Schluss mit lustig?!

Schluss mit lustig?!

Böhmermann vs. Imker im finalen Schlagabtausch

Sprichwort „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ soll davor warnen, jemandem mutwillig zu schaden oder eine Person lächerlich zu machen. Für Comedians, Satiriker und alle weiteren Professionals aus der Unterhaltungsindustrie gehört die wertende Betrachtung anderer Menschen zum Kerngegenstand ihrer beruflichen Tätigkeit. Das Sprichwort dürfte sie also nicht erschrecken. Dabei ist es nicht selten, dass die Personen, zu deren Lasten die „Witze“ gingen, rechtliche Schritte einleiten. Doch der Imker, über den sich Jan Böhmermann lustig machte, reagierte ganz anders: Er nutzte die Situation zu Werbezwecken, sodass sich der Satiriker selbst in einer misslichen Lage wiederfand, aus der er sich mit gerichtlicher Hilfe zu befreien versuchte. Das OLG Dresden nahm sich der Sache in der Berufungsinstanz an (Urt. v. 18.07.2024, Az. 4 U 323/24) – mit eindeutigem Ergebnis.

Sachverhalt und Vorgeschichte

Der bekannte Satiriker und Moderator kritisierte Anfang November 2023 in seiner Late Night Show „ZDF Magazin Royale“ in einem Beitrag über „Bienen vs. Borkenkäfer“ das sog. „Beewashing“. Dabei handelt es sich um eine „auf Bienen bezogene Form des sog. Greenwashings, also den Vorwurf an ein Wirtschaftsunternehmen oder eine andere Organisation, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben“, wie es das OLG Dresden später definieren sollte. Herr Böhmermann stellte in seiner Sendung heraus, dass lediglich Wildbienen vom Bienensterben betroffenen seien und entsprechend die Anmietung von Bienenvölkern durch große Unternehmen lediglich dazu diene, ihren Nachhaltigkeitsbericht aufzupolieren. Zur Veranschaulichung wurde unter anderem das Logo einer Bioimkerei eingeblendet, die über ihre Website „Bienenpatenschaften“ an Unternehmen vermittelt sowie in ihrem Onlineshop und auch in ausgewählten Märkten im Raum Dresden verschiedene Honigsorten vertreibt. Im Zuge der Kritik an dem Geschäftsmodell der Imkerei wurde zudem ein Werbevideo von der Internetseite des Betriebs gezeigt, das der Satiriker anschließend durch den Kakao zog.

Der Imker nutzte die plötzliche Aufmerksamkeit, indem er ab Ende November verschiedene Honigsorten in seinem Onlineshop als „Beewashing-Honey“ deklarierte, diese mit dem Namen des Moderators bewarb und mit unterschiedlichen Erklärvideos zu den Themen „BEE NEWS- Neues von uns und unseren Bienen“ sowie „Beewash-tv“ zu den „Mythen und Märchen über Bienen haben Hochkonjunktur- wir stellen klar und klären auf!“ zu den Behauptungen aus der Sendung Stellung bezog. Darüber hinaus bewarb er seinen „Beewashing-Honey“ in einem Dresdner Supermarkt mit einem Aufsteller, der eine Aufnahme von Jan Böhmermann aus der genannten Folge der Late Night Show sowie die Ergänzung „führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt“ zeigte.

Jan Böhmermann hatte für diese Werbeaktion nicht einmal ein müdes Lächeln übrig: Als er von dem Vertrieb der Honiggläser und dem Werbeaufsteller erfuhr, forderte er den Imker vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung in Bezug auf die Verwendung seines Namens und seines Fotos auf. Das Begehren verfolgte der Moderator vor dem LG Dresden schließlich im einstweiligen Verfügungsverfahren weiter. Die Rolle des Verfügungsklägers dürfte für Herrn Böhmermann durchaus ungewohnt sein, denn normalerweise ist er es, der -wie in Bezug auf das „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten- auf Unterlassung verklagt wird.

Das LG Dresden sorgte prompt dafür, dass der Moderator eine Niederlage gegen den Imker einfuhr. Mit der Auffassung, das Werbeverhalten des verfügungsbeklagten Imkers stelle sich für unvoreingenommene Adressaten so dar, als würde es sich bei dem Honig um Merchandising-Produkte zum ZDF Magazin Royal handeln, drang der Verfügungskläger nicht durch. Unterlassungsansprüche sah das Gericht nicht für gegeben an, weil es keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung ermitteln konnte. Der Satiriker wollte sich hiermit nicht zufriedengeben und legte Berufung ein.

Entscheidung des OLG Dresden

Auch vor dem OLG Dresden blieb es dabei: Unterlassungsansprüche aus §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m. § 12 BGB und aus § 1004 II analog i.V.m. 823 I BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art 1, 2 I GG, Art. 8 EMRK lehnte das Gericht ab.

In Bezug auf das genutzte Bildnis des Moderators stellte das OLG fest, dass die Nutzung der Aufnahme für den Aufsteller trotz fehlender Einwilligung des Abgebildeten rechtmäßig erfolgt sei. Aber von vorne und mit der normativen Anknüpfung an das KUG:

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG)

                                § 22

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

                                § 23

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

  1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

  2. – 4. […]

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte

Grundsätzlich bedarf es nach § 22 KUG einer Einwilligung des Abgebildeten, außer es liegt ein Fall des § 23 KUG vor. Die Ausnahme greift, wenn eine der Fallgruppen des § 23 I KUG einschlägig ist und auch eine Interessenabwägung im Einzelfall (§ 23 II KUG) dem nicht entgegensteht. An dieser Stelle erarbeitete das Gericht eine lose Umschreibung des Begriffs „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“, der sich nicht allein auf „Vorgängen von historischer oder politischer Bedeutung“ beziehe, sondern vielmehr auch Ereignisse von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasse. Letzteres lasse sich nach dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestimmen. Seit der Sendung bestünde in der Öffentlichkeit ein breites Verständnis für den Begriff des „Beewashings“ und ein Interesse daran, inwiefern Unternehmen dem von sich selbst durch Werbung vermittelten Bild in puncto Nachhaltigkeit auch entsprächen. Herr Böhmermann habe mit seiner Sendung das Thema „Beewashing“ erst bekannt gemacht, weswegen er sich nicht darauf berufen könne, mit der Thematik keine inhaltliche Verbindung zu haben. Auch ziele das Konzept des „ZDF Magazin Royale“ gerade darauf ab, insbesondere fachliche Nischenthemen einem erweiterten Zuschauerkreis zu präsentieren.

Verbreitung zu werblichen Zwecken

Die weitere Marschroute der Prüfung gibt der Wortlaut des § 23 II KUG mit einer Interessenabwägung eigentlich klar vor. Doch so „einfach“ war es dann doch nicht. Der Senat machte noch einen wesentlichen Abstecher bei der Prüfung: Er untersuchte nämlich noch, inwiefern ausnahmsweise nicht doch eine rechtswidrige Nutzung vorliegen könnte. Das wäre der Fall, wenn der § 23 I Nr. 1 KUG unanwendbar wäre, weil kein schutzwürdiges Veröffentlichungsinteresse an der Verbreitung des Bildnisses zu werblichen Zwecken besteht. Dieser Grundsatz lasse sich aus der Funktion des Bildnisses der Zeitgeschichte ableiten, da die Interessen des Abgebildeten hierbei hinter dem überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten müsse. Im Umkehrschluss gelte: „Wenn die Verwendung von zeitgeschichtlichen Bildnissen ausschließlich den Geschäftsinteressen des werbenden Unternehmens dient, ohne dass zugleich ein darüber hinausgehendes Informationsinteresse besteht, greift § 23 I Nr. 1 KUG nicht ein.“ Der Imker habe aber Böhmermanns Werbewert nicht allein für kommerzielle Zwecke genutzt, als er den Aufsteller von Böhmermann im Supermarkt platzierte und den „Beewashing-Honey“ im Internet anpries. Nach Ansicht des Senates erstrecke sich der Schutz des Art. 5 I GG nämlich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen bis in die reine Wirtschaftswerbung hinein, soweit diese einen „wertenden, meinungsbildenden Inhalt“ habe. Aus Sicht eines Durchschnittsbetrachters handele es sich gerade um einen satirischen Beitrag, der einen solchen wertenden, informativen und damit meinungsbildenden Zweck verfolge. Deutlich werde dies insbesondere an der Bezeichnung als „führender Bienen- und Käferexperte“ des abgebildeten Moderators. Niemand könne ernsthaft in Betracht ziehen, dass der Moderator die ausgewiesene Erfahrung der Insektenkunde vorweise. Bei der „Empfehlung“ handele es sich folglich um einen ironischen Hinweis. Dies sei auch für diejenigen Supermarktbesucher verständlich, die den Sendebeitrag nicht angeschaut haben, da die Mimik und Gestik des Abgebildeten mit einem Zeigefinger abwertenden auf das Produkt zeige, Herr Böhmermann in der Öffentlichkeit bisher nicht als Werbeträger wahrgenommen werde und die Möglichkeit bestand, durch Scannen eines auf dem Aufsteller befindlichen QR-Codes weitere Informationen einzuholen. Der § 23 KUG bliebe damit anwendbar.

Interessenabwägung

Schließlich stellte das Gericht fest, dass für die Verbreitung der Fotografie als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d.§ 23 I Nr. 1 KUG rechtmäßig erfolgt sei. Es habe keiner Einwilligung des Abgebildeten bedurft, weil der Verbreitung im Einzelfall kein berechtigtes Interesse des Herrn Böhmermann im Sinne des § 23 II KUG entgegenstünde. Im Ergebnis überwiege das Interesse des Imkers aus Art. 5 I GG, Art. 10 I EMRK gegenüber den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 I, 2 I GG, Art. 8 I EMRK, wie es bereits das LG Dresden festgestellt hatte. Nachdem der Senat schulmäßig die Eigenheiten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Moderators herausarbeitete, ging es auf das „Recht auf einen Gegenschlag“ des Imkers ein. Dadurch dass dieser in der Sendung durch die Sachdarstellung von Böhmermann öffentlich angegriffen worden sei, stünde ihm nun das Recht zu, selbst in ähnlicher Sprache seine eigene Position wiederzugeben. Weil es sich um einen Meinungsstreit handele, komme es nicht auf die objektive Richtigkeit der Darstellungen an. Das OLG Dresden statuierte hierzu folgenden Grundsatz, den man sich merken darf: „Der Angegriffene ist […], jedenfalls solange die Auseinandersetzung noch aktuell ist, grundsätzlich berechtigt, die Behauptungen des Angreifers unabhängig vom objektiven Wahrheitsgehalt als unwahr oder falsch zu bezeichnen.“

Auch verstieße die Verwendung des Bildes vom Satiriker nicht gegen berechtigte Interessen, weil sich auch der Moderator in seiner Sendung eines Bildnisses des Imkers bediente. Zudem stammt die Abbildung vom Moderator aus seiner eigenen Sendung, wodurch er das Bildnis selbst in die Öffentlichkeit getragen habe. Mit der Folge, dass es der weniger intensiv geschützten Sozialsphäre zuzuordnen sei. Ferner sei lediglich von einer geringen Beeinträchtigung auszugehen, da der Aufsteller lediglich in einem Dresdner Supermarkt präsentiert wurde und abgesehen von der „satirisch-spöttischen Auseinandersetzung“ mit dem Ereignis aus der Sendung kein negatives Bild von Böhmermann gezeichnet worden sei. Einer Einwilligung bedurfte es folglich nicht, weswegen der Senat den Unterlassungsanspruch ablehnte.

Kurzum: Der Imker schlägt den Moderator damit zugegebenermaßen mit seinen eigenen Waffen. Weitere Rechtsmittel stehen im einstweiligen Rechtsschutz nicht zur Verfügung. Aus der metaphorischen Grube muss der Satiriker also nun selbst herausklettern.

Fazit

Am Ende schlägt wieder eine gerichtliche Niederlage für Herrn Böhmermann zu Buche, mit der er sich abfinden muss. Dies dürfte in Anbetracht der großen medialen Aufmerksamkeit um das Thema „Beewashing“ dennoch ein tröstliches Ende für ihn darstellen. Aus juristischer Sicht folgt aus dem Verfahren um den polarisierenden Satiriker erneut ein Urteil, das mit der journalistischen Berichterstattung als Ereignis der Zeitgeschichte eine interessante Facette ausleuchtet. Insofern gelingt ihm nach der Auseinandersetzung in der „Böhmermann-Affäre“ um das „Schmähgedicht“ wieder einmal ein denkwürdiger Prozess, der ideal in eine deliktsrechtliche Klausur zum Spannungsfeld des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Meinungs- bzw. Kunstfreiheit passt.

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