Klausur im Strafrecht

Klausur im Strafrecht

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Klausurbeispiel im Strafrecht

Alex (A) ist begeisterter Formel 1 Fan und zudem stolzer Besitzer eines hochmotorisierten Mercedes AMG mit 612 PS, den er über alles liebt. Als er am frühen Abend gelangweilt an einer Ampel in der Hamburger Peripherie steht, hält neben ihm sein bester Kumpel K, stolzer Besitzer eines hochmotorisierten Jeeps mit 528 PS. Spontan verabreden beide ab Erreichen der um diese Uhrzeit nur schwach befahrenen Landstraße L ein Rennen zu fahren. Dies haben sie bereits einige Male zuvor getan, auch in der Hamburger Innenstadt, ohne dass jemand zu Schaden gekommen wäre. Gelegentlich kam es zu sehr riskanten Situationen mit Beinahe-Unfällen, die aber in letzter Sekunde durch schnelles Reagieren ohne Unfall gelöst wurden, weswegen sich beide als „masters of the universe“ fühlen.

Der Abrede entsprechend beschleunigen sie ihre Fahrzeuge nach Passieren des Ortausgangsschilds sehr schnell auf 150 – 160 km/h, obgleich nur 80 km/h erlaubt sind, wobei sie wechselseitig versuchen, sich zu überholen und die Überholmanöver des jeweils anderen durch starkes Beschleunigen zu verhindern. Während sie auf eine Rechtskurve zufahren, setzt K zum Überholen des A an, obgleich er keine freie Sicht auf den Gegenverkehr hat. Als ihm in der Kurve die 70-jährige Ottilie (O) in ihrem Ford Fiesta entgegenkommt, reißt er zur Vermeidung einer Kollision das Steuer nach links und lenkt sein Fahrzeug in das angrenzende Feld, wobei er das Fahrzeug der O seitlich streift, die daraufhin die Kontrolle verliert, sich mit dem Fahrzeug überschlägt und auf dem Dach des Autos liegen bleibt. Ein unfallvermeidendes Einscheren vor A ist K nicht möglich, da dieser beschleunigt hatte, um ein Überholen zu verhindern und sich auf gleicher Höhe mit K befand.

K bleibt unverletzt und gibt Gas, nachdem er erkannt hat, was passiert ist. A hingegen, der nicht unmittelbar in die Kollision verwickelt war, steigt aus und eilt zum Fahrzeug der O. Er erkennt, dass die bewusstlose O schwer und lebensbedrohend verletzt ist und dringend medizinische Hilfe benötigt, die er durch einen mit seinem Handy ausgeführten Anruf herbeiführen könnte. Auch hält er es für möglich, dass O ohne diese Hilfe sterben kann. Gleichwohl setzt er sich wieder sein Fahrzeug und fährt weg. Ein möglicher Tod der O ist ihm gleichgültig. Zum einen besitzt er keine Fahrerlaubnis und zum anderen ist er bereits einschlägig vorbestraft und befürchtet, inhaftiert zu werden, wenn er Hilfe veranlasst. O verstirbt geraume Zeit später am Unfallort an ihren schweren Verletzungen. Auch eine notärztliche Versorgung hätte diesen Tod nicht verhindern können.

Aufgrund einer Kameraüberwachung können A und K sehr schnell als Täter identifiziert werden. Als A sich nach einer Stunde seiner Wohnung nähert, sieht er bereits eine Polizeistreife vor seinem Haus stehen. Während er Gas gibt, wird Polizist P auf ihn aufmerksam, springt in das Einsatzfahrzeug und nimmt die Verfolgung auf. Beide rasen nun über mehrere Kilometer durch den immer noch belebten Hamburger Vorort, wobei mehrfach die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten wird. A kommt es dabei in erster Linie darauf an, zu entkommen, wobei er bereit ist, sein Auto und sein Können bis zum Äußersten zu strapazieren.

Als A in den kleinen asphaltierten Waldweg einbiegt, stellt er fest, dass in 200 Meter Entfernung ein Polizeifahrzeug quer die Straße verstellt. Polizist X steht in der offenen Türe neben seinem Fahrzeug und versucht durch Schwenken der Signalkelle, A dazu zu bewegen, anzuhalten. A, dem es noch immer um die Flucht geht, verringert aber seine Geschwindigkeit nur unwesentlich und fährt auf das Fahrzeug zu, weicht etwas nach rechts in die Böschung aus, schlägt beim Umfahren aber gegen die Fahrertüre und klemmt X zwischen Tür und Fahrzeug ein. Mit diesem Verlauf hat er gerechnet und sämtliche Folgen für das Fahrzeug und X in Kauf genommen. Er hat es aber auch für möglich gehalten, das Hindernis durch ein Ausweichen nach rechts ohne Kollision zu umfahren. X erleidet 2 Rippenbrüche und erhebliche Prellungen, das Auto einen Schaden in Höhe von 2000 Euro.

Er fährt nunmehr zu Ben (B) und stellt sein Fahrzeug in dessen Garage unter. Gemeinsam trinken sie den ein oder anderen Küstennebel auf diesen Schreck. Dann besteigen sie beide einen E-Scooter, wobei B vorne steht und A hinter ihm. Während der Fahrt hält sich A aber am Lenker fest. In der Innenstadt angekommen, werden sie dann von einer Fußstreife angehalten, die aufgrund der erheblichen Alkoholisierung den BAK-Wert bestimmt, der bei beiden bei 1,2 Promille liegt. Beide gehen allerdings davon aus, überhaupt nicht betrunken zu sein.

Strafbarkeit des A?

(Vorschriften aus dem StVG sind nicht zu prüfen. Evtl. erforderliche Anträge sind gestellt.)

Folgende Entscheidungen vor allem des BGH sind in die Klausur eingeflossen:

Zu § 315b I Nr. 3 „Pervertierung“: NStZ 2024, 234

Zu § 315d I Nr. 2 und 3 sowie zu § 315 II: jeweils NStZ 2021, 615; 2022, 292; 2023, 546

Zu § 316 „Fahrzeugführer bei E-Scooter“: LG Oldenburg JuS 2023, 275

Zum dolus eventualis bei Tötungsdelikten (auch durch Unterlassen): jeweils NStZ 2023, 153 und 2024, 410

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Lösung

A. Erster Handlungsabschnitt: Das Rennen auf der Landstraße L

I. Strafbarkeit gem. §§ 211, 212 StGB

A könnte sich wegen Mord gem. §§ 211, 212 StGB strafbar gemacht haben, indem er sein Fahrzeug beim Überholvorgang des K beschleunigte.

Klausurhinweis
Natürlich kann man auch über eine Mittäterschaft nachdenken und § 25 II StGB mit in den Obersatz aufnehmen. Wie Du aber sehen wirst, hat schon die Handlung des A kausal und zurechenbar den Tod verursacht, sodass es einer Zurechnung der Handlung des K nicht bedarf. Es ist aber nicht falsch, Mittäterschaft zu prüfen. Das Problem ist dann, ob der gemeinsame Tatplan auf die Tötung einer anderen Person gerichtet war. Hier kommen dieselben Erwägungen zum Tragen, die wir beim Vorsatz darstellen.

1. Objektiver Tatbestand

Dann müsste die Handlung des A kausal zum Tod der O geführt haben. Kausalität liegt nach der conditio-sine-qua-non-Formel dann vor, wenn die Handlung nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Hätte A sein Fahrzeug nicht beschleunigt, wäre K ein Einscheren vor seinem Fahrzeug möglich gewesen. Er hätte dann sein eigenes Fahrzeug nicht nach links lenken müssen, sodass es auch nicht zu einer Kollision mit O gekommen wäre. Das Beschleunigen hat damit kausal zum Tod der O geführt.

Fraglich ist aber, ob der Tod der O dem A auch objektiv zurechenbar ist. Indem A beim Überholvorgang gegen § 5 VI 1 StVO verstieß, wonach er seine Geschwindigkeit nicht hätte erhöhen dürfen, hat er zunächst einmal ein rechtlich relevantes Risiko gesetzt. Die Kollision mit O ist aber unmittelbar auf den gegen § 5 II 1 StVO verstoßenden Überholvorgang des K und dessen Ausweichmanöver zurückzuführen. Von daher könnte der Zurechnungszusammenhang durch ein eigenverantwortliches Dazwischentreten des K unterbrochen sein.

Dann müsste K unabhängig von dem durch A geschaffenen Risiko ein eigenes Risiko gesetzt haben, welches sich überwiegend im Erfolg niedergeschlagen hat. Hier sind A und K aber ein unerlaubtes Rennen gefahren, dessen besondere Gefährlichkeit sich aus dem Wettbewerbscharakter und den damit einhergehenden, wechselseitig sich steigernden Risiken ergibt. In diesem Zusammenhang ist es renn-typisch, dass bei einem Überholvorgang der überholte Kraftfahrzeugführer alles versuchen wird, um den Vorgang zu verhindern (BGH NStZ 2022, 292).

Damit haben A und K durch ihr jeweiliges Verhalten ein gemeinsames Risiko geschaffen, welches sich in typischer Weise im Erfolg niedergeschlagen hat. Eine Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs liegt nicht vor.

Als im objektiven Tatbestand zu prüfendes Mordmerkmal kommt die Heimtücke in Betracht. Heimtücke setzt zunächst voraus, dass der Täter die Arg- und darauf beruhende Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Das Opfer ist arglos, wenn es sich keines Angriffs versieht und wehrlos, wenn es zur Verteidigung außerstande ist (BGH JuS 2020, 892).

O rechnete, als sie sich der Kurve näherte, nicht mit einem entgegenkommenden Fahrzeug und war von daher arglos. Infolgedessen war sie auch zu einer adäquaten Reaktion außerstande und damit wehrlos.

Teilweise wird über die vorgenannte Definition hinaus noch ein verwerflicher Vertrauensbruch verlangt, der vorliegend verneint werden muss, da sich Täter und Opfer in keinem Vertrauensverhältnis befanden. Nach dieser Auffassung hätte A nicht heimtückisch gehandelt. Eine andere Auffassung sieht die Mordmerkmale lediglich als Indizien für die in § 211 StGB zum Ausdruck kommende, besondere Verwerflichkeit an. Nach dieser Auffassung könnte A heimtückisch gehandelt haben, da er ein hemmungsloses, übersteigertes Eigeninteresse am Rennerfolg hatte.

Beiden Auffassungen ist aber der Bestimmtheitsgrundsatz entgegenzuhalten, der sich aus Art. 103 II GG ergibt. Wollte man auf Ebene des Tatbestandes die gesamte Täter-Opfer-Geschichte berücksichtigen, würde das Mordmerkmal beliebig. In den Fällen, in denen eine Tötung nachvollziehbar und die angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe als schuldunangemessen erscheint, ist eine Lösung über § 49 I Nr. 1 StGB analog möglich.

Der objektive Tatbestand ist damit verwirklicht.

2. Subjektiver Tatbestand

Klausurhinweis
Das nachfolgend angesprochene Ausnutzungsbewusstsein kannst Du auch direkt bei der Heimtücke thematisieren. Es empfiehlt sich dann bei den Überschriften nicht zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand zu unterscheiden, sondern nur „Tatbestand“ über die Prüfung zu schreiben.

Fraglich ist zunächst, ob A die festgestellte Arg- und Wehrlosigkeit der O bewusst ausgenutzt hat. Hierfür genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Für das Ausnutzungsbewusstsein ist es weder erforderlich, dass der Täter ein konkretes Opfer sinnlich wahrnimmt, noch, dass er die erkannte Arg- und Wehrlosigkeit für die Tatausführung instrumentalisiert oder anstrebt (BGH JuS 2020, 892)

Inwieweit A über diese Umstände reflektiert hat, hängt auch mit seinem Vorsatz zusammen. Vorliegend kommt allenfalls dolus eventualis in Betracht, der von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen ist.

Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Nach h.M. sind auch beim dolus eventualis sowohl das kognitive als auch das voluntative Element bedeutsam.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt demnach voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn zudem billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit ihm abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, aber pflichtwidrig auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut (BGH NStZ 2024, 410).

Was der Täter sich gedacht hat, ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Je gefährlicher die Tathandlung und damit zusammenhängend der Erfolgseintritt ist, desto eher wird man dem Täter dolus eventualis unterstellen können. Bei Tötungsdelikten ist aber eine psychologische Hemmschwelle zu beachten, die dazu führt, dass auch sämtliche Vorsatz-kritischen Aspekte mit einzubeziehen sind.

Das Überholen vor einer nicht einsehbaren Kurve trägt ein hohes Risiko einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug in sich. Dieses Risiko hat A mit seinem Beschleunigungsvorgang, der es K unmöglich machte, vor ihm einzuscheren noch erhöht. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass A mit der Möglichkeit eines entgegenkommenden Fahrzeugs und einer Kollision und damit einhergehend auch dem Tod der Insassen rechnete. Fraglich ist nun aber, ob er sich mit diesem Tod um des erstrebten Zieles willen innerlich abfand oder ob er darauf vertraute, er werde nicht eintreten. Grundsätzlich weist auch an dieser Stelle die konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung auf das Vorliegen auch des voluntativen Elements hin (BGH NStZ 2024, 410).

Zu beachten ist aber, dass A rennerfahren ist und bereits einige Male zuvor kritische Situation durch schnelles Reagieren lösen konnte. Nicht zuletzt deswegen überschätzt er sein fahrerisches Können. Zudem war die Landstraße an diesem Abend nur schwach befahren, was dafür sprechen könnte, dass A pflichtwidrig darauf vertraute, es werde niemand entgegenkommen. Berücksichtigt man ferner, dass er sein Auto über alles liebt und von daher nicht möchte, dass es in einer Kollision beschädigt wird, gibt es ausreichend Anhaltspunkte, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass A den Tod der O billigend in Kauf nahm. In dubio pro reo muss daher der Tötungsvorsatz verneint werden.

Klausurhinweis
Natürlich kannst Du an dieser Stelle auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Wichtig ist nur, dass Du alle Angaben des Sachverhalts ausschöpfst und gegeneinander abwägst. Seit Einführung des § 315d V StGB sind in den „Raser-Fällen“ so gut wie keine Verurteilungen mehr aus §§ 211, 212 StGB ergangen.

Bejahst Du den Vorsatz, dann kannst Du auch das Ausnutzungsbewusstsein sowie darüber hinaus die niedrigen Beweggründe bejahen. Als niedriger Beweggrund wurde von der Rsp. der unbedingte Wille, das Rennen zu gewinnen und dafür alle Risiken, auch die Tötung eines anderen in Kauf zu nehmen, gesehen. Dieses krasse Missverhältnis zwischen Tatanlass und Taterfolg begründet die Annahme der Niedrigkeit des Beweggrundes (BGH JuS 2020, 892).

A hat sich damit nicht gem. §§ 211, 212 StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit gem. § 315d I Nr. 2, II und V StGB

A könnte sich wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gem. § 315d I Nr. 2, II und V StGB strafbar gemacht haben, indem er sein Fahrzeug beim Überholvorgang des K beschleunigte.

1. Objektiver Tatbestand

a) Voraussetzungen des § 315d I Nr. 2 StGB

Zunächst müsste K als Kraftfahrzeugführer an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen teilgenommen haben.

Ein Kraftfahrzeugrennen ist ein Wettbewerb zwischen wenigstens zwei Kraftfahrzeugführern, bei dem es zumindest auch darum geht, mit dem Kraftfahrzeug über eine nicht unerhebliche Wegstrecke eine höhere Geschwindigkeit als der andere oder die anderen teilnehmenden Kraftfahrzeugführer zu erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer zueinander in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit, die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit oder die schnellste Beschleunigung in Konkurrenz treten. Einer vorherigen ausdrücklichen Absprache bedarf es nicht; der Entschluss, ein Rennen zu fahren, kann auch spontan und konkludent gefasst werden (BGH NStZ 2022, 292).

Unerlaubt ist ein Kraftfahrzeugrennen, wenn keine behördliche Genehmigung nach § 46 II 1 und 3 StVO vorliegt.

Kraftfahrzeugführer ist, wer ein Kraftfahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtung während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (Schönke/Schröder/Hecker, 30. Aufl. 2019, StGB § 315d Rn. 7)

A und K hatten spontan an einer Ampel verabredet, ab Erreichen der Landstraße L ein Rennen zu fahren, für welches offensichtlich keine behördliche Erlaubnis bestand. Beide saßen als Fahrer am Steuer ihrer Fahrzeuge, sodass die objektiven Voraussetzungen der Nr. 2 erfüllt sind.

b) Voraussetzungen des § 315d II StGB

Durch die Teilnahme an einem Rennen müsste eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert eingetreten sein.

Eine konkrete Gefahr liegt immer dann vor, wenn es nur noch vom „rettenden“ Zufall abhängt, ob die Gefahr in einen Schaden umschlägt, was jedenfalls dann bejaht werden kann, wenn der Schaden tatsächlich eingetreten ist. Hier wurde das Fahrzeug der O beschädigt und O starb an den Folgen des Unfalls, sodass die konkrete Gefahr bejaht werden kann. Bei der Gefahr handelte es sich auch um eine rennspezifische Gefahr.

Da § 315d II StGB aber ein eigenhändiges Delikt ist, muss A die konkrete Gefahr mit seiner Handlung geschaffen haben (BGH NStZ 2022, 292). Eine Zurechnung der Handlung des K ist nicht möglich. Wie bereits bei der Prüfung des Mordes ausgeführt, hat A mit dem Beschleunigen das Risiko einer Kollision deutlich erhöht und dadurch eine eigene, rennspezifische Gefahr geschaffen. Der Zurechnungszusammenhang kann damit bejaht werden.

Die objektiven Voraussetzungen des § 315d II StGB sind damit ebenfalls erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

A müsste vorsätzlich gehandelt haben. Bezüglich der Voraussetzungen des § 315d I Nr. 2 StGB hat A absichtlich und damit mit dolus directs 1. Grades gehandelt.

Fraglich ist, ob er auch Vorsatz bezüglich des Eintritts einer konkreten Gefahr hatte. Auch hier reicht dolus eventualis. Im Gegensatz zu §§ 211, 212 StGB muss der Täter bei § 315d II StGB nur die konkrete Gefahr für möglich halten und auch nur diese billigend in Kauf nehmen.

Ein bedingter Gefährdungsvorsatz iSd § 315d II StGB liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinahe-Unfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet (BGH NStZ 2023, 546).

Wie bereits ausgeführt kann anhand der Gefährlichkeit der Handlung in der konkreten Situation angenommen werden, dass A mit der Möglichkeit eines entgegenkommenden Fahrzeugs rechnete. Auch wenn ihm aufgrund der zu überwindenden Hemmschwelle unter Berücksichtigung aller vorsatzkritischen Aspekte das billigende In-Kauf-nehmen des Todes der O nicht unterstellt werden kann, so muss man doch davon ausgehen, dass er das Risiko eines Beinahe-Unfalls mit jedenfalls erheblichen Folgen für das entgegenkommende Fahrzeug gleichgültig in Kauf nahm. Dafür spricht auch, dass es in der Vergangenheit zu vergleichbaren Situationen gekommen war, bei denen ein Unfall und damit ein Schaden zwar letztlich vermieden werden konnten, welche aber dem A die konkrete Gefahr seines Handels vor Augen geführt haben. Schließlich darf davon ausgegangen werden, dass eben diese Situationen A einen besonderen Kick für das Selbstwertgefühl geben.

Dolus eventualis bezüglich der konkreten Gefahr muss damit bejaht werden.

Klausurhinweis
Natürlich kann man auch über eine Mittäterschaft nachdenken und § 25 II StGB mit in den Obersatz aufnehmen. Wie Du aber sehen wirst, hat schon die Handlung des A kausal und zurechenbar den Tod verursacht, sodass es einer Zurechnung der Handlung des K nicht bedarf. Es ist aber nicht falsch, Mittäterschaft zu prüfen. Das Problem ist dann, ob der gemeinsame Tatplan auf die Tötung einer anderen Person gerichtet war. Hier kommen dieselben Erwägungen zum Tragen, die wir beim Vorsatz darstellen.

3. Eintritt der besonderen Folge gem. § 315d V StGB

Durch seine Handlung hat A zudem kausal und zurechenbar den Tod der O verursacht. Darüber hinaus muss er gem. § 18 StGB wenigstens fahrlässig gehandelt haben. In der konkret gefährdenden Teilnahme am Straßenverkehr gem. § 315d II StGB liegt bereits die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, sodass nur zu prüfen bleibt, ob der eingetretenen Erfolg objektiv vorhersehbar ist. Da sich - wie bereits aufgeführt - die renntypischen Gefahren im Tod der O realisiert haben, liegt ihr Tod nicht außerhalb dessen, womit man nach allgemeiner Lebenserfahrung rechnen muss.

Die Voraussetzungen des § 315d V StGB sind gegeben.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. § 315d I Nr. 2, II, V StGB strafbar gemacht.

III. Strafbarkeit gem. § 222 StGB

Eine Strafbarkeit aus § 222 StGB tritt hinter § 315d V StGB zurück.

IV. Strafbarkeit gem. 303 I StGB

Eine Strafbarkeit des A gem. § 303 I StGB scheitert am Vorsatz.

V. Strafbarkeit gem. § 315c I Nr. 2b StGB

A hat sich aber gem. § 315c I Nr. 2b StGB strafbar gemacht, indem er sein Fahrzeug beim Überholvorgang des K beschleunigte und damit gegen § 5 VI S. 1 StVO verstieß.

VI. Zwischenergebnis

A hat sich gem. § 315d I Nr. 2, II, V StGB und gem. § 315c I Nr. 2b StGB strafbar gemacht. Zwischen beiden Taten besteht aus Klarstellungsgründen Tateinheit gem. § 52 StGB.

B. Zweiter Handlungsabschnitt: das Entfernen vom Unfallort

I. Strafbarkeit gem. §§ 211, 212, 13, 22, 23 StGB

A könnte sich wegen versuchtem Mord durch Unterlassen gem. §§ 211, 212, 13, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben, indem er es unterließ, eine notärztliche Versorgung herbeizuführen.

1. Vorprüfung

Zwar verstirbt O, eine notärztliche Versorgung hätte aber den Tod nicht verhindern können. Es fehlt somit an der Quais-Kausalität zwischen Unterlassen und Erfolgseintritt. Eine Vollendung liegt nicht vor.

Der Versuch ist gem. § 23 I, 12 I StGB strafbar.

2. Tatentschluss

Der Tatentschluss des A müsste sich zunächst auf den Tod der O richten, ferner auf ein quasi-kausales und zurechenbares Unterlassen sowie darüber hinaus auf seine Garantenstellung.

A erkannte, dass O schwer und lebensbedrohlich verletzt war und dass es angezeigt war, eine notärztliche Versorgung durch einen einfachen Anruf zu veranlassen. Der Tatentschluss umfasste somit die erforderliche Handlung, die A auch nach seiner Vorstellung möglich war.

Laut Sachverhalt hielt er darüber hinaus auch den Eintritt des Todes für möglich und stand diesem Erfolgseintritt gleichgültig gegenüber. Damit kann dolus eventualis bezüglich des Todes bejaht werden.

Darüber hinaus hielt er es für möglich, dass eine notärztliche Versorgung diesen Todeseintritt hätte verhindern können. Dies war zwar tatsächlich nicht der Fall, da die Verletzungen der O so schwer waren, dass auch eine notärztliche Versorgung das Leben der O nicht hätte retten können. Beim Versuch kommt es gem. § 22 StGB nur auf die Vorstellung des Täters an, weswegen auch der untaugliche Versuch strafbar ist.

Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, dass A es nur für möglich hielt, dass die erforderliche Handlung zu einem Ausbleibend des Erfolgs geführt hätte, wohingegen es objektiv bei der Bestimmung der Kausalität zwischen Unterlassen und Erfolgseintritt erforderlich wäre, dass die vorzunehmende Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolgseintritt verhindert hätte. Es stellt sich damit die Frage, ob auch der Tatentschluss des Täters auf diese Wahrscheinlichkeit gerichtet sein muss.

Zu dieser Annahme gelangte der 5. Senat des BGH in 2017 (BGH NJW 2017, 3249). Um eine Kongruenz zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand herzustellen, müsse ein entsprechender Tatentschluss die Vorstellung voraussetzen, die erforderliche Handlung werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg verhindern.

Dies würde jedoch dazu führen, dass beim Unterlassungsdelikt der Vorsatz und damit auch der Tatentschluss des Täters auf dolus directus 2. Grades verengt würde. Aus diesem Grund möchte der 4. Senat des BGH von dieser Rechtsprechung abweichen und hat eine Anfrage gestellt (BGH NStZ 2023, 153).

Beim Unterlassen wird die Kausalität objektiv dann bejaht, wenn die erforderliche Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg verhindert hätte. Bei diesem Erfordernis handelt es sich aber lediglich um eine Frage des Beweismaßes und nicht der tatbestandlichen Voraussetzungen. Da im Rahmen der Kausalität die Hypothese „was wäre wenn“ aufgestellt wird, muss unter Berücksichtigung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes die Anforderung an die Hypothese hoch sein. Auf Täterseite geht es aber um die tatbestandlichen Voraussetzungen, weswegen dolus eventualis ausreicht. Höhere Anforderungen würden andernfalls zu Strafbarkeitslücken führen.

Nach der Vorstellung des A hat dieser mit seinem Unterlassen auch ein rechtlich relevantes Risiko gesetzt, welches sich in typischer Weise im Erfolg niederschlagen sollte. Die Garantenstellung ergibt sich aus dem vorangegangenen, pflichtwidrigen Verhalten, mithin aus Ingerenz, was A ebenfalls bewusst ist.

Der Tatentschluss umfasst somit zunächst einen Totschlag durch Unterlassen.

Darüber hinaus könnte A in der Absicht gehandelt haben, eine andere Straftat zu verdecken. Er unterließ das Herbeirufen eines Notarztes, weil er befürchtete, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen des vorangegangenen Rennens strafrechtlich verfolgt zu werden. Der Tatentschluss könnte somit auch einen Verdeckungsmord durch Unterlassen umfassen.

Das A bezüglich des Todes nur mit dolus eventualis handelte, schließt zunächst die Verdeckungsabsicht nicht aus. Die Absicht muss sich auf die zu verdeckende Straftat beziehen, nicht auf den Taterfolg. Eine Verdeckungsabsicht kommt bei dolus eventualis bezüglich des Todes nur dann nicht in Betracht, wenn der Täter den Tod des Opfers braucht, um die Tat verdecken zu können, z.B. weil das Opfer den Täter kennt und ihn, sofern es überlebt, identifizieren könnte. Braucht er den Tod hingegen nicht, kann auch auf die Handlung / das Unterlassen als Mittel der Verdeckung abgestellt werden.

Da sich A und O nicht kennen, steht nicht zu befürchten, dass O ihn erkennen könnte, würde sie überleben. Damit kann auf das Unterlassen abgestellt werden.

Zu beachten ist aber, dass der Täter eines Unterlassungsdelikts mit seinem Unterlassen nur die Aufdeckung unterlässt, wohingegen er beim aktiven Tun eine Tat mit der nachfolgenden Tötung zudeckt. Aus diesem Grund verneint eine teilweise in der Literatur vertretene Auffassung die gem. § 13 I StGB erforderliche Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun (Theile JuS 2006, 112; Mitsch JuS 1996, 219).

Der BGH (BGH NJW 2000, 1730) und Teile der Literatur (Fischer Strafgesetzbuch 69. Aufl., § 211, Rn. 72; Geppert Jura 2004. 242) bejahen hingegen ein Verdecken durch Unterlassen. Die Gleichstellungsklausel gelte nur bei verhaltensgebundenen Delikten. Bei der Verdeckungsabsicht hingegen gehe es um besondere täterbezogene Merkmale, sodass die Gleichstellungsklausel irrelevant sei.

Bedenkt man zudem, dass sich die besondere Verwerflichkeit einer Tötung aus Verdeckungsabsicht daraus ergibt, dass der Täter ein Menschenleben aus egoistischen Motiven vernichtet, macht es keinen Unterschied, wie der Täter die vorangegangene Tat verdecken möchte. Ein etwaiger Wertungsunterschied kann über eine Strafmilderungsmöglichkeit gem. § 13 II StGB ausgeglichen werden (a.A. selbstverständlich vertretbar).

Der Tatentschluss bezieht sich damit auch auf die Begehung eines Mordes durch Unterlassen.

3. Unmittelbares Ansetzen

A müsste zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Das ist dann der Fall, wenn er subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht`s los“ überschritten hat und nach seiner Vorstellung keine wesentlichen Zwischenschritte zur Vollendung mehr erforderlich sind, das Rechtsgut mithin konkret gefährdet ist.

Hier hat A das Herbeirufen eines Notarztes unterlassen und O ihrem Schicksal überlassen. Nach seiner Vorstellung hat er O damit in die konkrete Gefahr des Todes gebracht, weitere Zwischenschritte waren nicht mehr erforderlich.

Das unmittelbare Ansetzen kann bejaht werden.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. §§ 211, 212, 13, 22, 23 StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit gem. §§ 221 I Nr. 2 und 323c StGB

Die ebenfalls mitverwirklichte Aussetzung und die unterlassene Hilfeleistung gem. §§ 221 I Nr. 2 und 323c StGB treten in Gesetzeskonkurrenz hinter dem versuchten Verdeckungsmord zurück (BGH NStZ 2017, 90).

III. Strafbarkeit gem. § 142 I Nr. 2 StGB

A könnte sich wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gem. § 142 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er sich in sein Fahrzeug setzte und wegfuhr.

1. Objektiver Tatbestand

Dann müsste zunächst ein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr eingetreten sein. Ein Unfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, welches mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs in einem ursächlichen Zusammenhang steht und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.

Die Kollision zwischen K und O stellt ein solches Ereignis dar, welches sich auch auf der Landstraße und damit im öffentlichen Straßenverkehr ereignete.

A hat kausal und zurechenbar mit seinem Verhalten dazu beigetragen, dass sich der Unfall ereignete und ist damit gem. § 142 V StGB auch Unfallbeteiligter.

Da O infolge des Unfalls bewusstlos war, war sie keine feststellungsbereite Person gem. § 142 I Nr. 1 StGB, weswegen sich die Strafbarkeit des A aus § 142 I Nr. 2 ergeben könnte.

A hat unmittelbar nach dem Unfall die Unfallstelle verlassen und ist demgemäß seiner Wartepflicht nicht nachgekommen. Als feststellungsbereite Person kommt immer ein Polizeibeamter in Betracht, auf dessen Eintreffen A hätte warten müssen (OLG Hamm NJW 1972, 1383).

Der objektive Tatbestand ist damit verwirklicht.

2. Subjektiver Tatbestand

A handelte mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. § 142 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht.

IV. Zwischenergebnis

A hat sich gem. §§ 211, 212, 13, 22, 23 StGB und § 142 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Beide Taten stehen zueinander in Tateinheit gem. § 52 StGB.

C. Dritter Handlungsabschnitt: Die Flucht

I. Strafbarkeit gem. § 315d I Nr. 3, II StGB

A könnte sich wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen gem. § 315d I Nr. 3, II StGB strafbar gemacht haben, indem er mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Hamburger Vorort und in den Waldweg fuhr.

1. Objektiver Tatbestand § 315d I Nr. 3 StGB

A hat sich zunächst als Kraftfahrzeugführer im öffentlichen Straßenverkehr fortbewegt.

Obgleich er dabei der ihn verfolgenden Polizei zu entkommen versuchte, kommt eine Teilnahme an einem Rennen gem. § 315d I Nr. 2 StGB nicht in Betracht. Die Polizeiflucht birgt zwar ähnliche Gefahren wie ein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen, ihr fehlt aber der für ein Rennen erforderliche Wettbewerbscharakter.

Von daher könnte A ein „Rennen gegen sich selbst“ gefahren sein und sich gem. § 315d I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben.

Dafür müsste er mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos gefahren sein.

Laut Sachverhalt wurde bei dieser Fahrt über mehrere Kilometer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten. A fuhr somit über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke mit nicht angepasster Geschwindigkeit.

Die grobe Verkehrswidrigkeit des Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit kann sich allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes oder aus begleitenden anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen (BGH NStZ 2021, 615). Hier fand die Fahrt nicht auf einer wenig befahrenen Landstraße, sondern in einem belebten Hamburger Vorort statt. Eine Überschreitung der Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte ist damit eine grobe Verkehrswidrigkeit.

Rücksichtslos handelt ein Täter, wenn er sich aus eigensüchtigen Motiven über die Belange anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit Bedenken gegenüber seinem Verhalten nicht aufkommen lässt (KG Berlin NStZ-RR 2008, 257). Hier ging es A vor allem darum, der Festnahme zu entkommen. Die Belange anderer waren ihm dabei gleichgültig. Von daher kann auch die Rücksichtslosigkeit bejaht werden.

Der objektive Tatbestand ist damit verwirklicht.

2. Objektiver Tatbestand § 315d II StGB

Fraglich ist, ob durch das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert entstanden ist.

In Betracht kommen hier das von X gefahrene Fahrzeug sowie er selber. Allerdings ist zu beachten, dass zwischen dem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer, renntypischer Zusammenhang bestehen muss. Dazu muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine Verkehrssituation geführt haben, in der die Sicherheit eines der benannten Individualrechtsgüter so stark beeinträchtigt worden ist, dass der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung – was aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – nur noch vom Zufall abhing (BGH NStZ 2023, 108).

Die konkrete Gefahr für sowohl X als auch das von ihm gefahrene Fahrzeug entstand aber durch das gezielte Zufahren im Rahmen der Flucht, nicht aber durch das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit und einem damit z.B. einhergehenden Kontrollverlust. Es hat sich damit nicht die Gefahr des § 315d I Nr. 3 StGB verwirklicht, weswegen die Voraussetzungen nicht vorliegen.

3. Subjektiver Tatbestand

A handelte mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich.

Er müsste darüber hinaus aber auch in der Absicht gehandelt haben, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Problematisch ist nun, dass es A in erster Linie darum ging, zu entkommen. Er war zu diesem Zweck zwar bereit, sein Auto und sein Können bis zum Äußersten zu strapazieren, wollte also nach seinen Vorstellungen unter den konkreten situativen Gegebenheiten – wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse etc. – die maximal mögliche Geschwindigkeit erreichen. Das Erreichen dieser Geschwindigkeit stellte aber nicht sein primäres Endziel, sondern nur ein Zwischenziel zum Erreichen des Endziels „Flucht“ dar.

Fraglich ist, ob ein Zwischenziel ausreichen kann. Aus dem Wortlaut lässt sich diesbezüglich nichts Eindeutiges entnehmen. Auch entspricht die Einbeziehung von Zwischenzielen der herkömmlichen Interpretation der Vorsatzform des dolus directus ersten Grades.

Allerdings könnte die Entstehungsgeschichte der Nr. 3 gegen die Einbeziehung von Zwischenzielen sprechen, denn der Gesetzgeber wollte mit der Nr. 3 die sog. „Rennen gegen sich selbst“ unter Strafe stellen, bei denen es dem Täter darum geht, die Möglichkeiten des Fahrzeugs und seines fahrerischen Könnens unter Beweis zu stellen. Mit der Absicht sollte zudem die „einfache“ Geschwindigkeitsüberschreitung als Ordnungswidrigkeit von der Straftat abgegrenzt werden. Aus diesem Grund verneint ein Teil der Literatur die Einbeziehung von Zwischenzielen (Anm. Hoven NJW 2021, 1173).

Die Rechtsprechung bejaht hingegen die Einbeziehung auch von Zwischenzielen jedenfalls in den Polizeifluchtfällen (BGH NStZ 2021, 615). Dem ist beizupflichten, da diese Situation eine ähnliche Gefährlichkeit wie die unerlaubten Rennen aufweist und Wortlaut und Systematik keine Einschränkung vorgeben.

A handelte demgemäß auch mit der entsprechenden Absicht. Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.

4. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. § 315d I Nr. 3 StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit gem. § 315b I Nr. 3 StGB

A könnte sich wegen gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er auf das Polizeifahrzeug zufuhr und es beim Umfahren rammte.

1. Tatbestand

Klausurhinweis
Natürlich kann man auch über eine Mittäterschaft nachdenken und § 25 II StGB mit in den Obersatz aufnehmen. Wie Du aber sehen wirst, hat schon die Handlung des A kausal und zurechenbar den Tod verursacht, sodass es einer Zurechnung der Handlung des K nicht bedarf. Es ist aber nicht falsch, Mittäterschaft zu prüfen. Das Problem ist dann, ob der gemeinsame Tatplan auf die Tötung einer anderen Person gerichtet war. Hier kommen dieselben Erwägungen zum Tragen, die wir beim Vorsatz darstellen.

Dann müsste A die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt haben, dass er einen ebenso gefährlichen Eingriff vornahm. Dieser könnte in dem Zufahren auf das Polizeifahrzeug und dem Rammen liegen.

Grundsätzlich erfasst § 315b StGB aber nur Eingriffe, die von außen in den Straßenverkehr hineinwirken. Gefahren, die aus einer Teilnahme am Straßenverkehr entstehen können, werden über die §§ 315c und d StGB erfasst. Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird allerdings ausnahmsweise von § 315b StGB erfasst, wenn der Täter sein Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“ und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Darüber hinaus muss der Täter das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbrauchen (BGH NStZ 2024, 234).

Hier könnte A sein Fahrzeug als „Rammbock“ pervertiert haben, um zu entkommen. Zu beachten ist jedoch, dass er zwar eine Beschädigung des Polizeifahrzeugs ebenso billigend in Kauf nahm wie eine Verletzung des X, er aber zugleich auch mit der Möglichkeit rechnete, das Fahrzeug kollisionsfrei umfahren zu können. In einem solchen Fall fehlt es aber an der Pervertierungsabsicht. A kam es nicht in erster Linie darauf an, dass Fahrzeug als Waffe zu pervertieren. Vielmehr kam es ihm nach wie vor darauf an, der Polizei zu entkommen, wobei er Schäden nur billigend in Kauf nahm. Das aber reicht für einen Eingriff nach § 315b I Nr. 3 StGB nicht aus (BGH NStZ 2024, 234).

2. Ergebnis

A hat sich nicht gem. § 315b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht.

Klausurhinweis
Achtung Falle: auch wenn der Sachverhalt auf das „Klassiker“ Problem bei § 315b StGB zuzulaufen scheint, so entbindet Dich das doch nicht von einer sorgfältigen Prüfung der Voraussetzungen. Es wäre verfehlt gewesen, hier voreilig § 315b StGB zu bejahen.

III. Strafbarkeit gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB

A könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 strafbar gemacht haben, indem er auf X zufuhr und ihn beim Umfahren zwischen Türe und Fahrzeug einklemmte.

1. Objektiver Tatbestand

X erlitt 2 Rippenbrüche sowie erhebliche Prellungen, welche einen pathologischen Zustand und damit eine Gesundheitsschädigung darstellen. Diese wurde auch kausal und zurechenbar durch das Umfahren des Polizeifahrzeugs und das damit einhegende Einklemmen des X verursacht. Der objektive Tatbestand des § 223 StGB ist verwirklicht.

Das Fahrzeug des A könnte ein gefährliches Werkzeug gem. § 224 I Nr. 2 StGB sein. Ein gefährliches Werkzeug ist ein beweglicher Gegenstand, der nach seiner Art der Verwendung im konkreten Einzelfall und der Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Das Fahrzeug des A rammte das Fahrzeug des X, sodass X zwischen seiner eigenen Fahrertür und seinem Fahrzeug eingequetscht wurde. Die Verletzungen wurden zwar unmittelbar durch das eigene Fahrzeug des X verursacht, zugleich aber auch durch die Fahrtrichtung und die Geschwindigkeit des von A gesteuerten Fahrzeugs vermittelt, ohne die es ein Einklemmen des X nicht gegeben hätte. Die Verletzungen wurden damit mittels des Fahrzeugs des A herbeigeführt (zum Problem der Unmittelbarkeit: OLG Hamm NStZ-RR 2014, 141). Das Fahrzeug war bei dieser konkreten Verwendung auch geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Von daher kann eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs bejaht werden.

2. Subjektiver Tatbestand

A rechnete mit der Möglichkeit, beim Umfahren X zu verletzen und nahm diese billigend in Kauf. Er handelte damit mit dolus eventualis.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht.

IV. Strafbarkeit gem. § 303 I StGB

Das Rammen des von X geführten Fahrzeugs hat zu einer Beschädigung des Sachsubstanz und zu einem Schaden in Höhe von 2.000 Euro geführt, was A auch billigend in Kauf genommen hat. A hat sich damit auch gem. § 303 I StGB strafbar gemacht.

V. Strafbarkeit gem. § 142 I Nr. 1 StGB

A könnte sich wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gem. § 142 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er nach der Kollision mit dem Fahrzeug des X weiterfuhr.

1. Objektiver Tatbestand

Dann müsste zunächst ein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr eingetreten sein. Ein Unfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, welches mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs in einem ursächlichen Zusammenhang steht und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.

Fraglich ist, ob auch ein vorsätzlich herbeigeführtes Schadensereignis als Unfall angesehen werden kann, ist es doch jedenfalls für eine der in den Unfall involvierten Partei nicht plötzlich eintretend. Darüber hinaus hängt es auch nicht unbedingt mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs zusammen. Nach überwiegender Auffassung scheidet aber ein Unfall nur dann aus, wenn das Verhalten des Täters schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild keine Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos, sondern Teil einer deliktischen Planung ist, was v.a. dann der Fall ist, wenn das Fahrzeug als Waffe pervertiert wird (BGH NStZ 2002, 252).

Wie bereits geprüft, hat A das Fahrzeug nicht in erster Linie als Waffe pervertiert, sondern hat als Kraftfahrzeugführer seine Pflichten verletzt. Von daher ist die Kollision mit dem von X geführten Fahrzeug ein Unfall. A ist auch Unfallbeteiligter gem. Abs. 5.

Zudem stand X als feststellungsbereite Person vor Ort zur Verfügung. Indem A den Unfallort verließ, verstieß er gegen seine Feststellungs- und Vorstellungspflicht, sodass der objektive Tatbestand verwirklicht ist.

2. Subjektiver Tatbestand

A handelte mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. § 142 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

VI. Zwischenergebnis

A hat sich gem. § 315d I Nr. 3 StGB, §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB, § 303 I StGB und § 142 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Auch wenn Unfälle grundsätzlich eine Zäsur darstellen können, so muss das doch im vorliegenden Fall verneint werden, da A ohne anzuhalten unmittelbar weiter gefahren ist. Damit stehen alle Taten zueinander in Tateinheit gem. § 52 StGB.

D. Vierter Handlungsabschnitt

I. Strafbarkeit gem. § 316 I, II StGB

A könnte sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 I, II StGB strafbar gemacht haben, indem er sich am Lenker des E-Scooters festhielt.

1. Tatbestand

Dann müsste A zunächst im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt haben.

Bei dem E-Scooter handelt es sich zunächst um ein Fahrzeug. Dieses wurde aber in erster Linie von B, der vor A stand, geführt, denn dieser übte alle für die Fortbewegung des Fahrzeugs erforderlichen technischen Funktionen aus.

Fraglich ist damit, ob auch A Fahrzeugführer war. Eine Zurechnung der Handlung des B kommt nicht in Betracht, da § 316 StGB ein eigenhändiges Delikt ist. A ist also nur dann strafbar, wenn er selbst Fahrzeugführer ist.

Nach Auffassung der Rechtsprechung ist auch derjenige Fahrzeugführer, der nur einzelne der o.g. Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (wie zB das Bremsen oder Lenken). Allein das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters während der Fahrt durch einen Sozius stellt – unabhängig von aktiven Lenkbewegungen nach links oder rechts, um eine Kurve zu fahren – ein Lenken des Fahrzeugs und damit das ‚Führen‘ eines Fahrzeugs iSd § 316 StGB dar. Denn das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters führt dazu, dass dieser in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt wird: nämlich geradeaus. Dieses In-der-Spur-Halten des E-Scooters ist ein genuiner Lenkvorgang, weil ein kontrolliertes Fortbewegen des E-Scooters durch den Verkehrsraum, wenn beide Personen auf dem Roller sich am Lenker festhalten, nur durch ein Zusammenwirken durch beide Fahrer möglich ist. Das bedeutet auch, dass der E-Scooter in einer Art ‚Mittäterschaft‘ von beiden Fahrern gleichzeitig geführt wird (LG Oldenburg JuS 2023, 275 mit zustimmenden Ausführungen Hecker).

Des Weiteren müsste A fahruntauglich gewesen sein. In Betracht käme eine absolute Fahruntauglichkeit, die ab einer Alkoholisierung von 1,1 Promille beginnt. Dafür müsste der E-Scooter aber als Kraftfahrzeug und nicht als ein dem Fahrrad ähnliches Fahrzeug angesehen werden können, was nach überwiegender Auffassung schon aufgrund der gesetzgeberischen Intention und darüber hinaus aufgrund der Bauart und der Versicherungspflicht der Fall ist (KG Berlin BeckRS 2022, 13262).

Zwar ging A davon aus, nicht betrunken zu sein, weswegen ihm ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann. Gem. Abs. 2 reicht aber auch fahrlässiges Handeln. Der Genuss einiger Schnäpse sowie die deutlich wahrnehmbare Alkoholisierung reicht für die Fahrlässigkeit in Bezug auf die Fahruntauglichkeit aus.

Der Tatbestand ist verwirklicht.

2. Rechtswidrigkeit und Schuld

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

A hat sich damit gem. § 316 I, II StGB strafbar gemacht.

E. Endergebnis

A hat sich gem. § 315d I Nr. 2, II, V StGB und gem. § 315c I Nr. 2b StGB strafbar gemacht. Zwischen beiden Taten besteht aus Klarstellungsgründen Tateinheit gem. § 52 StGB.

Gem. § 53 StGB tatmehrheitlich dazu hat A sich gem. §§ 211, 212, 13, 22, 23 StGB und § 142 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Beide Taten stehen zueinander in Tateinheit gem. § 52 StGB.

Weiterhin gem. § 53 StGB tatmehrheitlich dazu hat A hat sich gem. § 315d I Nr. 3 StGB, §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB, § 303 I StGB und § 142 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Auch diese Taten stehen zueinander in Tateinheit gem. § 52 StGB.

Weiterhin gem. § 53 StGB tatmehrheitlich dazu hat A hat sich gem. § 316 I, II StGB strafbar gemacht.

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