der Käufer erhebliche Vorschäden. Er tritt vom Kaufvertrag zurück – und der Fall landet vor dem OLG Köln (Urt. v. 09.04.2025 - 11 U 20/24).

Im Zentrum steht die Frage: Liegt eine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung vor – oder ein unzulässiger Haftungsausschluss im Verbrauchsgüterkauf? Warum die Unterscheidung entscheidend ist und was Du Dir für Deine Prüfung merken solltest, liest Du hier.

Kaufvertrag mit Unklarheiten- Der Fall im Überblick

A kaufte im Juni 2023 von B, einer gewerblichen Gebrauchtwagenhändlerin, einen 16 Jahre alten Opel Astra GTC. Im verwendeten ADAC-Kaufvertragsformular befanden sich zwei Ankreuzfelder zur „Unfallfreiheit“ und zu „Nachlackierungen“. Das Feld „lt. Vorbesitzer unfallfrei“ blieb offen. Stattdessen enthielt der Vertrag die Formulierung:

„Es ist möglich, dass das Fahrzeug nicht unfallfrei ist. Der Verkäufer übernimmt keine Haftung für evtl. vorhandene Unfallschäden.“

Kurz nach Übergabe stellte A Lackunterschiede an mehreren Fahrzeugteilen fest – insbesondere an der Frontstoßstange, dem Kotflügel und der Beifahrertür. Ein Gutachter stellte nachträgliche Spachtel- und Lackarbeiten sowie Reparaturspuren an tragenden Karosserieteilen fest. Es handelte sich eindeutig um die Folgen eines Unfalls mit erheblichen Eingriffen.

A erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückabwicklung. B verweigerte dies unter Berufung auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss. Das Landgericht Aachen gab A Recht. Die Berufung der Händlerin zum OLG Köln blieb erfolglos.

Beschaffenheitsvereinbarung oder Haftungsausschluss - So bewertet das OLG Köln die Klausel

1. Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB)

Zunächst stellte das OLG Köln klar: Bei dem Vertrag handelte es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. A als Verbraucher (§ 13 BGB) kaufte von B als Unternehmerin (§ 14 BGB) eine bewegliche Sache. Damit greifen die besonderen Schutzvorschriften der §§ 474 ff. BGB.

Zur Wiederholung für Deine Klausur:

  • Die §§ 434 ff. BGB regeln die allgemeinen Gewährleistungsrechte (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz).

  • Die §§ 475 ff. BGB gelten nur im Verbrauchsgüterkauf und modifizieren das allgemeine Mängelrecht zugunsten des Käufers – etwa durch Einschränkungen beim Haftungsausschluss und besondere Formerfordernisse bei Beschaffenheitsvereinbarungen.

Die §§ 475 ff. BGB gelten nur im Verbrauchsgüterkauf und modifizieren das allgemeine Mängelrecht zugunsten des Käufers – etwa durch Einschränkungen beim Haftungsausschluss und besondere Formerfordernisse bei Beschaffenheitsvereinbarungen.

2. Sachmangel i.S.v. § 434 III BGB

Das OLG bejahte einen Sachmangel gemäß § 434 III Nr. 2 BGB. Danach liegt ein Mangel vor, wenn die Sache nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, die der Käufer bei Sachen gleicher Art erwarten darf. Auch bei einem älteren Gebrauchtwagen darf – sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wird – erwartet werden, dass keine erheblichen, nicht offenbarten Unfallschäden vorliegen.

A musste nicht mit dem Vorschaden rechnen, da keine ordnungsgemäße Offenlegung erfolgt war. B wäre zur Aufklärung verpflichtet gewesen. Im Falle eines vorsätzlichen Verschweigens hätte A den Vertrag sogar anfechten können (§ 123 BGB) – das war hier aber nicht entscheidungserheblich.

3. Keine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 III BGB i.V.m. § 476 I 2 BGB)

Der Kernpunkt der Entscheidung: Die Klausel im Vertrag stellte keine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung dar.

Nach § 434 III 1 BGB können Käufer und Verkäufer vereinbaren, dass die Kaufsache von den objektiven Anforderungen abweicht – also z. B. Vorschäden vorliegen dürfen. Aber: Im Verbrauchsgüterkauf ist das nur unter den Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB zulässig:

  • Der Verbraucher muss vor Vertragsschluss gesondert informiert werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht

  • und er muss der Abweichung ausdrücklich und gesondert zustimmen.

Beides war hier nicht erfüllt. Die Formulierung war unauffällig im Fließtext des Formulars versteckt, ohne gesonderte Hervorhebung. Zudem bezweifelt der Senat bereits, dass in der Klausel eine negative Beschaffenheitsvereinbarung liegt: Denn die Klausel lässt es offen, ob der Käufer eine Sache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit i.S.v. § 434 III BGB nun abweicht oder nicht. Dies sei mit der von § 476 I 2 BGB bezweckten Warnfunktion nicht vereinbar.

4. Kein wirksamer Haftungsausschluss (§ 476 I BGB)

Auch als Haftungsausschluss hielt die Klausel der Prüfung nicht stand. Nach § 476 I 1 BGB ist es dem Unternehmer verboten, im Verbrauchsgüterkauf die gesetzlichen Mängelrechte vor Kenntnis vom Mangel auszuschließen oder zu beschränken.

Die Formulierung war daher auch als Haftungsausschluss unwirksam – unabhängig davon, wie man sie rechtlich einordnet.

5. Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB

Da ein Sachmangel vorlag und weder eine wirksame Beschaffenheitsvereinbarung noch ein zulässiger Haftungsausschluss gegeben war, konnte A wirksam vom Vertrag zurücktreten (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB). Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich (§ 323 II Nr. 3 BGB), da B die Nachbesserung verweigerte.

Was Du Dir für Deine Kaufrechtsklausur merken solltest

Das OLG Köln macht deutlich: Im Verbrauchsgüterkauf gelten strenge Anforderungen an eine negative Beschaffenheitsvereinbarung. Will der Verkäufer von den objektiven Anforderungen des § 434 III BGB abweichen – etwa weil das Fahrzeug doch einen Unfallschaden hat – muss diese Abweichung klar erkennbar, hervorgehoben und gesondert vereinbart sein.

Für Deine Klausur bedeutet das:

  • Prüfe zuerst, ob ein Sachmangel nach § 434 BGB vorliegt.

  • Unterscheide dann sauber zwischen einer Beschaffenheitsvereinbarung und einem Haftungsausschluss.

  • Und achte beim Verbrauchsgüterkauf besonders auf die Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB.

Gerade im Gebrauchtwagenkauf ist diese Konstellation ein beliebter Klausurklassiker. Wer hier präzise arbeitet, sammelt wertvolle Punkte!

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