Modernes und einfaches Verfahrensrecht

Modernes und einfaches Verfahrensrecht

Auch die Digitalisierung nimmt Fahrt auf

Ziel unserer Bundesregierung ist es, dass wir nicht nur einen ortsnahen und leichten Zugang zur Justiz erhalten sollen und dass eine schnellere und kostengünstigere Verfahrensführung möglich ist, sondern auch, dass unsere administrativen Abläufe von unnötiger Bürokratie befreit werden. Das Maßnahmenpaket ist groß:

· Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz,

· Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit,

· Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zuständigkeitsstreitwerte und

· Entwurf eines vierten Bürokratieentlastungsgesetzes.

Welche wesentlichen Neuerungen und Änderungen bringen diese Gesetzesvorhaben für Deine juristische Ausbildung mit sich?

Überblick

Für Dein Studium und Deine Examensvorbereitung sind aus diesem Maßnahmenpaket natürlich nicht alle Vorhaben spannend und prüfungsrelevant. Wir geben Dir daher einen Überblick, was für Dich hilfreiches Zusatzwissen darstellt und sich lohnt auf die Festplatte zu spulen:

I. GVG: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zuständigkeitsstreitwerte

1. Änderungen:

a) Der Gesetzgeber plant, den Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte von 5.000 Euro auf 8.000 Euro in § 23 GVG anzuheben, damit die Verfahren vor den Amtsgerichten wieder zunehmen.

b) Außerdem soll die streitwertunabhängige Zuweisung an Amts- und Landgerichte erweitert werden. Die Amtsgerichte sollen demnach künftig für Nachbarstreitigkeiten aus Ansprüchen nach den §§ 910, 911, 923 und § 906 BGB, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt, ausschließlich zuständig sein. Die Landgerichte sollen streitwertunabhängig u.a. für Ansprüche aus einer Heilbehandlung und Veröffentlichungsstreitigkeiten zuständig sein. Hiervon erfasst sind insbesondere auch Veröffentlichungen im Internet.

2. Deine Examensvorbereitung:

Hat Deine Examensklausur einen Behandlungsvertrag oder die von den Prüfungsämter beliebten Ansprüche aus § 823 I BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach einer Beleidigung zum Inhalt, solltest Du Dir merken, dass diese Streitigkeiten künftig vom Landgericht verhandelt werden.

II. ZPO: Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit

1. Neuerung:

Mit § 128a ZPO hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Videoverhandlung in die ZPO aufgenommen.

2. Deine Examensvorbereitung:

Die Vorschriften über die Videoverhandlung berühren gleich mehrere essenzielle Verfahrensprinzipien: Neben dem in der ZPO verankerten Grundsatz der Mündlichkeit gemäß § 128 ZPO sind auch die Verfahrensprinzipien der Unmittelbarkeit gemäß §§ 285, 355 ZPO und die Öffentlichkeitsmaxime gemäß § 169 GVG und Art. 6 I EMRK betroffen. Gerade der Grundsatz über die Öffentlichkeit einer Verhandlung stellt ein tragendes Prinzip im Prozessrecht dar. Er dient nicht nur dem Schutz vor staatlicher Willkür, sondern auch der Kontrolle des erkennenden Gerichts. Diese Prozessmaximen müssen Gerichte bei der Durchführung von Videoverhandlungen stets berücksichtigen und in Einklang bringen. Für Deine mündliche Prüfung könnte z.B. die praktische Frage interessant sein, welche Auswirkungen die Möglichkeit von Videoverhandlungen auf Terminverlegung hat. § 227 I 3 ZPO sieht nämlich nun vor, dass von einer Terminänderung abgesehen werden soll, wenn sich der Termin für die Durchführung einer Videoverhandlung eignet. Von dieser „Soll-Vorschrift“ können die Gerichte zwar auch in bestimmten Fällen abweichen, aber eben nicht in der Regel. Bedeutet dies, dass künftig also keine Termine mehr verschoben werden können?

III. StPO: Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz

1. Änderungen:

Auch die StPO hat der Gesetzgeber modernisiert. Künftig ist es möglich, Strafanträge digital zu stellen, also per einfacher E-Mail. Außerdem soll auch die Möglichkeit zu einer digitalen Hauptverhandlung in der Revisionsverhandlung gemäß § 350 III StPO bestehen.

2. Deine Examensvorbereitung:

Die zentrale Norm für die Stellung von Strafantrag und Strafanzeige ist § 158 StPO. Ratio hinter dieser Vorschrift ist, dass die Identität des Anzeigenstellers feststellbar ist und der wirkliche Verfolgungswille erkennbar ist. Wichtig ist, dass Du Dir merkst, dass diese Prinzipien durch die digitale Antragsstellung nicht ausgehebelt werden. Dies hat der Gesetzgeber in § 158 II StPO nun auch ausdrücklich normiert. Für die praktische Umsetzung ist daher z.B. ein Onlineportal im Gespräch, bei dem die Antragsteller ihre Anzeigen zentral aufgeben können.

III. BGB: Entwurf eines vierten Bürokratieentlastungsgesetzes

1. Änderung:

Im BGB will der Gesetzgeber in einigen Vorschriften das Wort „Schriftform“ durch „Textform“ ersetzen. Dies soll u. a. das prüfungsrelevante Miet- und Arbeitsrecht betreffen.

2. Deine Prüfungsvorbereitung:

Dies hat zur Folge, dass die Vertragsparteien künftig Miet- und Arbeitsverträge digital per einfacher E-Mail schießen können. Eine Unterschrift ist demnach nicht mehr erforderlich. Allerdings ist dann erforderlich, dass die Möglichkeit der Abspeicherung und des Ausdruckens besteht. Die Formvorschriften sind im BGB in den §§ 125 ff. BGB geregelt. Welche gesetzlichen Formvorschriften gibt es und welche Auswirkungen haben diese Vorschriften auf die verschiedenen Rechtsgeschäfte? Antworten findest Du in unserer Lerneinheit.

3. Ausblick:

Bisher stockt das Gesetzgebungsverfahren noch. Ob das Gesetz tatsächlich so verabschiedet wird, steht noch in den Sternen. Politisch besteht noch viel Diskussionsbedarf aufgrund der vielen umstrittenen Regelungen.

Resümee

Das Maßnahmenpaket bringt zahlreiche Änderungen mit sich. Wichtig ist, dass Du Dir die Kernvorhaben in GVG, ZPO, StPO und BGB merkst. Diese Reformvorhaben bieten sich als Aufhänger und guten Einstieg in Deine mündliche Prüfung an. Prüfer:innen können hier gut an die Prozessmaximen und allgemeinen Verfahrensgrundsätze, auch rechtsgebietsübergreifend anknüpfen. Ein sicheres Beherrschen dieser Prinzipien setzen die Prüfer:innen oft voraus und dient Dir zudem als gute Argumentationsgrundlage für unbekannte Fragen.

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