Über ein Verbotsschild für Werbung am Briefkasten

Über ein Verbotsschild für Werbung am Briefkasten

Einfach neben den Briefkasten statt in den Briefkasten?

Jedes Jahr entstehen über eine Millionen Tonnen an Reklamesendungen, Handzetteln und Flyern. Ob solche Werbemittel noch zeitgemäß sind, kann mit dem wöchentlichen Abfall in Frage gestellt werden. Mit einem Aufkleber “Bitte Keine Werbung” können sich potenzielle Empfänger gegen den Einwurf von Werbeprospekten wehren. Ob dieser Hinweis jedoch immer ausreicht, kommt ganz auf die Werbeform an.

Worum geht es?

Persönlich adressierte Werbesendungen muss die Post zum Beispiel den benannten Empfänger zustellen. Ein Aufkleber “Bitte keine Werbung” nützt bei personalisierter Werbung nichts. Bei nicht adressierten Reklamesendungen, Handzetteln und Wurfsendungen ist ein solcher Hinweis jedoch ausreichend. Dies hat das AG München in einer Entscheidung festgestellt. Werbeverteiler müssen demnach den Hinweis am Briefkasten beachten.

Sobald es sich um kostenlose Anzeigenblätter mit einem redaktionellen Teil handelt, reicht der Aufkleber “Keine Werbung” nicht. Hier muss der Empfänger einen zusätzlichen Aufkleber anbringen oder einen der kostenlose Zeitungen mit umfasst.

Weigert sich der Zusteller den Hinweis am Briefkasten zu beachten, kann sich der Empfänger mit einer Abmahnung oder strafbewehrten Unterlassungserklärung wehren oder in besonders hartnäckigen Fällen den Klageweg bestreiten.

Einem Bewohner reichte es

Diesen Weg wählte auch ein Bewohner eines Mehrfamilienhauses in München. Der Kläger hatte mehrere Werbeflyer eines Umzugsunternehmens in den Ritzen zwischen den Briefkästen und auf den Ablagen gefunden. Sämtliche Briefkästen der Anlage waren jedoch mit dem Hinweis “Bitte keine Werbung einwerfen” gekennzeichnet. Der Werbeverteiler nahm den Hinweis offenbar wörtlich und verstreute die Werbung eben außerhalb der Briefkästen. Ganz zum Ärger des Klägers. Er fand die Verteilung der Werbeflyer rücksichtslos und anmaßend. Da alle Bewohner des Hauses keine Werbung erhalten wollten, sei auch wild abgelegte oder außerhalb des Briefkastens befestigte Reklame nicht erwünscht, so der Kläger.

Das betroffene Umzugsunternehmen argumentierte, dass es die rücksichtslose Verteilung von Werbematerial nicht veranlasst und auch nicht zu vertreten habe. Die von ihm beauftragten Werbeverteiler seien angewiesen, Werbung nur in Briefkästen ohne Aufkleber einzuwerfen.

Was sagt das Gericht?

Das Amtsgericht München entschied jedoch zu Gunsten des Klägers und untersagte in seinem Urteil vom 18. März dem Umzugsunternehmen, Werbematerial auf der Briefkastenanlage oder vor dem Hauseingang von dem Kläger bewohnten Mehrfamilienhauses abzulegen.

Das Gericht bejahte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 863 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog. Die Richter in München führten aus:

„…der unmittelbare (rechtmäßige) Besitz wird als „sonstiges Recht“ gem. § 823 I BGB geschützt. Eine Besitzstörung ist durch das Einwerfen von Werbe-Flyern grundsätzlich anzunehmen, wenn erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist.“

Dem Wohnungsbesitzer steht nach Ansicht des Gerichts, das Recht aus § 862 BGB zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen.

Das Umzugsunternehmen hatte die Passivlegitimation des Klägers angezweifelt, da sich die Flyer nicht im Briefkasten des Klägers befanden. Sein Besitz wäre demnach gar nicht beeinträchtigt gewesen. Das Gericht bejahte jedoch einen Mitbesitz an der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses. Selbst wenn der Kläger nur Mieter einer Wohnung des betroffenen Anwesens wäre, stünde ihm auch das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Hauses zu. Der Kläger habe danach Mitbesitz auch an der Briefkastenanlage einschließlich des Eingangsbereichs des Anwesens. Jeder Mitbesitzer hat bei Beeinträchtigungen seines Mitbesitzes die Rechte aus §§ 859 ff. BGB und sei damit klagebefugt.

Das Umzugsunternehmen qualifizierte das Gericht als mittelbare Handlungsstörerin i.S.v. § 1004 BGB, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum die Flyer in München hat verteilen lassen. Zwar behauptete das Unternehmen, dass es sich bei dem Eingangsbereich um eine frei zugängliche Fläche gehandelt habe und damit auch jede andere Person die Flyer hätte verstreuen können, dem Gericht war diese Aussage jedoch zu pauschal. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises könnte davon ausgegangen werden, dass Werbematerialien eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, verteilt werden.

Abfallvermeidung durch Opt-In bei Werbepost

Mit einer Gesetzesänderung könnten möglicherweise solche Streitigkeiten zukünftig vermieden werden. So fordert zum Beispiel der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine gesetzliche Änderung für Wurfsendungen. Werbepost soll nach diesem Vorschlag nur derjenige erhalten, der dem Empfang aktiv zustimmt. Das sogenannte Opt-In Verfahren gilt schon im Netz bei Werbe E-Mails und Newslettern. Der E-Mail Empfänger erhält dann nur Werbung, wenn er zuvor eingewilligt hat. Nur die Umstellung des Opt-out zu einem Opt-in Verfahren auch außerhalb der digitalen Welt könnte jährlich mehrere Tonnen Papier einsparen. Ob ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, bleibt abzuwarten.

(AG München, Urteil vom 18.03.2022 – 142 C 12408/21)