Ist ein eBay-Verkäufer automatisch Unternehmer? - Unternehmereigenschaft im Onlinehandel

Ist ein eBay-Verkäufer automatisch Unternehmer? - Unternehmereigenschaft im Onlinehandel

Die Abgrenzung zwischen einem Handeln als Unternehmer und als Verbraucher hat signifikante Auswirkungen auf die Anwendbarkeit wesentlicher zivilrechtlicher Ansprüche, Haftungsausschlüsse. Der Verbrauchsgüterkauf, also ein Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, wird auf europäischer Ebene nämlich durch die Verbraucherrechterichtlinie besonders geregelt. Sinn und Zweck ist, dass der Verbraucher umfassend geschützt werden soll. Auswirkungen hat dies beispielsweise auf die Anwendbarkeit des Widerrufsrechts, die Beweislastumkehr und Vereinbarungen über einen Haftungsausschluss. Die Unternehmereigenschaft des Verkäufers hat also erhebliche Auswirkungen auf die Rechte des Verbrauchers. Das OLG Brandenburg hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 04.02.2025 (Az. 6U 48/24) zu der Unternehmereigenschaft eines Verkäufers auf einer Onlineplattform Stellung bezogen.

Bootskauf über eBay - Der Fall im Überblick

A hat auf eBay seit 15 Jahren ein Benutzerkonto, das insgesamt 600 Transaktionen des A verzeichnet, bei denen er teils als Käufer und teils als Verkäufer agierte. Bei den verkauften Gegenständen des A handelte es sich um eine bunte Mischung. Von Uhren und dazugehörigen Accessoires über Schmuck und Bücher bis hin zu Autozubehör war alles vertreten. Einen besonderen Status wie z.B. „PowerSeller” hat A bisher noch nicht erreicht.

Zuvor arbeitete A 20 Jahre als Kfz-Händler. Daneben war er vor zehn Jahren im Boottransport tätig. Beide Gewerbe unterhält A mittlerweile nicht mehr.

A inserierte auf dieser Plattform nun sein gebrauchtes Boot als „Bastlerobjekt“ bzw. „Ersatzteilspender“ zu einem Preis von 7.490,00 Euro zum Verkauf. In seiner Annonce schrieb A: „Ich hatte das Boot vor ein paar Jahren angefangen zu restaurieren, es wurden unter anderem neue Sitze verbaut und auch die Liegeplane wurde neu angefertigt.“ B nahm dieses Angebot an und kaufte das Boot für 7.490,00 Euro. A und B vereinbarten, dass für den Fall der Nichterfüllung ein pauschaler Schadensersatzanspruch zu zahlen ist. Darüber hinaus vereinbarten sie einen Gewährleistungsausschluss.

Nach ein paar Tagen widerrief B allerdings den Kaufvertrag und weigerte sich, den Kaufpreis an A zu zahlen. Hilfsweise trat B von dem Kaufvertrag zurück. Er ist der Überzeugung, dass das Boot wegen der eingebauten Sitze und der Plane mangelhaft sei. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass die Sitze und die Plane neu sein sollten.

A erhob daher Klage vor dem LG Cottbus auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Bootes gemäß § 433 II BGB. Das LG wies die Klage des A ab, weil B den Kaufvertrag wirksam widerrufen habe. Damit wollte sich A jedoch nicht zufriedengeben und legte Berufung vor dem OLG Brandenburg ein.

Klausurtipp: Feststellung des Annahmeverzugs

In diesem Fall beantragte der A zusätzlich noch die Feststellung des Annahmeverzugs des B. Warum ist es hier taktisch klug und wichtig gewesen, dass A die Feststellung des Annahmeverzugs beantragte? Der Annahmeverzug des Beklagten hat mehrere rechtliche Konsequenzen, die für den Kläger vorteilhaft sein können. Materiell-rechtlich hat es für den Kläger den Vorteil, dass er gemäß § 326 II BGB während des Annahmeverzugs des Schuldners vor dem Verlust seines Vergütungsanspruchs geschützt wird, wenn die Leistung während des Annahmeverzugs unmöglich werden sollte. Prozessual gesehen ist die Feststellung des Annahmeverzugs bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung Grundvoraussetzung für die Zwangsvollstreckung gemäß § 274 II BGB.

Verbrauchsgüterkauf oder Privatkauf? So entschied das OLG Brandenburg

Mit seiner Berufung hatte A Erfolg. Das OLG hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verurteilte B den vereinbarten Kaufpreis an A Zug um Zug gegen Übereignung des Bootes zu zahlen. Der Kaufvertrag bleibt also bestehen.

Da B den Kaufvertrag zum einen widerrufen hat und zum anderen Sachmängel geltend gemacht hat, musste sich das OLG zum einen mit dem Widerrufsrecht und zum anderen mit dem Rücktrittsrecht auseinandersetzen.

  1. Widerrufsrecht gemäß §§ 312g, 312c iVm § 355 BGB

Das Widerrufsrecht findet nur im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs Anwendung - also wenn der Verkäufer als Unternehmer und der Käufer als Verbraucher aufgetreten sind. Das OLG hatte daher folgende Frage zu beantworten:

Hat der Verkäufer als Unternehmer iSd § 14 BGB gehandelt?

Dies lehnten die Richter:innen ab, denn “über die Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich entscheidet nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch die Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts und die Begleitumstände.” Demnach habe A als Verbraucher gehandelt. Das OLG begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

  • A habe lediglich 600 Transaktionen über einen Zeitraum von 15 Jahren getätigt. Dies seien im Durchschnitt nur 3 Transaktionen pro Monat. Hieraus könne kein planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten von entgeltlichen Leistungen erblickt werden.

  • A sei kein besonderer Status wie z.B. „PowerSeller” verliehen worden, der auf ein gewerbliches Handeln hindeute.

  • Auch die Art der vertriebenen Artikel indiziert keine Unternehmereigenschaft, weil A dargelegt habe, dass es sich bei den verkauften Artikel hauptsächlich um Sammlerstücke gehandelt habe.

  • Letztlich rechtfertige die verwendete Haftungsregelung auch keine andere Beurteilung. Auch wenn es im Geschäftsverkehr zwischen Verbrauchern ungewöhnlich sei, dass für den Fall der Nichtleistung ein pauschaler Schadensersatzanspruch vereinbart wird, könne allein hieraus kein gewerbliches Handeln abgeleitet werden.

Folglich lag kein Verbrauchsgüterkauf vor, den B widerrufen konnte. B stand also kein Widerrufsrecht zur Verfügung.

Klausurtipp

Das OLG hat in seinem Urteil ausdrücklich betont: “Ist der Abschluss eines Vertrags weder überwiegend der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Verkäufers zuzuordnen, ist das Handeln dem privaten Bereich zuzuordnen.”

  1. Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 433, 434, 323, 346 BGB

Danach musste das OLG prüfen, ob B hilfsweise von dem Kaufvertrag zurücktreten konnte. Hierbei mussten die Richter:innen klären:

Entsprechen die eingebauten Sitze und die Plane der vereinbarten Beschaffenheit?

Dies bejahte das Gericht. Folglich lag somit kein Sachmangel gemäß § 434 BGB vor, der B zu einem Rücktritt berechtigt habe. A und B hätten nicht vereinbart, dass die eingebauten Sitze und die Plane zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses neu sein sollten. Dies begründete das OLG wie folgt:

  • Aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes gemäß §§ 133, 157 BGB sei bei verständiger Würdigung die Angabe des A, dass er sein Boot vor ein paar Jahren angefangen habe zu restaurieren und unter anderem neue Sitze eingebaut und eine neue Plane angefertigt habe, so verstehen, dass diese gegenständlich bei Einbau neu waren. Eine Aussage über die Qualität der Gegenstände zum Zeitpunkt des Kaufes habe A damit nicht getroffen.

  • Hierfür spreche auch die weitere Beschreibung des Bootes als „Bastlerobjekt” und „Ersatzteilspender

  • Aus der Verwendung der Formulierung „ein paar Jahren” könne lediglich geschlossen werden, dass sich das Zurückliegen der Restaurierungsarbeiten auf einen unbestimmten Zeitraum beziehe. Es gehe nicht hervor, dass die Umbauarbeiten erst zwei bis drei Jahre her seien.

  • Darüber hinaus habe A die Zeitform des Plusquamperfektes gewählt, also die abgeschlossene Vergangenheitsform. Hieraus lasse sich allenfalls der Umstand ableiten, dass die Sitze und die Plane nicht so alt seien wie das Boot selbst.

Ein Sachmangel könne sich daher nur daraus ergeben, dass die Gegenstände über eine altersgemäße Alterung hinausgehend beschädigt seien. Dies habe B allerdings nicht vorgetragen.

Klausurtipp

Da A und B folglich beide als Verbraucher aufgetreten sind, war der Gewährleistungsausschluss auch unproblematisch möglich und auch wirksam, weil B diesem zugestimmt hat. Selbst wenn ein Sachmangel vorgelegen habe, wäre das Rücktrittsrecht schon aus diesem Grund ausgeschlossen gewesen. Aus klausurtaktischen Gründen ist es hier trotzdem wichtig, dass Du in Deiner Klausur einen Fokus auf den Sachmangel legst. Wenn der Haftungsausschluss offensichtlich wirksam ist, schneidest Du Dir sonst den Schwerpunkt des Falls ab und verlierst wertvolle Punkte.

Argumentation im Kaufrecht - Was Du für Deine Klausur mitnehmen kannst

Dieser Fall ist ein gutes Beispiel, dass Kaufrechtsklausuren auch gut mit klassischen Themen aus dem BGB AT kombiniert werden können und dient als gute Erinnerung für Dich, dass der Schwerpunkt Deiner Klausur durchaus auch mal in der Prüfung der Unternehmenseigenschaft des Verkäufers liegen kann.

Außerdem zeigt Dir das OLG mit seiner Entscheidungsbegründung lehrbuchartig, wie Du die konkreten Angaben aus dem Sachverhalt als Begründung heranziehen kannst und welche Argumente Du schon alleine mit den Sachverhaltsangaben in Deiner Klausur mitgeliefert bekommst. In der Regel lässt sich hieraus auch oftmals die Lösung des Falls ableiten. Deine Aufgabe ist es dann, dass Du diese Argumente erkennst und sinnvoll auswertest. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass Du es schaffst, mit diesen Hilfsmitteln eine logische und strukturierte Argumentation aufzubauen, die Deine rechtliche Bewertung belegt. Das juristische Wissen ist die Grundvoraussetzung für jede Falllösung, die Argumentation und Würdigung ist mindestens ebenso, wenn nicht sogar der viel wichtigere Baustein für Deine Klausur.

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