Handelt es sich bei einem undichten Terrassendach nur um ein bloßes Mangelsymptom oder bereits um einen Sachmangel?
Im Falle des Vorliegens eines Sachmangels kann der Käufer Schadensersatz verlangen, nicht jedoch bei Vorhandensein eines bloßen Mangelsymptoms. Wenn Wasser durch ein Terrassendach eintritt, aber die Ursache dafür unklar ist, kann dann der Käufer von dem Verkäufer trotzdem Schadensersatz verlangen?
A. Sachverhalt
Die Kläger (K) erwarben per notariell beurkundeten Vertrag von den Beklagten (B) ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Dabei wurde die Sachmängelhaftung ausgeschlossen. Bereits vor dem Kaufvertragsschluss kam es an verschiedenen Stellen einige Male zu Wassereintritten durch das aus Kunststoff bestehende Terrassendach sowie das dachpfannengedeckte Hausdach. Im Rahmen eines durchgeführten selbstständigen Beweisverfahrens ergaben sich zwei unabhängig voneinander bestehende Ursachen für den Wassereintritt und zwar zum einen eine mangelhafte Abdichtung des Kunststoffterrassendachs zur Hauswand und zum anderen Folienabrisse unter den Dachpfannen des Hausdachs in den Anschlussbereichen. Die ermittelten Schadensbeseitigungskosten beliefen sich auf 32.100 Euro (9.900 Euro für das Terrassendach und 22.200 Euro für das Hausdach). Die Arbeiten wurden noch nicht durchgeführt.
Die K verlangen von B unter anderem die Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 32.100 Euro.
B. Entscheidung
Die K machen insofern einen Schadensersatzanspruch geltend.
Vertraglicher Anspruch
Die K könnten gegen B einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung i.H.v. 32.100 Euro nach §§ 437 Nr. 3, 280 I 1, III, 281 I 1 BGB haben.
(Vertragliche Primäransprüche, welche aus Sicht des Käufers auf Erfüllung nach § 433 I 1 BGB gerichtet sind, kommen nicht in Betracht. Bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch im Rahmen des Gewährleistungsrechts handelt es sich um einen vertraglichen Sekundäranspruch.)
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 437 Nr. 3, 280 I 1, III, 281 I 1 BGB sind:
I. Kaufvertrag
II. Gewährleistungsgrund bei Gefahrübergang
III. Kein Gewährleistungsausschluss
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz
V. Durchsetzbarkeit
I. Kaufvertrag
Zwischen K und B ist ein entsprechender notariell beurkundeter Kaufvertrag über das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück geschlossen worden, §§ 433, 311b I 1 BGB.
II. Gewährleistungsgrund bei Gefahrübergang
Ferner müsste ein Gewährleistungsgrund, also ein Sachmangel nach § 434 BGB, bei Gefahrübergang bestanden haben.
1. Sachmangel
Gem. § 434 I BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. Damit besteht ein Gleichrang dieser Fehlerbegriffe. Um eine mangelfreie Sache handelt es sich nur, wenn alle Kriterien kumulativ erfüllt sind. Ein Sachmangel liegt vor bei einer negativen Abweichung der Ist-Anforderungen von den Soll-Anforderungen. Vorliegend könnte das undichte Terrassendach den objektiven Anforderungen nicht entsprechen.
Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung entspricht die Sache den objektiven Anforderungen nach § 434 III 1 Nr. 1 BGB, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. Eine Eignung zur gewöhnlichen Verwendung ist objektiv zu beurteilen. Dabei ist ein Sachmangel, der Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs ist, von einem bloßen Mangelsymptom, welches keinen Schadensersatzanspruch begründet, abzugrenzen.
„Unter einem Mangelsymptom sind äußerliche Merkmale eines Mangels zu verstehen, die auf dessen Vorhandensein schließen lassen …. Von Mangelsymptomen kann also (nur) gesprochen werden, wenn die jeweiligen Umstände für sich genommen die Merkmale eines Sachmangels im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB aF (noch) nicht erfüllen. So begründet etwa nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel, sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei im Einzelnen von Bedeutung ist, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der Keller Wohnzwecken diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind; Feuchtigkeitsflecken, die auf einen feuchten Keller schließen lassen können, sind daher (nur) Mangelsymptome ….
Hiervon abzugrenzen sind wiederholte Wassereintritte durch ein Terrassendach …. Denn es entspricht nicht der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF) eines mit einer überdachten Terrasse verkauften Hausgrundstücks, dass ein solches Terrassendach bei Regen undicht ist.“
Dementsprechend stellen die Wassereintritte durch das Terrassendach nicht lediglich ein bloßes Mangelsymptom dar, sondern einen Sachmangel nach § 434 III 1 Nr. 1 BGB.
2. Bei Gefahrübergang
Dieser Sachmangel lag bei der Übergabe und somit bei Gefahrübergang nach § 446 S. 1 BGB vor.
III. Kein Gewährleistungsausschluss
Es dürfte kein Gewährleistungsausschluss vorliegen. Ein gesetzlicher Gewährleistungsausschluss (z.B. nach § 442 I 1 BGB) ist nicht gegeben. Allerdings haben die Parteien einen vertraglichen Gewährleistungsausschluss getroffen. Dieser findet jedoch seine Grenze in § 444 BGB. Danach kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat.
„Klärt der Verkäufer eines Hausgrundstückes den Käufer nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach auf, handelt er arglistig, auch wenn er deren Ursache(n) nicht oder nur teilweise kennt.”
Arglist setzt nach ständiger Rechtsprechung Eventualvorsatz voraus. Leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt ebenso wenig wie ein bewusstes Sichverschließen.
„Ein arglistiges Verschweigen eines Mangels im Sinne von § 444 BGB ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Der Verkäufer muss, sofern es sich nicht um einer Besichtigung zugängliche und ohne weiteres erkennbare Mängel handelt, die der Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann, gemäß seinem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten ….“
Maßgebend ist dabei allein,
„ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt; nicht relevant ist dagegen, ob er daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels zieht …, zumal im Einzelfall auch eine Offenbarungspflicht des Verkäufers bei bloßen Mangelsymptomen, die für den Käufer nicht ohne weiteres erkennbar sind, bestehen kann …. Ebenso wenig ist relevant, ob der Verkäufer die Mangelursache kennt … oder ob ihm nur eine von mehreren Ursachen des Sachmangels bekannt ist.”
Demnach haben B den Mangel arglistig verschwiegen. Damit liegt kein (wirksamer) Gewährleistungsausschluss vor.
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz
Als Rechtsfolge können K nach §§ 437 Nr. 3, 280 I 1, III, 281 I 1 BGB Schadensersatz verlangen. Gem. §§ 437 Nr 1, 439 I BGB ist der Käufer zunächst verpflichtet, Nacherfüllung zu verlangen. Dabei steht dem Käufer grundsätzlich das Wahlrecht zwischen Mangelbeseitigung oder Nachlieferung zu, es sei denn, es liegt ein Fall von § 275 I, II, III BGB oder § 439 IV BGB vor. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung (vgl. § 440 BGB) kann der Gläubiger Schadensersatz gem. § 437 Nr 3 BGB verlangen jeweils unter Verweis auf die angegebenen Vorschriften. (Dazu hat sich der BGH nicht geäußert.)
Zudem müssten K einen Schaden, also ein unfreiwilliges Vermögensopfer, erlitten haben. Im Rahmen der von § 249 I BGB vorausgesetzten Differenzhypothese (= Differenz zwischen realer und hypothetischer Vermögenslage) kann Schadensersatz verlangt werden. Als Schadenspositionen werden die Mängelbeseitigungskosten für das Terrassendach i.H.v. 9.900 Euro und für das Hausdach i.H.v. 22.200 Euro und somit insgesamt 32.100 Euro als Schaden geltend gemacht. Dabei ist zu beachten, dass die Reparaturarbeiten noch nicht durchgeführt worden sind. Dementsprechend kann nach § 249 II 2 BGB die Umsatzsteuer nicht angesetzt werden.
„Der Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs. 1, 3 BGB kann anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden. Den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag hat der Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu ermitteln ….“
Somit kann Schadensersatz i.H.v. 32.100 Euro verlangt werden.
V. Durchsetzbarkeit
Gewährleistungsansprüche sind z.B. nicht durchsetzbar, wenn ein Fall der §§ 275 II, III, 439 IV BGB gegeben ist oder sie verjährt sind. Die Verjährung der Mängelansprüche ist in § 438 BGB geregelt. Gem. § 438 I Ziff. 2 BGB verjähren diese bei einem Bauwerk in 5 J. Die Ansprüche sind noch nicht verjährt und somit durchsetzbar.
Ergebnis
Die K haben gegen B einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung i.H.v. 32.100 Euro nach §§ 437 Nr. 3, 280 I 1, III, 281 I 1 BGB.
C. Prüfungsrelevanz
Das Gewährleistungsrecht des Kaufrechts ist ein großer Schwerpunkt der Examensklausuren. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um die Abgrenzung eines bloßen Mangelsymptoms von einem Sachmangel sowie der Arglist im Rahmen eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses.
Die Entscheidung ist höchst prüfungsrelevant, da sie die Möglichkeit bietet, sich mit den üblichen Fragestellungen des Leistungsstörungsrechts auseinanderzusetzen.
(BGH Urt. v. 27.10.2023 – V ZR 43/23)
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