BVerfG lehnt Verfassungsbeschwerde von Böhmermann ab

BVerfG lehnt Verfassungsbeschwerde von Böhmermann ab

24 Verse führten zu einer Staatsaffäre

Vor knapp sechs Jahren trug Böhmermann sein „Schmähgedicht“ vor, in dem er dem türkischen Präsidenten die Grenzen der Meinungsfreiheit darstellen wollte. Das BVerfG hat nun einen Schlussstrich unter den Rechtsstreit gezogen – doch ohne Begründung.

Worum geht es?

„Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.“ Mit diesem kurzen, aber sehr bedeutungsvollen Satz geht die rechtliche Aufarbeitung des „Schmähgedichts“ des Satirikers und TV-Moderators Jan Böhmermann zu Ende. Fast sechs Jahre ist es her, seitdem Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Werk widmete, das für Furore und Diskussionen, gar für eine Staatsaffäre sorgte. Nun ist Böhmermann mit seiner Verfassungsbeschwerde, mit der er die Entscheidungen der Hamburger Gerichte angriff, gescheitert.

„Schmähgedicht“ als „rechtliche Lehrstunde“

Seinen Ursprung fand die gesamte Causa allerdings nicht in der ZDFneo-Sendung, sondern beim NDR. Das politische Satiremagazin „extra 3“ veröffentlichte ein satirisches Lied mit dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdoğan“, das auf den türkischen Präsidenten abzielte. In Folge der Ausstrahlung wurde der deutsche Botschafter in der Türkei zweimal einbestellt, zudem forderte die Türkei (erfolglos), die Sendung abzusetzen bzw. das Lied zu löschen.

Böhmermann griff diese Geschehnisse in seiner Sendung auf und trug am 31. März 2016 ein Gedicht unter dem Titel „Schmähkritik“ vor. Dieses beinhaltete schwerwiegende Worte gegenüber Erdoğan, insbesondere wurden im sexuelle Handlungen wie Pädophilie und Sodomie unterstellt. Das alles bettete der Satiriker jedoch in einer Art „rechtliche Lehrstunde“ ein und wollte verdeutlichen, welche Aussagen zulässig seien und welche nicht. So etwa erklärte Böhmermann:

Was die Kollegen von „extra 3“ gemacht haben […]. Das ist in Deutschland und in Europa gedeckt von der Kunstfreiheit, von der Pressefreiheit, von der Meinungsfreiheit.“

Allerdings führte er weiter aus, dass es einen Unterschied zwischen „Satire und Kunst“ einerseits und Schmähkritik andererseits gebe. Und diesen Unterschied wollte Böhmermann in Form seines „Schmähgedichts“ zeigen. 24 Verse, die international für Aufsehen sorgten.

Strafverfahren eingestellt

Für sich betrachtet, klang eine Vielzahl der Verse beleidigend. Aber spannend war die Frage, ob das nicht alles im Rahmen der satirischen Darbietung noch grundrechtlich geschützt war oder nicht. Die türkische Regierung zumindest sah Böhmermanns Gedicht als eine Beleidigung für das gesamte türkische Volk. Der damalige Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmuş sprach sogar von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Erdoğan selbst ließ sich das Gedicht nicht gefallen und zog vor Gericht. Die Bundesregierung gab dem Strafverlangen gem. § 104a StGB statt und ermächtigte die Staatsanwaltschaft Mainz zur Strafverfolgung. Grundlage war der § 103 StGB aF, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten sanktionierte. Die Norm wurde im Zuge der Böhmermann-Affäre zum 01.01.2018 aufgehoben. Das Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann wurde jedoch im Oktober 2016 eingestellt, strafbare Handlungen konnten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Die Staatsanwaltschaft kommentierte zudem, dass eine Satire keine Beleidigung sei, sofern die Überzeichnung menschlicher Schwäche keine ernsthafte Herabwürdigung der Person enthalte. Böhmermanns Gedicht habe vielmehr als Beispiel für die Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollen.

Entscheidungen der Hamburger Gerichte

Doch parallel begann die zivilrechtliche Aufarbeitung des Gedichts. Das LG Hamburg verbot einzelne Aussagen von Böhmermanns Werk und argumentierte, Erdoğan müsse diese Teile nicht hinnehmen, weil sie sein allgemeines Persönlichkeitsrecht im Kernbereich berührten. Die anschließend eingelegte Berufung Böhmermanns blieb erfolglos. Das OLG Hamburg folgte nicht seiner Argumentation, dass das „Schmähgedicht“ ein Gesamtkunstwerk sei, das nicht zerstückelt werden dürfe. Vielmehr bestätigte es die Entscheidung der ersten Instanz:

Das Aussprechen von Beleidigungen mit dem erkennbaren Zweck, die von ihnen betroffenen Personen verächtlich zu machen, ist auch dann rechtswidrig, wenn ihr die Ankündigung vorausgeht, jetzt werde lediglich ein Beispiel für solche Arten von Äußerungen gegeben, die rechtlich nicht zulässig seien.

Vor den Zivilgerichten, in denen es um eine von Erdoğan beantragte einstweilige Verfügung gegen Böhmermann ging, drehte sich daher vieles um den Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 Fall 1 GG. Von der Meinungsfreiheit wird zwar grundsätzlich auch die Äußerung satirischer Beiträge in polemischer und überspitzter Weise geschützt, doch es gibt Grenzen: Unter anderem geht bei geäußerten Meinungen der Persönlichkeitsschutz der betroffenen Person dann der Meinungsfreiheit vor, wenn sich die Äußerung als reine Schmähkritik (also das reine Herabsetzen der Person) darstellt.

Karlsruher-Entscheidungen & Kritik an § 93d I 3 BVerfGG

Nach der Entscheidung des OLG Hamburg wollte Böhmermann in Revision gehen. Doch eine solche wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen. Daher legte der Satiriker eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH ein, aber auch diese wurde zurückgewiesen. Eine solche ist nämlich nur erfolgreich, wenn ein Zulassungsgrund nach § 543 II 1 ZPO vorliegt. Die BGH-Richter:innen sahen die einen solchen allerdings nicht erfüllt. Die Rechtssache habe weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Das war im August 2019. Schon zu Beginn des Rechtsstreits hatte Böhmermann angekündigt, notfalls vor das BVerfG zu ziehen. Dies hat er gemacht – allerdings, wie nun bekannt wurde, erfolglos. Damit sind wir wieder am Anfang des Beitrags angekommen: Seine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

Von einer weiteren Begründung sah das BVerfG nach § 93d I 3 BVerfGG ab. Dies ist legitim, denn in der Norm wird bestimmt, dass die Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde keiner Begründung bedarf. Die Entscheidung des BVerfG überraschte allerdings Beobachter:innen des Verfahrens, denn das Karlsruher-Gericht habe vorab verschiedene Organisationen um eine Stellungnahme gebeten, darunter ver.di, den Deutschen Journalisten Verband, die Bundesrechtsanwaltskammer und auch das ZDF. Diese sollen sich überwiegend für die Stattgabe der Verfassungsbeschwerde ausgesprochen haben.

Der Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats sorgt darüber hinaus für Kritik. Die Bremer Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) fordert nun, eine Begründungspflicht auch für Nichtannahme-Beschlüsse. Sie wolle die Thematik auf einer der nächsten Justizminister:innen-Konferenzen diskutieren.

Doch in der Causa Böhmermann wird dies nichts mehr an dem Ergebnis ändern: Weder die Öffentlichkeit noch Böhmermann selbst, werden die Erwägungen des BVerfG erfahren.

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