Persönlichkeitsrechtsverletzung vs. Meinungsfreiheit
Was ist passiert?
Der Sachverhalt, der dem Urteil des AG Rheine zugrunde lag, ist überschaubar. Der Beklagte kommentierte den Beitrag der Klägerin auf Twitter, die dort 184.354 Follower hat: „@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung“. Dem Kommentar zugrunde lag eine Debatte über eine Waffenlieferung im Rahmen des Ukrainekriegs und ein vorausgehender Tweed der Klägerin.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage vor dem AG Rheine und beantragte eine Geldentschädigung sowie die Unterlassung identischer oder kerngleicher Inhalte auf Twitter öffentlich kundzutun.
Rechtliche Einordnung
Das Amtsgericht gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten u.a., an die Klägerin eine Geldentschädigung i.H.v. 500 € zu zahlen. Das Gericht wertete die Äußerung des Beklagten nämlich als rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin gemäß § 823 I BGB. Die Meinungsfreiheit des Beklagten trat ausnahmsweise zurück. Dies begründete das Gericht damit, dass die Bezeichnung „Teufelin“ der Inbegriff des Bösen sei und die verbale Herabsetzung der Klägerin bei dieser Äußerung im Vordergrund gestanden habe. Es fehle jegliche sachliche und inhaltliche Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Waffenlieferung. Ausschlaggebend für das Gericht war auch, dass der Beklagte die Klägerin in seinem Kommentar zusätzlich noch verlinkte und die Beleidigung auf einer Internetplattform erfolgte, bei der die potenzielle Leserschaft des Kommentars sehr hoch sei. Eine Duldungspflicht treffe die Klägerin laut dem AG Rheine trotz ihres eigenen vorausgegangenen Kommentars nicht.
Prüfungsrelevanz
Mit dieser amtsgerichtlichen Entscheidung wird deutlich, dass durchaus auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzens der Meinungsfreiheit des Äußernden nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit überwiegen kann.
Kommen solche Beleidigungsfälle thematisch in einer Deiner Zivilrechtsklausuren dran, ist der Sachverhalt eigentlich immer überschaubar und ähnlich gelagert. Materiellrechtlich dürfte das JPA von Dir erwarten, dass Du den Anspruch auf Geldentschädigung gemäß § 823 I BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie den Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 185 StGB und den quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I S. 2 i.V.m. § 823 I BGB in Deiner Klausurlösung prüfst.
Der Schwerpunkt Deines Gutachtens sollte auf der Prüfung des Anspruchs auf Geldentschädigung gemäß § 823 I BGB i.V.m. dem APR gemäß Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG liegen. Grundsätzlich kannst Du hier Dein gewohntes Prüfungsschema anwenden.
Steht Deine mündliche Prüfung kurz bevor, lohnt es sich, dass Du Dir das Stichwort „fliegender Gerichtsstand“ auf Deinem Lernzettel notierst. Diese Begrifflichkeit zählt zu einer der zivilprozessualen Grundsätze und ist immer bei Rechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets oder z.B der Nutzung von überregionalen Zeitungen/Zeitschriften begangen wurden, einschlägig. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen nämlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Resümee
Ein Überblick über die Rechtsprechung der Gerichte lohnt sich hier und kann Dir als Maßstab für Deine Abwägung in Deiner Klausur dienen. Achtung: Bei diesen Fällen darfst Du nicht vergessen, dass die Würdigung aller Umstände trotzdem stets eine absolute Einzelfallentscheidung bleibt.
Auch wenn man für Standardprobleme bekannterweise nicht die großen Punkte sammeln kann, erwarten die Prüfer und Prüferinnen dennoch eine saubere und ordentliche Bearbeitung an diesen Stellen. Die Anforderungen an diese Prüfungspunkte sind erfahrungsgemäß sehr hoch, weil es sich hier eben um bekannte Probleme handelt. Wenn Du hier eine logische und in sich schlüssige Argumentation ablieferst und Mut zur lebensnahen Begründung hast, kannst Du hier gut punkten.
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