
Ist eine Entschuldigung automatisch ein Schuldanerkenntnis? Mit dieser prüfungsrelevanten Frage hat sich das OLG Dresden im Beschluss vom 06.01.2025 (Az. 4 U 1192/24) auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt: Die Äußerung einer Tierärztin nach einer möglicherweise fehlerhaften Behandlung – „es tue ihr furchtbar leid“. Das Gericht hatte zu klären, ob eine solche Äußerung als haftungsbegründendes Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB zu werten ist. Dabei zeigt die Entscheidung, wie essenziell die Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB für die Bestimmung des Rechtsbindungswillens ist. Denn der objektive Empfängerhorizont entscheidet, ob eine Entschuldigung rechtliche Verpflichtungen auslöst.
Streit um tierärztlichen Behandlungsfehler – Der Fall im Überblick
Eine Hundehalterin hatte ihren Vierbeiner für eine orthopädische Operation und die damit verbundene Nachsorge einer Tierärztin gegeben. In der postoperativen Phase verschlechterte sich der Zustand des Tieres jedoch deutlich – das Bein entzündete sich schwer, was schließlich zum Tod führte. Die Hundehalterin warf der behandelnden Tierärztin einen Behandlungsfehler vor – die Operation sowie die Nachsorge seien fehlerhaft bzw. unzureichend durchgeführt worden.
Sie verlangte daher Schadensersatz wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung, gestützt auf vertragliche Ansprüche gemäß §§ 611, 280 I BGB sowie deliktische Ansprüche aus § 823 I BGB. Ein besonderes Augenmerk legte sie auf eine Sprachnachricht der behandelnden Tierärztin, in der diese sagte, „es tue ihr furchtbar leid, was passiert sei“. Darin sah die Klägerin ein haftungsbegründendes Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB.
Pflichtverletzung oder nicht? – So bewertet das OLG Dresden die Behandlung
Das OLG kam zu dem Schluss, der Klägerin stehe weder aus §§ 611, 280 I BGB noch aus § 823 I BGB ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung zu.
Als zentrale Aspekte ging das Gericht dabei auf die Beweislast der Klägerin für eine (vertrags-)pflichtwidrige Behandlung und deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden (1.) sowie auf die Untersuchung der Sprachnachricht der beklagten Tierärztin auf ihre Rechtsverbindlichkeit (2.) ein.
1. Beweislast für Pflichtverletzung in Form eines Behandlungsfehlers
Der Hundehalterin sei der Beweis für einen Behandlungsfehler nicht gelungen. Auf Grundlage der nachvollziehbaren und gut begründeten Ausführungen des gerichtlich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens sei weder die Operation noch die Nachsorge des Hundes behandlungsfehlerhaft erfolgt. Entsprechend der allgemeinen Beweislastgrundsätze traf die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die (vertrags-)pflichtwidrige Behandlung und deren Kausalität für den geltend gemachten Schaden
Zur Erinnerung – Beweislastverteilung im Zivilprozess
Jede Partei muss die für sie günstigen Tatsachen beweisen.
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Kläger, soweit es um die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs geht.
Der Beklagte trägt die Beweislast für rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen.
Beweiserleichterungen und -umkehrungen mildern in der Praxis oft die Beweislast des Geschädigten.
2. Entschuldigung als Schuldanerkenntnis? – Rechtsverbindlichkeit einer Willenserklärung
Die Sprachnachricht der Tierärztin sei unter Zugrundelegung des wirklichen Willens der Erklärenden gem. § 133, 157 BGB als rechtsunverbindliche Willenserklärung einzuordnen.
Für ein konstitutives Anerkenntnis nach § 781 BGB fehle es der mündlichen Äußerung, „es tue ihr furchtbar leid“ bereits am Schriftformerfordernis.
Auch ein formlos mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei nicht gegeben. Hierfür sei laut OLG entscheidend, dass die Tierärztin - nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. § 133, 157 BGB - nicht mit erkennbarem Rechtsbindungswillen gehandelt habe. Die Aussage sei im Kontext eines informellen Gesprächs gefallen, ohne dass Umfang oder Rechtsgrund der „Haftung“ konkretisiert worden seien. Das Gericht wies darauf hin, dass gerade im sensiblen Bereich von Behandlungsfehlern der Ausdruck menschlichen Mitgefühls in Form von Bedauern des Behandlungsverlaufs nicht als Eingeständnis eines Behandlungsfehlers gewertet werden könne.
Zur Wiederholung für Dich
Ein Anerkenntnis im rechtlichen Sinne kann entweder deklaratorischer oder konstitutiver Natur sein. Während ein konstitutives Anerkenntnis nach § 781 BGB eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, durch die der Schuldner eine neue, selbstständige Verpflichtung nach §§ 311, 241 BGB begründet, dient ein deklaratorisches Anerkenntnis lediglich der Klarstellung oder Beweiserleichterung eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses. Merke Dir also, dass ein deklaratorisches Anerkenntnis daher auch nicht als eigene Anspruchsgrundlage geprüft wird, sondern bei den einzelnen Tatbestandsmerkmalen. Die Abgrenzung nimmst Du anhand der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB vor. Denke daran, dass Du hierbei stets auf den objektiven Empfängerhorizont abstellst.
Konstitutives vs. deklaratorisches Anerkenntnis – Was Du in der Klausur wissen musst
In Klausuren kann ein Anerkenntnis insbesondere im Vertragsrecht (§§ 280 ff. BGB) und im Deliktsrecht (§ 823 BGB) relevant werden – typischerweise bei Behandlungs-, Beratungs- oder Werkleistungsfehlern (z. B. Arzt-, Tierarzt- oder Handwerkerverträge). Zentraler Prüfungspunkt ist dabei oft die Abgrenzung zwischen deklaratorischem und konstitutivem Anerkenntnis – wobei es entscheidend auf den Kontext und die objektive Auslegung der Erklärung ankommt (§§ 133, 157 BGB). Wer genau hinsieht, erkennt in dieser Entscheidung des OLG Dresden eine lehrreiche Verknüpfung gleich mehrerer Schuldrecht-AT Probleme wie Pflichtverletzungsprüfung, Beweislastregeln, Auslegung von Willenserklärungen und Schuldanerkenntnis – ideales Prüfungsfutter für Studierende, Examenskandidaten und Praktiker im Schuldrecht AT.
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