Klägerklausur Zweckmäßigkeit

4) Klägerklausur - Zweckmäßigkeitserwägungen

Nachdem du im materiellen Gutachten die Frage danach, was dem Mandanten zusteht, positiv beantwortet hast, geht es in den Zweckmäßigkeitserwägungen um Folgendes:

Wie kann der Mandant das, was ihm zusteht, am effektivsten erlangen?

Zuerst prüfst du, auf welchen Wegen sich der Anspruch des Mandanten durchsetzen ließe. Dabei läuft es in aller Regel auf eine Klageerhebung raus, so dass du im nächsten Schritt prüfst, welche Klagearten in Betracht kommen und ob eine Klage zulässig wäre. Letzter Punkt ist die eigentliche Zweckmäßigkeit, nämlich die Frage danach, wieweit sich das Risiko des Prozessverlust prozessual noch weiter minimieren lässt.

I. Gibt es einen effektiveren Weg als eine Klageerhebung?

Zur Anspruchsdurchsetzung stehen dem Gläubiger mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Du musst begründen, warum die in deinem Fall denkbaren Alternativen zur Klage nicht in Betracht kommen. Bei einem Zahlungsanspruch musst du also bspw. darlegen, warum es nicht zulässig oder nicht sinnvoll ist, einen Mahnantrag zu stellen.

„Für die Frage des effektivsten Vorgehens kommt es darauf an, ob es für die Mandantin einen schnelleren und kostengünstigeren Weg als eine Klage gibt.“

II. Wäre eine Klage zulässig?

Zunächst prüfst du, ob du überhaupt eine zulässige Klage für den Mandanten erheben könntest.

1. Welche Klagearten kommen in Betracht?

Läuft es auf eine Klageerhebung hinaus, prüfst du, welche Klagearten zur Durchsetzung des Anspruchs zur Verfügung stehen. Hier kann es bspw. auf die Abgrenzung von Leistungs- und Feststellungsklage ankommen.

Kommen mehrere in Betracht, triffst du an dieser Stelle noch keine Entscheidung, da die richtige Wahl noch von anderen Faktoren abhängen kann.

2. Liegen sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen vor?

Anschließend prüfst du, ob eine Klage zulässig wäre. Hier prüfst du alle Zulässigkeitsvoraussetzungen, stellst aber nur diejenigen dar, die zweifelhaft sein könnten.

Liegen die persönlichen Prozessvoraussetzungen vor: Ist der Mandant partei- und prozessfähig sowie prozessführungsbefugt?

Welche Gerichtsstände kommen in Betracht? Hier sammelst du erst mal vor allem mögliche besondere örtliche Gerichtsstände. Wo eine Klageerhebung am sinnvollsten erscheint, hängt von weiteren Faktoren ab

Liegen Prozesshindernisse vor, zB eine wirksame Schiedsvereinbarung in einem Vertrag mit dem Gegner (§ 1027 ZPO)? Das muss im Prozess zwar der Beklagte darlegen, aber auch hier gilt: Ist die Prozesseinrede absehbar, muss sie geprüft werden.

„Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass eine Klage unzulässig sein könnte.

Fraglich ist, vor welchem Gericht geklagt werden könnte.“

III. Lässt sich das Risiko eines Prozessverlusts weiter minimieren?

Nun kommt es darauf an, ob dem Mandanten auf der Grundlage des materiellen Gutachtens und der prozessualen Überlegungen zur Klage zu raten ist. Ein Restrisiko für den Mandanten wird zwar immer verbleiben, deine Aufgabe ist es aber, es so weit wie möglich zu reduzieren.

1. Welches ist die effektivste Klageart?

Wähle aus mehreren möglichen Klagearten diejenige aus, mit denen der Mandant sein Rechtsschutzziel am effektivsten erreicht.

a) Kann eine Klage im Urkundenprozess erhoben werden?

Bei einer Zahlungsklage musst du an die Möglichkeit einer Klage im Urkundenprozess denken. Die hat den Vorteil, dass der Kläger schnell zu einem Titel gelangen kann, denn der Beklagte darf Einwendungen und Einreden nur mit Urkunden beweisen und keine Widerklage erheben (§ 595 ZPO). Außerdem kann ein Zahlungstitel unabhängig von der Anspruchshöhe ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden (§ 708 Nr. 4 ZPO). Der Urkundenprozess bietet sich deshalb dann an, wenn kein Widerspruch des Beklagten und damit kein Nachverfahren zu erwarten ist (§ 600 Abs. 1 ZPO) oder der Mandant auf eine schnelle Vollstreckung aus ist.

b) Sollte nur eine Teilklage erhoben werden?

Mit der Teilklage kannst du das Risiko des Prozessverlustes bei einer Zahlungsklage minimieren, denn der Streitwert richtet sich nur nach dem eingeklagten Teil. Allerdings beschränkt sich hierauf auch die Hemmung der Verjährung. In der Klausur solltest du dich im Zweifel gegen die Teilklage entscheiden.

2. Sollten mehrere prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden?

Bestehen für den Mandanten mehrere prozessuale Ansprüche, ist es in der Regel angezeigt, diese unter den Voraussetzungen des § 260 ZPO in einer Klage zu bündeln. Das führt zu einer Kostenersparnis gegenüber einzelnen Klagen, da die Gebühren nicht linear, sondern degressiv steigen. Außerdem wird über sämtliche Ansprüche einheitlich verhandelt und ggf. nur eine Beweisaufnahme durchgeführt.

a) Kombination von Zahlungs- und Feststellungsklage

Hat der Mandant bspw. nach einem Unfall einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Gegner und lässt sich nicht ausschließen, dass zu den bereits eingetretenen Schäden später weitere hinzukommen können, bietet es sich an, die Zahlungs- mit der Feststellungsklage zu verbinden. Hiermit wird vor allem die Verjährung der künftigen Schadensersatzansprüche verhindert (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

b) Haupt- und Hilfsantrag

Besteht für den Fall, dass der Mandant aufgrund einer Einwendung oder Einrede des Gegners im Prozess unterliegt, ein anderer Anspruch, sollte dieser bereits mit der Klage als Hilfsantrag geltend gemacht werden.

c) Stufenklage

Benötigt der Mandant bspw. zur Bezifferung seines Anspruchs Informationen des Gegners, kommt eine Auskunftsklage in Betracht. Dabei musst du aber beachten, dass die Verjährung des Zahlungsanspruchs durch die Erhebung der Auskunftsklage nicht gehemmt wird. Es könnte deshalb passieren, dass dieser Anspruch verjährt ist, bevor der Mandant die Auskunft erhalten hat. Hier hilft die Stufenklage, mit der neben dem Auskunftsantrag bereits ein unbezifferter Zahlungsantrag gestellt werden darf (§ 254 ZPO), was zur Hemmung der Verjährung sämtlicher Ansprüche führt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

3. Gegen wen soll sich die Klage richten?

Richtet sich der Anspruch des Mandanten gegen mehrere Schuldner, stellt sich die Frage, ob auch alle verklagt werden sollten, soweit nicht ohnehin eine notwendige Streitgenossenschaft besteht (§ 62 ZPO).

Verklagst du mehrere Beklagte, erhöht sich das Kostenrisiko für den Mandanten selbst dann, wenn sie von demselben Anwalt vertreten werden, da dieser für jeden weiteren Mandanten eine zusätzliche 0,3-Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG erhält. Dieses Risiko ist aber bspw. dann vertretbar, wenn ansonsten die Verjährung des Anspruchs gegen einzelne Schuldner droht.

Hierbei musst du auch beachten, dass es nicht zulässig ist, die Hemmung der Verjährung lediglich durch Streitverkündung an die übrigen Gesamtschuldner (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) zu hemmen (BGH VII ZR 102/14, Rn. 15).

IV. Bei welchem Gericht sollte die Klage erhoben werden?

Kommen mehrere Gerichtsstände in Betracht, musst du jetzt prüfen, welcher der günstigste ist.

1. Kann am Wohnsitz des Mandanten geklagt werden?**

Ist eine Klage am Wohnsitz des Mandanten möglich, solltest du die Klage auch dort erheben.

Das setzt voraus, dass kein anderes Gericht ausschließlich zuständig ist.

Das Gericht am Wohnsitz des Mandanten kommt in Betracht, wenn dort auch der Gegner seinen Wohnsitz hat, ein besonderer Gerichtsstand besteht oder die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO getroffen haben, wozu beide Kaufleute sein müssen.

Kommt eine Klage am Wohnsitz des Mandanten nicht in Betracht, musst du dich ggf. für einen der anderen Gerichtsstände entscheiden.

2. Muss eine Gerichtsstandsbestimmung beantragt werden?

Willst du Streitgenossen verklagen, musst du ein Gericht wählen, das für alle zuständig ist. Gibt es das nicht - und ist auch nicht abzusehen, dass sie sich auf eine Verhandlung vor dem unzuständigen Gericht rügelos einlassen -, müsstest du zunächst einen Gerichtsstandsbestimmungsantrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellen. Hierfür zuständig ist das Gericht, das für alle Gerichtsstände der Streitgenossen das im Rechtszug zunächst höhere ist, allerdings nicht der Bundesgerichtshof (Abs. 2). Diesen Antrag stellst du dann zusammen mit einem Klageentwurf.

3. Soll vor der Zivilkammer oder vor einer Kammer für Handelssachen geklagt werden?

Willst du Klage vor einem Landgericht erheben, musst du noch entscheiden, ob eine Zivilkammer oder eine Kammer für Handelssachen (KfH) zuständig sein soll. Die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen setzt voraus, dass es sich um eine Handelssache gemäß § 95 GVG handelt. Aber auch wenn das Fall ist, kannst du vor der Zivilkammer klagen, da die Zuständigkeit der KfH einen Antrag des Klägers voraussetzt (§ 96 Abs. 1 GVG). Allerdings kann dann der Beklagte ebenfalls eine Verweisung beantragen (§ 98 Abs. 1 Satz 1 GVG).

Maßstab der Auswahl ist vor allem die Frage, ob es für die Entscheidung auf den besonderen Sachverstand der Handelsrichter (§§ 105 Abs. 1, 109 GVG) ankommt.

V. Sollte einem Dritten der Streit verkündet werden?**

Du solltest auch immer prüfen, ob für den Mandanten einem Dritten der Streit verkündet werden muss. Das spielt zwar regelmäßig für den Beklagten eine größere Rolle, kann aber auch für einen Kläger angezeigt sein.

„Der Rechtsanwalt, der mit einem Prozessmandat betraut ist, hat die mit dem Rechtsstreit unmittelbar zusammenhängenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belange seiner Partei mit zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihr insoweit nicht durch ein Versäumnis während des Prozesses Nachteile entstehen. Das gilt besonders für die Wahrung von Regressansprüchen gegen Dritte. Im Hinblick auf die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung kann daher der Rechtsanwalt im Zivilprozess verpflichtet sein, einem Dritten den Streit zu verkünden.“ (BGH IX ZR 204/09 Rn. 7)

Die Streitverkündung setzt für den Fall des Prozessverlusts einen eigenen Rückgriffsanspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung bzw. die Besorgung eines solchen voraus (§ 72 Abs. 1 ZPO). Wie bereits gezeigt, ist aber eine Streitverkündung des Klägers gegen einen weiteren Gesamtschuldner unzulässig.

Bsp.: Nach einem Verkehrsunfall steht für den Mandanten nicht sicher fest, ob B oder D den Unfall verursacht hat. Verklagt er beide, verliert er gegen einen auf jeden Fall. Hier kann es sinnvoll sein, denjenigen zu verklagen, dessen Verantwortlichkeit wahrscheinlicher ist (B), und dem anderen den Streit zu verkünden (D). Verliert der Mandant gegen B, weil nicht dieser, sondern D den Unfall verursacht hat, hat der Mandant einen Anspruch gegen D.

Die Streitverkündung bietet zwei Vorteile:

  • Sie führt zur Hemmung der Verjährung des Anspruchs gegen den Dritten (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).

  • Sie bindet den Dritten an das Ergebnis des Prozesses (Interventionswirkung), und zwar auch dann, wenn er nicht beitritt (§§ 68, 74 Abs. 3 ZPO)

Die zulässige Streitverkündung ist in der Regel auch zweckmäßig, da für den Mandanten kein Kostenrisiko besteht. Gewinnt er den Prozess, trägt der Gegner auch die Kosten der Streitverkündung, verliert er, muss der Nebenintervenient seine Kosten selbst tragen (§ 101 Abs. 1 ZPO). Das gilt nur dann nicht, wenn der Beitritt auf Seiten des Gegners erfolgte, da dieser dann Hauptpartei iSv § 101 Abs. 1 ZPO ist. Das geschieht aber kaum.

Die Streitverkündung erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht, der an den Dritten zugestellt werden kann (§ 73 ZPO). Sie kann auch in der Klage erklärt werden. Die Erklärung

  • darf nicht unter einer Bedingung erfolgen;

  • muss den Grund der Streitverkündung mitteilen; hierfür musst du den Rückgriffsanspruch knapp darstellen und

  • die Lage des Rechtsstreits mitteilen.

VI. Sollte für den Mandanten Prozesskostenhilfe beantragt werden?

Hat der Mandant mitgeteilt, dass er nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung (Gerichtskostenvorschuss nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, Anwaltskosten) aufzubringen, musst du an die Möglichkeit denken, Prozesskostenhilfe zu beantragen (§ 117 ZPO).

Die Bewilligung setzt nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass

  • der Mandant nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und

  • die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Erfolgsaussichten ergeben sich aus dem materiellen Gutachten. Die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse müssen anhand einer vom Mandanten ausgefüllten Erklärung belegt werden (§ 117 Abs. 2-4 ZPO). Hiermit musst du dich in der Klausur aber nicht befassen. Entweder ergibt sich schon aus dem Bearbeitervermerk, dass der Mandant alle für erforderlich gehaltenen Unterlagen eingereicht hat, oder du weist darauf hin, dass die Erklärung noch eingeholt werden müsste.

VII. Sollte der Klageantrag eingeschränkt werden?

Du musst prüfen, ob es angezeigt ist, den Klageantrag bereits auf das Verteidigungsvorbringen des Gegners anzupassen.

1. Zug-um-Zug-Verurteilung

Das gilt vor allem dann, wenn der Gegner ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht geltend macht, bspw. die Lieferung der Kaufsache bei einer Kaufpreisklage. Diese Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB führt nicht zur Klageabweisung, sondern dazu, dass der Gegner nur zur Zug-um-Zug-Leistung verurteilt werden würde (§ 322 Abs. 1 BGB). Entsprechend solltest du den Klageantrag stellen. (Es wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.000,00 Euro zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrrades …). Dasselbe gilt bei der Rückabwicklung eines Vertrages (§ 348 BGB).

Gleichzeitig musst du daran denken, dass ein solcher Titel schwieriger zu vollstrecken ist. Nach § 765 ZPO müsste der Gvz dem Schuldner die Gegenleistung nämlich vor der Vollstreckung anbieten. Das gilt dann nicht, wenn sich aus einer öffentlichen Urkunden ergibt, dass sich der Schuldner im Annahmeverzug befindet. Aus anwaltlicher Vorsorge musst du das deshalb bereits im Urteil feststellen lassen. Voraussetzung ist natürlich, dass Annahmeverzug vorliegt.

2. Mitverschulden

Macht der Mandant einen Schadensersatzanspruch geltend und fällt ihm nach deiner Prüfung ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens zur Last, solltest du den Mitverschuldensanteil von der Schadensersatzforderung abziehen (§ 254 Abs. 1 BGB).

VIII. Sollte der Tatsachenvortrag auch Verteidigungsvorbringen umfassen?

Grundsätzlich sollte sich ein Kläger darauf beschränken, nur die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und nicht zugleich auch das Verteidigungsvorbringen des Gegners. Zu groß ist die Gefahr, die Klage damit unschlüssig zu machen, weil es nicht gelingt, sämtliche Einwendungen oder Einreden zu entkräften.

Bsp: Die Einrede der Verjährung muss zwar im Prozess erhoben werden, aber nicht zwangsläufig vom Beklagten; es genügt, wenn der Kläger die vom Beklagten vorprozessual erhobene Verjährungseinrede in der Klage mitteilt. Das sollte er deshalb nur dann tun, wenn er gleichzeitig darlegen kann, warum die Einrede nicht durchgreift, also bspw. die Voraussetzung einer Hemmung schlüssig darlegt.

In der Klausur gilt das in dieser Schärfe natürlich nicht. Hast du dich im materiellen Gutachten mit möglichen Einwendungen und Einreden des Gegners auseinandergesetzt und bist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie einer Klageerhebung für den Mandanten nicht im Wege stehen, solltest du das auch in der Klageschrift ausführen.