Die Tathandlung des Betrugs gem. § 263 StGB besteht im Täuschen über Tatsachen. Häufig wird diese Täuschung durch eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB vorbereitet und begangen. Beim Anstellungsbetrug besteht die Täuschung regelmäßig im Vorspiegeln fehlender Qualifikationen, welche durch falsche Zeugnisse behauptet werden.
A. Sachverhalt
A fertigte mittels eines Computerprogramms ein Prüfungszeugnis der IHK an, welches ihm bescheinigte, dass er erfolgreich eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann absolviert hatte sowie fünf Arbeitszeugnisse, aus denen sich eine mehrjährige Erfahrung in diesem Bereich ergab. Diese Dokumente übersandte er als Anhang zusammen mit einem Bewerbungsschreiben per Mail dem Geschäftsführer W der Firma R. Dieser schloss im Vertrauen auf die Richtigkeit der von A aufgestellten und durch die Zeugnisse scheinbar belegten Behauptungen über seine Qualifikation einen Arbeitsvertrag mit ihm ab, wonach A als kaufmännischer Angestellter 2.150 Euro brutto verdienen sollte. In der Folgezeit erbrachte A aber die geforderten Leistungen aus Überforderung nicht, weswegen das Arbeitsverhältnis nach 7 Monaten gekündigt wurde.
B. Entscheidung
Das OLG (Urt. v. 15.12.2023 – 1 ORs 2/23) bestätigte grundsätzlich die Möglichkeit, A wegen Anstellungsbetrugs gem. § 263 I StGB zu verurteilen, hob das Urteil aber gleichwohl mangels entsprechender Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen auf. Eine Verurteilung aus den §§ 267 oder 269 StGB hielt es nicht für möglich.
Müsstest Du diesen Sachverhalt in einer Klausur gutachterlich prüfen, dann würde es sich empfehlen, mit den Urkundendelikten zu beginnen, da die am Computer erstellten Dokumente das Mittel der Täuschung sind und diese vorbereiten. Mit dem Betrug stünden sie, so sie denn verwirklicht wären, in Tateinheit gem. § 52 StGB.
Starten wir also mit den Urkundendelikten. Da die Zeugnisse per Mail übermittelt wurden, kommen grds. § 267 StGB und § 269 StGB in Betracht. Das OLG Celle führt dazu Folgendes aus:
„… § 269 StGB wurde ausweislich der Gesetzesbegründung geschaffen, um eine Strafbarkeitslücke zu schließen, die darin besteht, dass nicht sichtbar oder zumindest nicht unmittelbar lesbar gespeicherte Daten mangels visueller Erkennbarkeit strafrechtlich nicht von dem Urkundenbegriff erfasst werden, obwohl sie – ebenso wie Urkunden – zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt sind und zur Täuschung im Rechtsverkehr verwendet werden können.
Im Hinblick auf E-Mail-Anhänge differenziert die ganz überwiegende Meinung demgemäß danach, ob sie als originärer Erklärungsträger in Erscheinung treten sollen, oder ob sie lediglich als sekundärer Beleg für die Existenz einer eingescannten Papierurkunde fungieren und damit aus dem Anwendungsbereich des § 269 StGB herausfallen.
Die verfahrensgegenständlichen Dokumente werden danach nicht von § 269 StGB erfasst, weil Zeugnisse üblicherweise als Original-Papierdokumente ausgegeben werden, sodass ein entsprechendes PDF-Dokument erkennbar als Reproduktion erscheint.“
Dementsprechend befassen wir uns nun mit § 267 I StGB.
I. Strafbarkeit gem. § 267 I Alt. 1 und 3 StGB
A könnte sich wegen Urkundenfälschung gem. § 267 I Alt. 1 und 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Zeugnisse am Computer erstellte und sie zusammen mit dem Bewerbungsschreiben per Mail an W übermittelte.
Dann müssten die Zeugnisse zunächst Urkunden sein. Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist und ihren Aussteller erkennen lässt (BGHSt 13, 235).
Die Zeugnisse erklären, dass A eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat und einschlägige Erfahrungen im kaufmännischen Bereich gesammelt hat. Als Aussteller werden zum einen die IHK und zum anderen die Arbeitgeber ersichtlich sein.
Fraglich ist jedoch, ob den Zeugnissen auch die erforderliche Beweiseignung zukommt. Dazu führt das OLG (a.a.O.) Folgendes aus:
„Selbst mit computertechnischen Maßnahmen erstellten Schriftstücken ist mangels Beweiseignung kein Urkundencharakter beizumessen, wenn sie nach außen als bloße Reproduktion erscheinen; sie sind aber dann (unechte) Urkunden, wenn die (veränderten) Reproduktionen Originalurkunden so ähnlich sind, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann …. Ob dies bei den vom Angekl. verwendeten Schriftstücken der Fall war, ergeben die Urteilsfeststellungen nicht. Ihnen ist lediglich zu entnehmen, dass es sich bei den Zeugnissen um Totalfälschungen handelt, die der Angekl. mittels eines Computerprogramms anfertigte. Ob die so gefertigten Unterlagen überhaupt ausgedruckt wurden und dann als Originale erschienen oder aber als Reproduktionen zu erkennen waren, geht aus den Urteilsgründen nicht hervor.“
Die Beweiseignung könnte also nur dann bejaht werden, wenn die Zeugnisse die Qualität eines Originals besitzen und zudem auch als Original verwendet werden. In diesem Fall ist das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Echtheit von Urkunden, um dessen Schutz es bei § 267 StGB geht, schutzbedürftig. Wären die Zeugnisse hingegen deutlich als Reproduktion erkennbar, würde es an einem entsprechenden Schutzbedürfnis fehlen.
Unterstellen wir einmal, die Zeugnisse hätten den Charakter eines Originals gehabt, dann wären sie Urkunden. Diese wären auch unecht, da die aus den Urkunden ersichtlichen Aussteller – IHK und Arbeitgeber – nicht die tatsächlichen Aussteller waren. Diese hätte A auch hergestellt und durch das Übermitteln per Mail gebraucht. Dazu das OLG (a.a.O.):
„Dabei spielt es für eine mögliche Strafbarkeit gem. § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB keine maßgebliche Rolle, dass die Unterlagen vorliegend nicht in Papierform, sondern auf elektronischem Weg an die Firma R übertragen wurden, da auch in dieser Übertragungsform nach der Rspr. des BGH – ähnlich wie bei Telefaxen – ein (mittelbares) Gebrauchmachen von der Urschrift liegen kann (vgl. BGH Urt. v. 5.7.2017 – 1 StR 198/17).“
Da A zum Zeitpunkt des Herstellens bereits den Vorsatz hatte, die Zeugnisse danach bei Bewerbungen zu gebrauchen, liegt tatbestandlich nur eine Urkundenfälschung vor, was Du durch den richtigen Obersatz deutlich machen solltest, indem Du beide Tathandlungen und beide Alternativen des § 267 I StGB mit aufnimmst.
Er handelt vorsätzlich und in dem sicheren Wissen, mit den unechten Urkunden ein rechtlich erhebliches Verhalten zu bewirken und damit in Täuschungsabsicht.
Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich, weswegen A eine Urkundenfälschung verwirklicht hätte, wenn die Zeugnisse Originalcharakter gehabt hätten.
Das Landgericht hatte A ausschließlich wegen Betrug gem. § 263 I StGB verurteilt. Zu beachten ist, dass der Anstellungsbetrug als Eingehungsbetrug angesehen wird, auch wenn die wechselseitigen Leistungen bereits ausgetauscht wurden, wie im vorliegenden Fall. Das OLG (a.a.O.) führt dazu Folgendes aus:
„Nach der Rspr. des BGH gelten für einen Anstellungsbetrug folgende Grundsätze: Es handelt sich um einen Unterfall des Eingehungsbetruges, bei dem der Eintritt eines Vermögensschadens nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise so zu ermitteln ist, dass ein Vermögensvergleich bezogen auf den Zeitpunkt der Vermögensverfügung, das heißt des Vertragsschlusses, vorzunehmen ist. Dabei ist der Wert der gegenseitigen Ansprüche zu vergleichen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden (bei Angestellten die zu erbringende Arbeitsleistung) hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung durch den Getäuschten (Arbeitsentgelt) zurückbleibt, erleidet der Getäuschte einen Vermögensschaden. Da die Vertragspflichten bei Vertragsschluss – nicht aber die künftig erbrachten Leistungen im Rahmen der Vertragsführung – gegenüberzustellen sind, handelt es sich um einen aus ex ante Sicht zu beurteilenden Gefährdungsschaden, der schadensgleich sein muss, um einen Vermögensschaden iSd § 263 StGB zu begründen. Die nach Vertragsschluss erbrachten Leistungen können – namentlich bei längeren Beschäftigungsverhältnissen – bei der Beurteilung der Frage, ob bei Vertragsschluss eine Vermögensgefährdung eingetreten war, als Indiz herangezogen werden (vgl. im Einzelnen BGH Beschl. v. 21. 2019 – 3 StR 221/18).“
Demgemäß musst Du in der Klausur wie folgt prüfen:
II. Strafbarkeit gem. § 263 I StGB
A könnte sich wegen Betrug gem. § 263 I StGB gegenüber W und zu Lasten der Firma R strafbar gemacht haben, indem er unter Verwendung der Zeugnisse einen Arbeitsvertrag schloss.
Dann müsste A über Tatsachen getäuscht haben. Unter Verwendung der Zeugnisse erklärte er, er habe eine abgeschlossene Berufsausbildung und einschlägige Berufserfahrung, was tatsächlich nicht der Fall war.
Dementsprechend irrte sich W und schloss im Namen der Firma R einen Arbeitsvertrag mit A. Dieser Vertragsschluss führte unmittelbar zu einer Vermögensminderung, da dadurch das Vermögen der Firma R mit dem Anspruch auf Auszahlung des Arbeitsentgelts belastet wurde. In dem Vertragsschluss liegt damit die Vermögensverfügung.
Allerdings sollte nicht das Vermögen des W, sondern das Vermögen der Firma R belastet werden. Aufgrund der Stellung des W als Geschäftsführer besaß er aber die rechtliche Befugnis, über das Vermögen der Firma R zu verfügen und stand dementsprechend auch im Lager der R, sodass dieser das Handeln des W zuzurechnen ist. Es liegt ein Dreiecksbetrug vor.
Beim Schaden sind nun die vertraglich vereinbarten Leistungen miteinander zu vergleichen. Entsprechen sich diese, so liegt keine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung vor. Bei der Beurteilung sind die tatsächlich erbrachten Leistungen nur als ein Indiz heranzuziehen. Das OLG (a.a.O.) hat dazu Folgendes ausgeführt:
„Bei privaten Anstellungsverhältnissen wird ein Vermögensschaden in erster Linie danach bemessen, ob der Angestellte die Leistungen erbringen kann, die nach seiner gehaltlichen Eingruppierung oder dem Anstellungsvertrag von ihm erwartet werden dürfen … Ausnahmsweise sind die für Beamte entwickelten Grundsätze dann anzuwenden, wenn die dem Dienstverpflichteten gestellten Aufgaben eine besondere Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit erfordern und mit Rücksicht darauf die Bezahlung höher ausfällt oder wenn Anstellung und Höhe der Bezüge – ähnlich wie bei Beamten – eine abgeschlossene Ausbildung voraussetzen oder von Art und Dauer früherer Beschäftigung abhängen … Der eingetretene Schaden ist konkret zu beziffern und darzulegen; dabei ist – vor dem Hintergrund der entsprechenden Rspr. des BVerfG – dessen primär wirtschaftlicher Charakter im Blick zu behalten.“
Da es A an der entsprechenden Berufsausbildung und -erfahrung fehlte, war bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwarten, dass die vertraglich geschuldete Leistung als kaufmännischer Angestellter seine Fähigkeiten überstieg. Der Umstand, dass A tatsächlich überfordert war und die vereinbarten Leistungen nicht richtig erbringen konnte, bestätigt diese Annahme.
In Höhe des bis zu einer Kündigung zu zahlenden, monatlichen Bruttogehalts könnte damit ein Schaden entstanden sein, sofern die Leistungen des A keinerlei Wert hatten für das Unternehmen. Da das Landgericht aber keine Ausführungen zu diesem Aspekt und damit zur Höhe gemacht hatte, hob das OLG das Urteil auf.
Bejaht man den Schaden, dann ist der objektive Tatbestand verwirklicht. A handelte auch vorsätzlich und mit der erforderlichen rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherungsabsicht.
Da auch hier Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe nicht ersichtlich sind, hat er sich damit gem. § 263 I StGB strafbar gemacht.
C. Prüfungsrelevanz
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es fahrlässig ist, die Urkundendelikte bei der Vorbereitung auf das Examen zu vernachlässigen. Eigentums- und Vermögensdelikte werden Dir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dort begegnen, sodass Du gut beraten bist, sowohl diese Delikte als auch die Urkundendelikte sicher zu beherrschen.
(OLG Urt. v. 15.12.2023 – 1 ORs 2/23)
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