BGH zur Schenkung eines Miteigentumsanteils an einen Minderjährigen

BGH zur Schenkung eines Miteigentumsanteils an einen Minderjährigen

Ist es lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn das Grundstück nicht vermietet ist?

Der Erwerb eines Grundstücks ist für einen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB, wenn er nur dinglich haftet. Nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist dies jedoch, wenn er auch persönlich haftet. Sofern das Grundstück weder vermietet noch verpachtet ist, ist dann der Erwerb eines Miteigentumsanteils daran lediglich rechtlich vorteilhaft?

A. Sachverhalt

Der Vater (Beteiligter zu 1) von zwei minderjährigen Kindern (Beteiligte zu 3 und 4) ist Eigentümer eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag hat er das Eigentum daran schenkweise zu je ½ - Anteil auf seine Kinder übertragen, wobei die Kinder jeweils von ihm und der Mutter, seiner Ehefrau, (Beteiligte zu 2) vertreten wurden. Das Grundbuchamt hat die Eintragung der Eigentumsübertragung im Grundbuch von der Genehmigung der Auflassung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig gemacht. Dem sind die Beteiligten entgegengetreten.

Die Beteiligten begehren die Eintragung der minderjährigen Kinder als Eigentümer des Grundstücks zu je ½ - Anteil.

B. Entscheidung

Eigentumserwerb an einem Grundstück

Der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück setzt materiell-rechtlich nach §§ 873, 925 I BGB voraus:

  1. Auflassung nach § 873 I 1. Alt. BGB in der Form des § 925 I 1, 2 BGB

  2. Eintragung in das Grundbuch, § 873 I BGB

  3. Einigsein, § 873 II BGB

  4. Berechtigung, § 873 I BGB.

1. Auflassung nach § 873 I 1. Alt. BGB in der Form des § 925 I 1, 2 BGB

Materiell-rechtlich ist zunächst eine Einigung zwischen dem Vater und den Kindern erforderlich, dass das Eigentum an dem Grundstück zu je ½ - Anteil an die Kinder übergeht, §§ 873 I 1. Alt., 925 I 1, 2 BGB (=Auflassung).

Verfahrensrechtlich ist das Grundbuchamt nach § 20 GBO ebenfalls verpflichtet zu prüfen, ob eine materiellrechtliche Einigung nach §§ 873 I 1. Alt., 925 I 1, 2 BGB vorliegt (=sog. materielles Konsensprinzip).

Die Kinder haben keine Willenserklärungen abgegeben. Der Vater hat als Veräußerer und die Eltern haben für ihre Kinder als Erwerber die Auflassung des Grundstücks zu je ½ - Miteigentumsanteil erklärt, § 873 I 1. Alt. BGB. Dies ist in der erforderlichen Form der gleichzeitigen Anwesenheit vor einer zuständigen Stelle, dem Notar, geschehen gemäß § 925 I 1, 2 BGB. Unter den Voraussetzungen des § 164 I, III BGB wirkt ihr Handeln für und gegen ihre Kinder. Die Stellvertretung ist zulässig. § 925 I 1 BGB setzt nur gleichzeitige, nicht jedoch persönliche Anwesenheit voraus. Die Eltern haben als Stellvertreter für ihre Kinder eine eigene Willenserklärung abgegeben, indem sie die Auflassung angenommen haben. Dabei haben sie im Namen ihrer Kinder gehandelt, § 164 I 1, 2 1. Alt. BGB. Ihre Vertretungsmacht ergibt sich aus §§ 1626 I, 1629 I 1, 2, 1. Hs. BGB.

a) Vertretungsausschluss

Sie hätten jedoch nicht innerhalb ihrer Vertretungsmacht gehandelt, sofern ein Vertretungsausschluss vorliegt.

aa) Vater

Der Vater handelt als Veräußerer für sich im eigenen Namen und zugleich als Vertreter für seine Kinder als Erwerber, sodass ein Vertretungsausschluss nach §§ 1629 II 1, 1824 II, 181, 1. Alt. BGB vorliegt.

bb) Mutter

Die Mutter vertritt ebenfalls ihre Kinder als Erwerber und auf der anderen Seite steht ihr Ehegatte als Veräußerer, sodass ein Vertretungsausschluss nach §§ 1629 II 1, 1824 I Nr. 1, 1. Alt. BGB gegeben ist.

b) Ausnahmen

Es könnten jedoch Ausnahmen von den Vertretungsausschlüssen gegeben sein.

aa) Gestattung

Eine nur in Bezug auf § 181 BGB mögliche konkludente Gestattung der Eltern gem. §§ 133, 157 BGB als Vertreter ihrer Kinder aufgrund der Vornahme der Auflassung scheidet aus, da auch insofern ein Vertretungsausschluss gem. §§ 1629 II 1, 1824 II, 181, 1. Alt. BGB vorliegen würde.

bb) Erfüllung einer Verbindlichkeit

Die Auflassung könnte jedoch die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus einem Schenkungsvertrag gem. § 516 I BGB darstellen (Das wurde vom BGH nicht geprüft.). Es handelt sich um eine unentgeltliche Zuwendung aus dem Vermögen des Vaters gegenüber den Kindern, sodass eine Schenkung gem. § 516 I BGB vorliegt. Die gem. §§ 518 I 1, 311b I 1 BGB erforderliche Form der notariellen Beurkundung gem. §§ 1 I, 8, 9 I 1, 13 I 1, III 1 BeurkG ist in Bezug auf die „Muss“-Vorschriften eingehalten. Die Kinder haben hierbei wiederum keine Willenserklärungen abgegeben, sondern wurden durch ihre Eltern vertreten, sodass die Schenkung für und gegen sie unter den Voraussetzungen des § 164 I, III BGB wirkt. Die Stellvertretung ist zulässig. Die Eltern haben eine eigene Willenserklärung durch die Annahme der Schenkung im Namen ihrer Kinder mit Vertretungsmacht abgegeben. Auch hierbei liegen allerdings Vertretungsausschlüsse gem. §§ 1629 II 1, 1824 I Nr. 1, 1. Alt. und §§ 1629 II 1, 1824 II, 181, 1. Alt. BGB vor. Die Ausnahme einer Gestattung scheidet wiederum aus. Die Schenkung ist auch nicht die Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern begründet diese erst.

cc) Lediglich rechtlich vorteilhaft

Sie könnte jedoch lediglich rechtlich vorteilhaft sein, da die Kinder hierdurch gem. § 516 I BGB nur einen Anspruch auf Übereignung erwerben. Bei einer solch isolierten Betrachtung würde für die Auflassung kein Vertretungsausschluss vorliegen und die Auflassung wäre wirksam, da die Auflassung dann die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag darstellen würde. Gegen eine solche Sichtweise spricht jedoch, dass Eltern dann über das Rechtsinstitut der Schenkung sämtliche Gegenstände ohne Beteiligung eines Ergänzungspflegers schenken und dadurch dem dinglichen Rechtsgeschäft zur Wirksamkeit verhelfen könnten, selbst wenn das Verfügungsgeschäft für die Minderjährigen mit Nachteilen verbunden wäre. Dann würde der Schutz der §§ 107, 181 BGB entfallen. Somit ist eine teleologische Reduktion der §§ 181 letzter Hs., 1824 I Nr. 1 letzter Hs. BGB dergestalt vorzunehmen, dass der Ausnahmetatbestand nur greift, wenn die Auflassung lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Zu prüfen ist somit, ob das dingliche Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist.

„Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Übereignung eines Grundstücks an einen Minderjährigen bei der gebotenen isolierten Betrachtung der Auflassung grundsätzlich lediglich vorteilhaft ….“

Nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB ist es jedoch, wenn der Minderjährige nicht nur dinglich, sondern auch persönlich haftet.

Dabei stehen die öffentlichen Lasten in Form der Grundbesitzabgaben (Straßenreinigung, Abwasser, Müllabfuhr) dem lediglich rechtlichen Vorteil nicht entgegen,

weil die Tragung der laufenden öffentlichen Grundstückslasten nach ihrer abstrakten Natur typischerweise keine Gefährdung des Minderjährigen mit sich bringt und ihretwegen ein auf das Wohl des Minderjährigen bedachter gesetzlicher Vertreter oder Ergänzungspfleger seine Zustimmung zu einem Grundstückserwerb nicht verweigern würde. Es wäre reiner Formalismus, würde man die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer Genehmigung abhängig machen, obwohl das Ergebnis der dabei vorzunehmenden Prüfung von vornherein feststünde ….

Anders ist dies jedoch, sofern das Grundstück vermietet oder verpachtet ist.

Der Erwerb eines solchen Grundstücks stellt sich für den Minderjährigen nicht als lediglich vorteilhaft dar, weil der Erwerb gemäß § 566 (Mietvertrag), § 581 Abs. 2 (Pachtvertrag) und § 593b BGB (Landpachtvertrag) zum Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag bzw. Pachtvertrag auf Vermieter- bzw. Verpächterseite führt …. Die aus dem Eintritt in ein Miet- oder Pachtverhältnis resultierenden Pflichten sind ihrem Umfang nach nicht begrenzt. Ob die von ihnen ausgehenden Gefahren für das Vermögen des Minderjährigen im Hinblick auf die mit dem Grundstückserwerb verbundenen Vorteile hingenommen werden können, lässt sich deshalb nicht abstrakt beurteilen, sondern erfordert eine entsprechende einzelfallbezogene Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. einen Ergänzungspfleger. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise dann, wenn der Minderjährige nicht das Alleineigentum, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an einem vermieteten oder verpachteten Grundstück erwerben soll (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2022 - V ZB 4/21). Ebenso liegt es bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Hierdurch wird der Minderjährige Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Damit treffen ihn kraft Gesetzes persönliche Verpflichtungen, die ein ganz erhebliches Ausmaß annehmen können und der Annahme eines lediglich rechtlichen Vorteils i.S.v. § 107 BGB entgegenstehen

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück ist auch nicht mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung vergleichbar. Zwar

entsteht zwischen den Erwerbern kraft Gesetzes eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB, aus der persönliche Verpflichtungen erwachsen können. So ist insbesondere nach § 748 BGB jeder Teilhaber den anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

Bei der Prüfung, ob der Eigentumserwerb für den Minderjährigen (auch) rechtlich nachteilig ist, ist grundsätzlich auf den Eigentumserwerb als solchen abzustellen …. Mittelbare Folgen müssen demgegenüber bei der Beurteilung außer Betracht bleiben.

Bei den in § 748 BGB normierten Lasten

treffen diese den Minderjährigen zwar unmittelbar mit Erwerb des Eigentums. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung stellen sie jedoch keinen rechtlichen Nachteil i.S.v. § 107 BGB dar, auch wenn sie aus dem sonstigen Vermögen des Minderjährigen zu tragen sind …. Ein Unterschied zwischen dem Erwerb des Alleineigentums und dem Erwerb eines Miteigentumsanteils besteht insoweit nicht.

Solche Nachteile sind

außer Betracht zu lassen, die eine persönliche Haftung des Minderjährigen nur unter weiteren Voraussetzungen zu begründen vermögen, wie dies beispielsweise bei Ansprüchen der Fall ist, die auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gestützt werden.

Anders ist dies beim Erwerb einer Eigentumswohnung. Dort treffen den Erwerber die persönlichen Verpflichtungen unmittelbar mit dem Eigentumserwerb. Er ist verpflichtet, nach § 16 II 1 WEG anteilig die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung sowie sonstigen Verwaltung zu tragen und er haftet nach § 91 IV WEG den Gläubigern der Wohnungseigentümergemeinschaft für etwaige Verbindlichkeiten.

Zwischenergebnis

Die Auflassung ist lediglich rechtlich vorteilhaft. Sie ist zudem die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag. Demnach ist aufgrund der Ausnahmen kein Vertretungsausschluss gegeben. Die Auflassung ist nicht schwebend unwirksam nach § 177 I BGB, sondern wirksam. Es bedarf nicht der Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1809 I 1 BGB.

2. Eintragung in das Grundbuch, § 873 I BGB

Es bedarf zum Eigentumserwerb der Kinder noch der Eintragung in das Grundbuch.

3. Einigsein, § 873 II BGB

Das Einigsein ist aufgrund der notariellen Beurkundung der Auflassung gegeben nach § 873 II 1. Alt. BGB.

4. Berechtigung, § 873 I BGB

Der Vater ist als Eigentümer des Grundstücks auch zur Veräußerung berechtigt gem. § 873 I BGB.

Ergebnis

Die Beteiligten begehren zu Recht die Eintragung der minderjährigen Kinder als Eigentümer des Grundstücks zu je ½ - Anteil.

C. Prüfungsrelevanz

Familienrecht ist zwar seltener Gegenstand von Examensklausuren. Allerdings gehört der lediglich rechtliche Vorteil nach § 107 BGB zu den Klassikern des Zivilrechts und zwar auch in der vorliegenden Form des schenkweisen Erwerbs des Eigentums eines Grundstücks durch Minderjährige vertreten durch ihre Eltern und ist somit auch regelmäßig Prüfungsgegenstand.

(BGH Beschl. v. 18.4.2024 - V ZB 51/23)

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