Bezeichnung von Polizeibeamten als “Rassistenverein”
Das Zitat “Soldaten sind Mörder” dürfte wohl jeder schon einmal irgendwo gehört haben. Jurist:innen wären keine Jurist:innen, wenn sie dabei nicht auch sofort an eine mögliche Strafbarkeit denken würden. Genau aus diesem Grund wurde diese Aussage in der Vergangenheit bereits vielfach diskutiert. Über einen ähnlichen Fall hatte auch das Landgericht in Stuttgart zu entscheiden.
Was ist passiert?
A hielt sich im Herbst 2023 zusammen mit Kollegen in der Stuttgarter Innenstadt auf. Die Männer waren stark angetrunken und belästigten Passanten, welche deswegen die Polizei informierten. Die beiden Polizeibeamten suchten daraufhin die Örtlichkeit auf. Als ihnen dann der spätere Angeklagte entgegenkam, sagte dieser bewusst an die beiden Beamten gerichtet und für die umstehenden Passanten gut hörbar: “Da ist ja wieder der Rassistenverein”. Aufgrund dessen unterzogen die Beamten den Angeklagten anschließend einer Personenkontrolle und belehrten ihn wegen des Vorwurfs der Beleidigung. Beide stellten im Nachgang form- und fristgerecht Strafantrag gegen ihn wegen Beleidigung. Während des Verfahrens gab A mehrmals an, dass er mit seiner Aussage lediglich auf rassistische Strukturen in der Polizei aufmerksam und seinen Protest kundtun wollte.
Rechtliche Einordnung
In der Sache geht es im oben geschilderten Sachverhalt um die Beleidigung nach §185 StGB. Hierbei wird auch relevant, ob es sich um eine Kollektivbeleidigung oder um eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung handelt.
Die Entscheidung des Gerichts
Nach Auffassung des Stuttgarter Landgerichts hat sich A gem. § 185 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 52 StGB) strafbar gemacht.
Die Aussage des A sei schon deshalb keine Tatsachenbehauptung, weil die deutsche Polizei keine Vereinsstruktur aufweise und die Beamten daher auch keine Mitglieder sein könnten. Vielmehr liege darin eine herabwürdigende und ehrverletzende Wertung der Beamten, mithin eine Meinungsäußerung.
Indem A die Beamten als Rassisten, also als Personen, die andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Ethnie geringschätzen, bezeichnete, habe er diese auf massive Weise mit eindeutig abwertendem Charakter herabgesetzt.
Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte die Äußerung scheinbar als Kollektivbeleidigung vorgenommen habe. Zwar habe A mit seiner Aussage nicht unmittelbar die beiden Beamten persönlich adressiert, es müsse aber eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Mit der Bezeichnung “Rassistenverein” bringe der A zum Ausdruck, dass alle Mitglieder der Polizei Rassisten seien. Sie beziehe sich also nicht nur auf die Institution als solche, sondern jeweils auf alle Beamte. Da die Aussage zielgerichtet gegenüber den beiden Beamten geäußert wurde, sei dies als konkrete Individualbeleidigung aufzufassen.
Die Aussage des Angeklagten sei des Weiteren auch nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt.
Es liege keine Formalbeleidigung oder eine nach dem Bundesverfassungsgericht eng auszulegende Schmähkritik vor, bei deren Vorliegen im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden könne.
Schließlich sei eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten aus Art. 5 GG und den Persönlichkeitsrechten der Geschädigten aus Art. 2 GG vorzunehmen. Hierbei seien alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen.
Nach einer Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen sei letzterem der Vorrang einzuräumen. Für den Vorrang der Meinungsfreiheit spräche zwar, dass es sich bei der Äußerung des Angeklagten um eine einmalige Äußerung gegenüber den Polizeibeamten gehandelt habe und der Personenkreis, der Kenntnis von dieser Äußerung erhalten habe, mit den Passanten auf dem Gleisüberweg überschaubar gewesen sei. Dennoch ist zu beachten, dass der von dem Angeklagten in der Verhandlung vorgebrachte Sachbezug, auf rassistische Strukturen innerhalb der Polizei aufmerksam machen zu wollen, in der Situation vor Ort objektiv nicht erkennbar gewesen sei.
Auch habe der Angeklagte seine Äußerung nicht im Zusammenhang mit konkreten Maßnahmen der Beamten, die auf ein rassistisches Verhalten schließen ließen, getätigt. Es habe sich vielmehr um eine rein zufällige Begegnung gehandelt, bei der es keinen Anlass für Kritik gegeben habe.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung dürfe nicht dazu missbraucht werden, um Amtsträger gezielt öffentlich und anlasslos persönlich zu diffamieren, ohne dass dies im Rahmen eines Meinungsaustauschs stattfinde.
Damit sei die Äußerung des Angeklagten im Rahmen der Güterabwägung nicht hinnehmbar. Die Grenze zur Ausübung der Meinungsfreiheit sei überschritten, sodass sich der Angeklagte wegen Beleidigung gem. § 185 StGB strafbar gemacht habe.
Prüfungsrelevanz
Beleidigungsdelikte werden wohl kaum den Schwerpunkt einer Klausur bilden, können aber gut zur Abrundung der Aufgabe als “Lückenfüller” eingebaut werden. Insbesondere auch in mündlichen Prüfungen werden solche - im Studium zugegeben eher vernachlässigten - Deliktsgruppen gerne thematisiert. Gerade deshalb solltest Du hier nicht auf Lücke setzen.
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen