Rückzahlungsklauseln bei Studienfinanzierung – Was ist erlaubt und was nicht?

Rückzahlungsklauseln bei Studienfinanzierung – Was ist erlaubt und was nicht?

Wie lange darf ein Arbeitgeber Mitarbeitende nach einer bezahlten Fortbildung an sich binden – und wann kippt die Rückzahlungsklausel im Arbeitsvertrag? Was auf den ersten Blick nach einem unspektakulären arbeitsrechtlichen Fall aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als klausurträchtiges Prüfungsthema. Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern bietet eine ideale Gelegenheit, die AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB mit arbeitsrechtlichen Besonderheiten und der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG zu verknüpfen. Daher stellen wir Dir den Fall klausurrelevant dar.

Streit um Rückzahlung – Der Sachverhalt im Überblick

J war bei F, der eine Physiotherapiepraxis betreibt, angestellt. Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses entschied sich J dazu, ein Bachelorstudium zum Physiotherapeuten zu beginnen und immatrikulierte sich dazu an einer privaten Fachhochschule. Für das Studium fielen monatlich Studiengebühren i.H.v. 200,00 Euro an. Sein Arbeitgeber unterstützte dieses Vorhaben und übernahm die kompletten Lehrgangskosten und stellte ihn für insgesamt 50 Arbeitstage bezahlt von der Arbeit frei. Über diese Studienfinanzierung schlossen J und F eine schriftliche Vereinbarung, die wie folgt lautet:

(…)

5. Die Übernahme der Studienbeiträge durch das Unternehmen steht unter der Bedingung, dass der Studierende das Studium erfolgreich absolviert und 5 Jahre im Dienst des Unternehmens verblieben ist.

(…)

6. Der/die Studierende verpflichtet sich, dem Unternehmen die Studienbeiträge zu erstatten, wenn er/sie entweder den staatlichen Abschluss endgültig nicht erreicht oder bei erfolgreichem Abschluss ein ihm/ihr angebotenes Anstellungsverhältnis nicht antritt.

(…)

8. Ein Erstattungsanspruch des Unternehmens ist jedoch ausgeschlossen, wenn

(…)

c. das Unternehmen oder ein mit ihm gesellschaftsrechtlich verbundenes Unternehmen dem/der Studierenden bis spätestens drei Monate vor Beendigung des Studiums keine angemessene Anstellung gewährt. Von einer angemessenen Anstellung ist beim Vorliegen sämtlicher folgender Voraussetzungen auszugehen:

I. unbefristete Vollzeitbeschäftigung

II. (…)

Im Juli 2022 absolvierte J die staatliche Pflichtfachprüfung zum Physiotherapeuten. In der Zeit von September 2022 bis Februar 2023 absolvierte er dann seinen letzten Studienabschnitt und fertigte seine Bachelorarbeit an. Für diesen Zeitraum schlossen J und F einen befristeten Arbeitsvertrag über eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden. Im Januar 2023 unterbreitete F dem J ein konkretes Beschäftigungsangebot für die Zeit nach seinem Studium. Zum 30.01.2023 kündigte J allerdings sein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis zum 14.02.2023 und nahm das Angebot für eine Vollzeitstelle nicht an. Daraufhin forderte F von J die Rückzahlung der für J gezahlten Studiengebühren i.H.v. 10.775,00 Euro.

Ende Februar 2023 schloss J sein Studium erfolgreich ab. J ist der Überzeugung, dass die Rückzahlungsklausel aus der Vereinbarung über die Studienfinanzierung unwirksam sei und erstattete F die Studienkosten nicht. Außerdem sei seiner Meinung nach die Bindungsfrist von 5 Jahren an das Unternehmen zu lang.

Der Streit landete daher vor dem Arbeitsgericht Rostock, welches die Klage des L allerdings abgewiesen hat. L hat daraufhin Berufung vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern eingelegt.

AGB-Kontrolle der Finanzierungsvereinbarung

Im Zentrum des Falls steht - trotz der arbeitsrechtlichen Einkleidung - eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung der Klauseln aus der Studienfinanzierungsvereinbarung. Es geht also um eine klassische AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB verbunden mit ein paar arbeitsrechtlichen Besonderheiten.

Zunächst stufte das LAG die verwendeten Klauseln in der Vereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingung ein, denn aus Sicht der Richter:innen handele es sich gemäß § 305 I 1 BGB hierbei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Hierfür spricht laut LAG, dass die Vereinbarung zwischen J und L bis auf die Namen der Parteien keine individuellen Besonderheiten aufweise und sich sowohl auf weibliche als auch auf männliche Studierende bezieht.

Der im Anschluss durchgeführten Inhaltskontrolle des LAG halten die Klauseln der Ziffern 5 und 6 nicht stand, weil diese den J gemäß § 307 I 1 BGB unangemessen benachteiligen.

Klausurtipp

Zur Wiederholung für Dich: Eine Benachteiligung ist unangemessen, wenn diese nicht durch ein begründetes und billigenswertes Interesse des Verwenders gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Um dies feststellen zu können, musst Du also eine umfassende Würdigung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten vornehmen und die jeweiligen Interessen rechtlich bewerten. Merken solltest Du Dir in diesem Zusammenhang, dass du bei der Abwägung den Grundsatz von Treue und Glauben gemäß § 242 BGB berücksichtigst.

Wann sind Rückzahlungsklauseln unzulässig?

Die in Ziffer 6 getroffene Regelung, dass J sich an den Studienkosten, die sein Arbeitgeber für ihn bezahlt hat, beteiligen muss, wenn er vor Ablauf einer bestimmten Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist grundsätzlich zulässig. Allerdings sei es unzulässig, die Rückzahlungspflicht pauschal an das Ausscheiden aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitnehmer zu knüpfen. Erforderlich sei laut LAG, dass eine solche Klausel nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziere. Ansonsten werde das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl gemäß Art. 12 I 1 GG eingeschränkt. Unter diesem Gesichtspunkt stelle eine Rückzahlungsklausel also nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Kündigung für Fälle, in denen es “ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen”, offen stehe. Denn in diesen Fällen werde eine Rückzahlungspflicht weder von billigenswerten Interessen des Arbeitgebers noch von gleichwertigen Vorteilen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Eine Rückzahlungsvereinbarung sei also nur dann zulässig, wenn diese Gründe für die Ablehnung eines Arbeitsangebotes berücksichtige.

Ziffer 6 sieht vor, dass allein der Umstand, dass ein rechtzeitig angebotenes Arbeitsverhältnis nicht angetreten wird, eine Rückzahlungspflicht auslöst. Daraus folgt, dass auch dann eine Rückzahlungspflicht bestehe, wenn das Beschäftigungsangebot beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht angenommen werden kann, also mithin aus Gründen, die in die Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers fallen.

Erst recht gelten diese Grundsätze laut LAG auch dann, wenn zwischen den Parteien noch kein Arbeitsverhältnis existiere und erst nach erfolgreichem Abschluss begründet werden soll. Die Richter:innen argumentieren hier mit dem Abschluss- und Bleibedruck, durch den die mit Art. 12 GG geschützte Berufswahlfreiheit eingeschränkt werde.

Bindungsfristen bei Studienfinanzierung – Was ist noch angemessen?

Auch die in Ziffer 5 normierte Bindungsdauer von 5 Jahren benachteilige den J unangemessen und sei demnach unzulässig. Die Bindungsdauer müsse sich laut LAG nämlich sowohl an der Fortbildungsdauer als auch an den Fortbildungskosten orientieren. Im vorliegenden Fall habe J ein sieben Semester dauerndes Bachelorstudium zum Physiotherapeuten im Wert von 14.280,00 Euro absolviert. Demnach sei allenfalls eine Bindungsdauer von zwei bis drei Jahren an das Unternehmen gerechtfertigt.

Unabhängig von der Zulässigkeit der Klauseln scheitere der Rückzahlungsanspruch schon an Ziffer 8c der Vereinbarung, weil F dem J kein rechtzeitiges Angebot für eine angemessene Anstellung unterbreitet habe. Denn nach Ziffer 8c muss der Arbeitgeber spätestens drei Monate vor Beendigung des Studiums ein Anstellungsangebot vorlegen. F legte J allerdings erst anderthalb Monate vor Beendigung des Studiums, also Mitte Januar 2023, ein solches Angebot vor. Im Übrigen kann in dem Angebot zur Teilzeitbeschäftigung von September 2022 kein der Ziffer 8c entsprechendes Angebot erblickt werden. Zum einen hat J zu diesem Zeitpunkt sein Studium noch nicht abgeschlossen, was gemäß Ziffer 6 Alt. 2 jedoch erforderlich gewesen wäre und zum anderen handele es sich hierbei nicht um ein Angebot für eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung.

AGB-Prüfung – Worauf es in Deiner Klausur ankommt

Solche Nebenabreden zum Arbeitsvertrag in Form von Studienvereinbarungen sind in der Praxis Gang und Gäbe und daher sehr praxisrelevant. Auch die Herzen der Klausursteller:innen dürften hier höherschlagen, denn das Arbeitsrecht bietet die Möglichkeit, über einen besonderen Vertragstypus in die Prüfung einzusteigen und sich dann weiter zu den allgemeinen Problemen des BGB zu hangeln. Denn die Prüfungsämter wissen, dass die meisten Prüflinge erst mal kurz den Atem anhalten dürften, wenn sie mal eine andere Vertragsart als den klassischen Kauf-, Miet- oder Werkvertrag in ihrer Klausur vorgesetzt bekommen. Aber auch bei solchen Klausuren gilt, wie so oft: einfach ruhig weiter atmen. Dieser Fall ist ein schönes Beispiel, dass Du Deine Prüfung zwar über das Arbeitsrecht beginnen musst und sich Deine Anspruchsgrundlage aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. der Studienfinanzierungsvereinbarung selbst ergibt, Du Dich aber dann recht schnell mit der AGB-Prüfung im bekannten Fahrwasser wieder findest.

Bei der AGB-Klauselkontrolle handelt es sich um absolutes Standardwissen, was Du schon im ersten Semester in Deiner BGB AT-Vorlesung lernst. Daher haben die Korrektor:innen hier selten Verständnis für Fehler und Ungenauigkeiten. Wichtig ist hier vor allem, dass Du wie das LAG in seinem Urteil, kurz prüfst, dass es sich bei den Klauseln um AGB gemäß § 305 I BGB handelt und Dich dann der Inhaltskontrolle widmest. Hier liegt das sogenannte “Herzstück” der Prüfung. Die Inhaltskontrolle läuft immer nach derselben Reihenfolge ab: §§ 309, 308 BGB und dann erst erfolgt die Prüfung von § 307 BGB. Wahrscheinlich dürfte der ein oder andere gerne um die Prüfung des § 307 BGB einen Bogen machen, denn § 307 BGB ist das Einfallstor für auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe im AGB-Recht. Gerade dies macht eine AGB-Prüfung zu einem anspruchsvollen Klausurthema. Denn wie die Entscheidungsbegründung des LAG zeigt, kann hier durchaus auch eine Bezugnahme zu den Grundrechten erforderlich sein. Hier lohnt es sich, wenn Du systematisch im Kopf alle möglichen Rechtsgrundsätze und Rechtsinstitute abklapperst, um auf etwaige mögliche Verknüpfungen zu stoßen.

Klausurtipp

Denke im Rahmen Deiner Verhältnismäßigkeitsprüfung von Art. 12 GG daran, dass diese durch die Drei Stufen-Theorie modifiziert wird. Mit dieser Theorie gleicht das BVerfG die Besonderheit aus, dass in Art. 12 GG nur die Berufsausübungsfreiheit unter einem Regelungsvorbehalt steht. Sollte Dir die Drei Stufen-Theorie ad hoc nichts mehr sagen, lohnt es sich, wenn Du Dich mit Art. 12 GG noch einmal näher befasst.

Bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen solltest Du Dir immer vor Augen führen, dass es kein richtig oder falsch gibt, sondern nur schlüssig und lebensnah argumentiert oder nicht. Und das ist Deine Chance. Denn durch eine saubere und detaillierte Sachverhaltsauswertung und eine einzelfallbezogene Argumentation kannst Du alleine schon mit Deinem Klausurtext weit kommen. Wichtig dabei ist immer, dass Du realistische und nachvollziehbare interessengerechte Erwägungen anstellst.

Weiterführende Beiträge zu Deiner Klausurvorbereitung:

Das AGB-Recht zählt zu einem sehr beliebten Klausurthema und eignet sich für viele Klausuren. Da eine AGB-Kontrolle sehr facettenreich werden kann, ist es für Deine Klausurvorbereitung hilfreich, wenn Du hier gut vorbereitet bist und weißt, an welchen Prüfungspunkten auf Dich Probleme warten.

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