
Wusstest Du, dass die Begleichung offener Mieten innerhalb der Schonfrist zwar eine fristlose Kündigung unwirksam machen kann, eine ordentliche Kündigung aber grundsätzlich unberührt lässt? Dies hat der BGH in einer sehr examensrelevanten Entscheidung (Urteil vom 23.10.2024) entschieden. Das LG Hamburg musste einen ähnlich gelagerten Fall entscheiden: Die Mieter hatten die Rückstände innerhalb weniger Tage vollständig beglichen, der Vermieter beharrte auf die ordentliche Kündigung. Warum das Gericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam ansah, erfährst Du in diesem Beitrag.
Sachverhalt: Mietrückstand, Kündigung und nachträgliche Zahlung
Die Mieter eines Wohnraums in Hamburg hatten für mehrere Monate die Miete nicht vollständig gezahlt. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis – fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Drei Tage nach Ausspruch der Kündigung zahlten die Mieter den vollständigen Rückstand – und zwar auch in der vom Vermieter geforderten erhöhten Miethöhe, obwohl diese rechtlich zwischen den Parteien umstritten war.
Der Vermieter berief sich in der Folge weiterhin auf die ordentliche Kündigung und verlangte die Räumung. Er argumentierte, die Schonfristregelung aus § 569 III Nr. 2 BGB gelte nur für die fristlose Kündigung, nicht aber für die ordentlich erklärte Kündigung – und verwies auf die eindeutige Gesetzeslage sowie die Rechtsprechung des BGH.
Entscheidung des Gerichts: Fristlose und ordentliche Kündigung wirksam?
Das LG Hamburg hat in seinem Urteil (v. 13.12.2024 Az. 307 S 40/24) in zwei klaren Schritten geprüft, ob die Kündigungen des Mietverhältnisses wirksam waren und welchen Einfluss die nachträgliche Zahlung der Mieter hat.
Fristlose Kündigung - Heilung durch Schonfristzahlung gem. § 569 III Nr. 2 BGB
Zunächst prüfte das LG die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gem. § 543 I Nr. 3 BGB und verneinte diese aufgrund der Schonfristzahlung der Mieter gem. § 569 III Nr. 2 BGB. Danach kann der Mieter die fristlose Kündigung heilen, wenn er innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Schonfrist seine Rückstände vollständig begleicht. Die Mieter zahlten den rückständigen Betrag und sogar die umstrittene Mieterhöhung innerhalb von drei Tagen nach Zugang der Kündigung. Damit entfiel die Rechtsgrundlage für die fristlose Kündigung rückwirkend.
Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung?
Anschließend prüfte das LG die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Es stellte zunächst fest, dass die Schonfristzahlung die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung
nicht berührt.
Für Dich zur Einordnung: Die wesentlichen Argumente, warum die Schonfristzahlung nicht auch die ordentliche Kündigung unwirksam werden lässt, sind der Wortlaut und die systematische Stellung der Norm. Du siehst also, dass Du gut mit den klassischen Auslegungsmethoden argumentieren kannst.
In einem zweiten Schritt lehnte das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung ab: Im konkreten Fall überwiesen die Mieter unaufgefordert und schnell den gesamten geforderten Betrag – inklusive der strittigen Erhöhung, obwohl deren Rechtmäßigkeit gar nicht geklärt war. Sie handelten damit in besonderer Weise vertragstreu. Die nachgeholte Zahlung könne die ursprüngliche Pflichtverletzung in einem milderen Licht erscheinen lassen.
Daran siehst Du eindrücklich, dass die Kündigung keine Sanktion vergangenen Fehlverhaltens ist, sondern ein zukunftsorientiertes Lösungsrecht ist. Entscheidend ist eine Beurteilung für die Zukunft!
Das Mietrecht in Deiner Klausur
Das Mietrecht hat eine überragende praktische Bedeutung und ist daher auch für das Studium sehr relevant. Die Entscheidung des LG Hamburg eignet sich sehr gut für eine Klausur. Wichtig ist, dass Du die unterschiedlichen Kündigungen nacheinander abarbeitest:
Zunächst prüfst Du die Wirksamkeit der Kündigung getrennt nach fristlos (§ 543 BGB) und ordentlich (§ 573 BGB). Die Schonfristzahlung wirkt dabei nur gegen die fristlose Kündigung, wie sich klar aus dem Gesetz ergibt.
Danach stellst Du Dir die Frage, ob die ordentliche Kündigung wirksam ist. Dies setzt ein “berechtigtes Interesse” gem. § 573 I BGB voraus. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff bietet dann wieder Raum für eine umfassende Interessenabwägung und die Berücksichtigung der Schonfristzahlung.
Auch für Referendar:innen interessant
Gerade in der Anwaltsklausur ist dieser Fall hochrelevant. Die Entscheidung lässt sich sowohl als Kläger - wie auch als Beklagtenklausur problemlos in die Zweckmäßigkeitserwägungen einbauen.
Weiterführende Beiträge für Deine Klausurvorbereitung:
Das Mietrecht ist im Schuldrecht BT verortet und damit in allen Bundesländern Teil des Pflichtfachstoffs im Studium und Examen. Insofern solltest Du beim Mietrecht nicht auf Lücke lernen. Hier ein paar ältere Entscheidungen zu beliebten Mietrechtsproblemen in Deiner Klausur:
Kann eine nachträgliche Zahlung die Kündigung beseitigen?
Entfaltet die Schonfristzahlung auch rechtliche Wirkung auf die ordentliche Kündigung?BGH zur Kündigung nach unerlaubter Untervermietung
Kann der Vermieter den Nachweis über eine unberechtigte Untervermietung durch heimliche Videoaufnahmen erbringen?BGH zu Kündigungsbeschränkungen bei Eigenbedarfskündigung
Wie weit reicht die Toleranzpflicht im Mietverhältnis und wann liegen nächtliche Störungen des Hausfriedens vor?
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen